Startseite
 Aufruf
 Termine
 Silvio Meier
 Jugendinfo
 Material
 Bündnis
 Presse
Wenn das erste Lichtlein brennt...
Da sind sie schon wieder! Seit 2003 marschieren pünktlich zur Weihnachtszeit hunderte Neonazis durch Berlin, um für ein so genanntes »Nationales Jugendzentrum« zu demonstrieren. Während die ersten Aufmärsche lediglich regionale Bedeutung für die hiesige Szene hatten, trotteten im letzten Jahr erstmalig mehr als 600 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet durch die Straßen Berlins.

Für die geschwächte neonazistische Szene in Berlin ist der Aufmarsch im Dezember die einzige eigene und relevante Aktivität. Seit den Nachwuchs-Nazis 2002 ihr illegaler »Führerbunker« im Berliner Südosten staatlicherseits abspenstig gemacht wurde und einschlägige Führungskader Hausverbote in lokalen Jugendeinrichtungen erhielten, versuchen sie der Kommunalpolitik mit Petitionen, Flugblattverteilungen, symbolischen Besetzungen abrissreifer Gebäude und jährlichen Aufmärschen ein Gebäude für Jungnazis abzutrotzen. Als dann 2006 der Aufmarsch fast scheiterte, nachdem hunderte Menschen stundenlang die Route blockierten, drohte der damalige NPD-Landesvorsitzende Eckart Bräuniger mit einer bundesweiten Nazi-Mobilisierung. Gesagt, getan, schob sich tatsächlich 2007 eine ganz gehörige Anzahl Neonazis durch den Berliner Südosten. Und in diesem Jahr ist von einer Wiederholung des Spuks auszugehen!

Der schmale Grad - die Rolle der NPD
Ohne die tatkräftige Unterstützung der »Nationaldemokratischen Partei Deutschlands« (NPD) und ihrer Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« (JN) wäre der Aufmarsch im vergangenen Jahr so kaum möglich gewesen: Der Großteil der teils prominenten Redner hatte ein Parteibuch vorzuweisen. Zugleich entstammt diese Rednerschaft mitunter dem parteiungebundenen Spektrum der »Freien Kameradschaften«. Auch der Anmelder Sebastian Schmidtke, der seine »Karriere« bei der Kameradschaft »Märkischer Heimatschutz« begann, ist heute Funktionär der Berliner JN und eine tragende Säule der »Freien Kräfte Berlin«, die als Veranstalter des Aufmarschs am 6. Dezember auftreten.

Im Zuge von Kameradschafts-Verboten in Berlin im Jahr 2005 avancierte der mitgliederschwache Berliner Landesverband mitsamt JN für einen Teil der Kameradschafts-Nazis zum Auffangbecken.

Eindeutige Bezüge zum historischen Nationalsozialismus sind keineswegs selten. Der neue NPD-Landesvorsitzende Jörg Hähnel fällt des Öfteren durch rassistische und geschichtsrevisionistische Hetzreden auf. Dass der bundesweit schwelende Dissens zwischen NPD und »Autonomen« Nationalisten in Berlin kaum eine Rolle spielt, ist somit ganz klar personellen Überschneidungen beider Lager geschuldet.

Die NPD nutzt ihre Präsenz in einigen Kommunal-Parlamenten Berlins, um auf die Forderung nach einem »Nationalen Jugendzentrum« aufmerksam zu machen. So brachten die gewählten Nazis einen Antrag für eben solches Jugendzentrum ein und versuchten, den Protest gegen die Naziaufmärsche zu diskreditieren. Schwerwiegender scheint jedoch die ständige Hetze gegen nicht-rechte und alternative Jugendeinrichtungen und Projekte, die den Nazis ein Dorn im Auge sind.

So geht das schon viele Jahre
Dass Neonazis »Nationale Jugendzentren« fordern ist nichts Neues: Bereits Anfang der 1990er besetzten sie ein ganzes Haus im bis heute als »rechter« Stadtteil berüchtigten Berliner Weitlingkiez.

