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Rechtsrock in Lichtenberg
Die letzten Kraken der »Kameradschaft Spreewacht« (KSW)
Wer durch Zufall auf die »Weltnetzseiten« der Berliner Neonaziskins »Kameradschaft Spreewacht« (KSW) gerät, glaubt sich schnell in die Mitte 1990er Jahre zurückversetzt, als mit Kassettenrecorder ausstaffierte Neonazi-Kraken noch für Aufregung auf Ostberliner Bahnhöfen sorgten. Für die »eingeschworene Gemeinschaft« der KSW hat sich die Welt seitdem nicht verändert. Kein Wunder, dass die alten Kameraden mit dem aufgeregten Gezappel der Jungspunde der »Autonomen« Nationalisten nicht grün wurden und in ernsthaften Streit gerieten.

Die Internetseite der Kameradschaft lief zunächst auf Mandie Varschen und auf die mittlerweile als Fake verbliebene Adresse in der Bürgerheimstrasse 17 (Lichtenberg). Mittlerweile übernahm Sabrina Schmidt (Zeuthen) die Homepage, welche in Punkto Nazihetze keine Blatt vor den Mund nimmt. Neben obligatorischen Sauf- und Konzertberichten, finden sich auch unverholene Gewaltaufraufe gegen Nichtdeutsche wie dem einzigen – mittlerweile vertriebenen – Dönerladenbesitzer in der Weitlingstrasse. Die drei mal wöchentliche stattfindenden Clubabende in dem »KSW-Bunker« in der Wönnichstrasse 1 (Inhaberin: Varschen, siehe Bild) ist einer der wenigen Gelegenheiten die Neonazis als geschlossenen Gruppe zu begegnen.

Das Angebot der etwa zwanzig Aktiven liest sich wie das eines mittelständischen Veranstaltungsservice. »Die moderne Kameradschaft im Herzen der Innenstadt, existiert inzwischen seit fast 10 Jahren (...) Ihr könnt auch Eure Feierlichkeiten bei uns abhalten, sprecht mit uns, wir haben Platz! Auch ausserhalb von Berlin.« Womit das eng mit der KSW verbundene Privatgrundstück des Brandenburger DVU-Funktionärs Klaus Mann gemeint sein dürfte.

Feste Verankerung in der Musikszene
Das Neonazimusiknetzwerk ist europaweit und gilt als Einstieg in die Szene und ist Antreiber und Begleitmusik zu Mord und Totschlag. In Berlin mögen sich 200 Leute dazu zählen, doch der Verbreitungsgrad dieser Musik ist immens und die Wirkung um etliches höher als Vorträge der NPD in irgendwelchen Kneipenhinterzimmern. Die KSW-Mitglieder gehören zur Generation der Nachwende-Neonazis, was ihnen den Vorteil erbringt, Ansprechpartner und Garant für die bundesweite Rechtsrockszene zu sein. Meist im Hintergrund aktiv, sind sie sowohl vom kulturellen Habitus her, aber auch ob ihrer langen Existenz, die letzten Neonazis die in und um Berlin noch kontinuierlich Neonazi-Konzerte veranstalten.

Gewisserweise als Hausband gilt die Berliner Rechtsrockformation »Legion of Thor« (L.O.T.), zur Familie gehören aber auch »Deutsch Stolz Treue« (D.S.T.) aka »X.x.X.« und die Berliner Neonazimusiker um »Spreegeschwader« und Co. Die widerlichen rassistischen Texte dieser Bands und die daraus folgenden Razzien und Indizierungen aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen. Bei der Gruppe »Legion of Thor« bestehen u.a. Verbindungen zu der verbotenen »Blood & Honour« Organisation.

Gewalttätig
Pumpguns, Vorschlaghämmer, Schlagringe und »No-Go-Area Lichtenberg«-Schilder sind bevorzugtes Layout der Lichtenberger Neonazis. In den Chroniken lokaler Antifas finden sich auch immer wieder Berichte von Attacken der KSW’ler. Ende der 1990er Jahre war der Lichtenberger Neonazi Manuel Sandmann aus dem Umfeld der jetzigen KSW in einen Mord verwickelt. Am 5. November 1999 wurde die Leiche von Kurt S. (38) auf einem stillgelegten Urnenfriedhof in der Rudolf-Reusch-Straße gefunden. Er wurde erschlagen. Vier Neonazis wurden daraufhin als Täter festgenommen. 2004 werden Michael Voigt und Manuel Sandmann zu lebenslanger Haft verurteilt. Sandmann war nach eigenen Angaben Gründer der Berliner Kameradschaft »14/88« und einer Neonaziband. Er wird regelmäßig von den Lichtenberger Neonazis in der JVA-Tegel besucht und gegrüßt.

Demo in Kreuzberg
Anlässlich der Ausstellung »When Loves turn to Poison« im Kunstraum Kreuzberg im Jahr 2004, traten die KSW Neonazis unter Federführung des jetzigen NPD-Funktionärs Eckart Bräuniger mit einer Gegenkundgebung auf den Plan (der erste Neonazi-Aufmarsch in Kreuzberg seit Kriegsende). »Wollita«, eine lebensgroße Puppe in Unterhose, gehäkelt von der »Stereo Total«-Sängerin Françoise Cactus, sollte die Degradierung von Frauen zu Sex-Symbolen kritisieren. Die Berliner Boulevardmedien sprachen von einer »Kinderporno-Ausstellung«, die KSW'ler und die NPD-Treptow schloßen sich als geistige Höhenflieger der BILD und B.Z. an und forderten den Rücktritt der Bürgermeisterin. Bräuniger, der durch Gewalttaten und seiner Söldnertätigkeit bekannt ist, gehört ebenfalls zur KSW-Generation, ist häufiger Clubgast und somit Schnittstelle zwischen den Neonazimusikern und NPD.

Auch Peter Brammann gehört gewisserweise zum Inventar der KSW. Bramman war Ladenbesitzer in Friedrichshain, wohnt ungestört in Kreuzberg (Köpenickerstrasse) und gelangte weniger als Musiker sondern vielmehr als »Kollateralschaden der Bewegung« zu einer gewissen Bekanntheit. Im August 2003 wurde ein Neonazikonzert in Struppen bei Pirna von der Polizei aufgelöst. Dabei wurde der Sänger der Berliner Naziband »D.S.T.«, von Kameraden per Flaschenwurf am Kopf getroffen und erblindete in der Folge auf dem linken Auge.

Konzerte unterm DVU-Ticket
Mit Konzerten in den eigenen Räumen hat die KSW schlechte Erfahrungen gemacht. Ein am 8. April 2006 geplantes »L.O.T.«-Konzert in der Wönnichstrasse mit 123 Besuchern wurde von der Polizei unterbunden. Neben den Kontakten zur Berliner NPD gibt es aber mit Klaus Mann und seinem Sohn Enrico auch beste Kontakte zur Brandenburger DVU. Auf dem Gelände der Manns finden neben dem »Sommerfest mit Sonnenwendfeier« der DVU auch regelmäßig Neonazikonzerte statt. Die DVU-Sommerfeste glichen aber eher einem Neonazi-Karneval, als einer seriösen Parteiveranstaltung. Versammelt war ein brauner Haufen mit dem NPD'ler Detlef Mirek (Wirt der ehemaligen Kneipe »Kiste« in der Weitlingstrasse), wilden Schlägereien der Kameradschaft »Märkischer Heimatschutz« mit anderen Neonazis und dem Sohnemann der Chefin der DVU–Landtagsfraktion Liane Hesselbarth. Zu solchen DVU-Sommerfesten kamen im Durchschnitt an die 400 Teilnehmer.

Das Konzert wiederumliefen meist so ab, dass der DVU Funktionär Klaus Mann in Seefeld später Schorfheide bei Finowfurt (Barnim) eine »private Feier« anmeldete. Dahinter verbargen sich dann Veranstaltungen der KSW, für die 15 Euro Eintritt verlangt wurden. Die KSW warb auf ihrer Internetseite Wochen vorab für das Konzert. So ging es in den Folgejahren auf dem Grundstück von Klaus Mann in Finowfurt weiter. Im Jahr 2007 zählt der Verfassungsschutz (VS) zwischen Mai und September vier Konzerte.

Im August 2008 war in Finowfurt gar eine dreitägige Großveranstaltung geplant, zu der 1.000 Neonazis erwartet wurden und 15 Neonazi-Bands auftreten sollten. Die Veranstalter hatten sich mit der Organisation mehr als verhoben und keinerlei Ahnung wie eine solche Veranstaltung durchzuführen ist. Es endete für die Kameraden die naiv genug waren zu erscheinen mit 105 Platzverweisen und zehn Ingewahrsamnahmen. Da neben über 1.000 Bratwürsten auch horrende Schulden bei den »Kameraden« blieben, war die Stimmung im Eimer.

Dummheit schützt vor Strafe nicht ...
Trotz der Kontinuität in ihrem Konzertressort, sind die Neonazis nicht die Leuchten der Szene. Ihre ersten Gehversuche im »Weltnetz« scheiterten, da sie gegen sämtliche Vorschriften verstießen, bei ihrem zweiten Versuch inklusive einem KSW-Internet-Shop fehlt offenbar die Gewerbe-Erlaubnis. Ihr erstes Clubhaus wurde von der Antifa weggeputzt und hin und wieder landeten betrunken KSW-Exponate nach der Berliner Biermeile statt in ihrem geliebten Lichtenberg auf halber Strecke unsanft auf dem Friedrichshainer Asphalt.

Dumm lief es auch für einen Berliner Polizisten. Die Neonazi Aktivistin Michaele Zanker hatte ihren Freund bei der Berliner Polizei. Im August 2007 durchsuchten Polizisten im Rahmen einer der vielen Razzien auch ihre Wohnung und die ihres Lebensgefährten. Sie fanden Bekleidungsstücke mit Aufdrucken »X.x.X« und »DST«, CDs und vieles mehr. Bereits im April 2002 war Brammann bei einer zufälligen Verkehrskontrolle mit Neonazi-CDs inkl. Hakenkreuz-Cover erwischt worden.

Es gibt viel zu tun
Man mag das Treiben der KSW-Neonazis befremdlich und unspektakulär finden, es bleibt jedoch eine öffentlich agierende rassistische Neonazigruppe die mit eigener Kneipe und regelmäßigen Öffnungszeiten agiert.