Forderungen nach einem »Nationalen Jugendzentrum« sind kleine Schritte, die der Erlangung der »kulturellen Hegemonie« (nach Gramsci) dienen sollen. Wenn Neonazis nach »Freiräumen« für die »deutsche Jugend« schreien, so propagieren sie das Konzept der »national befreiten Zone« und die NPD-Strategie des »Kampfes um die Straßen«: So sollen ganze Stadtteile und Regionen erobert werden, in denen Migrantinnen und Migranten, Juden und Jüdinnen, Homosexuelle, behinderte Menschen, alternative beziehungsweise nicht-rechte Jugendliche und Linke nichts verloren haben. Wer nicht ins völkische Streichholzschachtel-Weltbild passt, muss Schikanen jeglicher Art über sich ergehen lassen und mitunter um sein Leben fürchten. Und das ist durchaus ernst gemeint. Seit der sogenannten deutschen Wiedervereinigung wurden mehr als 140 Menschen von Nazis ermordet.

Ein »Nationales Jugendzentrum« ist Ausgangs- und Rückzugspunkt für militante Angriffe auf mißliebige Menschen, bietet Infrastruktur für Neonazi-Konzerte und Schulungsveranstaltungen und stellt zudem eine optimale Grundlage für die Rekrutierung junger Nachwuchs-Neofaschisten dar. Doch auch ohne eigene Heimstätte finden die Jugendlichen mit NS-Affinität in etlichen Jugendfreizeiteinrichtungen Unterschlupf und bei so manchem Sozialarbeiter ein offenes Ohr. Derartige »akzeptierende Jugendarbeit« löst keine Probleme. Sie ist das Problem!

Nur die Rute für die Nazis
Statt also Neonazis zu hofieren, ist es wichtig, nicht-rechte und alternative Jugendliche und Jugendkulturen zu unterstützen. Jedes unabhängige und linke Jugendzentrum, jedes besetzte Haus und jedes antifaschistische Festival stellen einen Stolperstein für die Nazis dar. Und wir werden den Neonazis nicht nur am 6. Dezember Steine in den Weg legen!

Unser Protest richtet sich jedoch nicht ausschließlich gegen eine kleine Gruppe von Neonazis. Wir wollen nicht ausblenden, dass ein großer Teil der weißen deutschen Bevölkerung rassistische Ansichten vertritt. Wir vergessen nicht, dass den rassistischen Pogromen gegen Flüchtlingsheime Anfang der 1990er in Rostock-Lichtenhagen, Mannheim-Schönau und anderswo, eine beispiellose rassistische Debatte in der bundesdeutschen Politik über alle Parteigrenzen hinweg vorauseilte.

Wir greifen ein, wenn Politikerinnen und Politiker die deutsche Abschiebepolitik verteidigen und daraufhin Migrantinnen und Migranten auf offener Straße gewaltsam attackiert werden. Wir ignorieren niemals, wenn in Literatur und Geschichtsschreibung antisemitische Klischees bedient werden, um die Shoa zu relativieren, gegen den Staat Israel zu hetzen und Jüdinnen und Juden in Deutschland anzugreifen.

Deshalb müssen wir an jedem Tag im Jahr rassistischen Angriffen, homophoben Sprüchen, antisemitischen Schmierereien, dem schwarz-rot-goldenen Fahnen-Hype und der bundesdeutschen Abschiebepraxis entgegen treten!

Es geht gegen die ununterbrochene Diffamierung von HartzIV-Empfängerinnen und -Empfänger in den Medien, beleidigende Staatsbürgerschaftstests und rassistisch-motivierte Polizeikontrollen! Auf datensammelwütige Schlapphüte, kriegsbegeisterte Außenminister und Guido-Knopp-Geschichtsverdrehung werden wir angemessen antworten.

Wir, antifaschistische Gruppen, rufen dazu auf, den Neonaziaufmarsch am 6. Dezember 2008 in Berlin zu verhindern! Durch zahlreichen, vielfältigen und lautstarken Protest wollen wir gemeinsam die Route der Nazis blockieren.

Mehr Infos: www.antifa-dezember.de.vu