Die Ausländerbehörde am Nöldnerplatz |
Direkt am Nöldnerplatz in Lichtenberg unweit des Ostkreuz befindet sich die
Berliner Ausländerbehörde. Zuständig für "Flüchtlinge und Rückführung" spielt
sie eine entscheidende Rolle im deutschen Migrationsregime. So müssen die
über 6.000 Migrant_innen in Berlin mit dem Aufenthaltstitel der Duldung diesen
hier verlängern. Eine Duldung erhalten Migrant_innen, die der Staat eigentlich
loswerden will, die er aber zur Zeit nicht abschieben kann. Diese ist meist auf
drei Monate befristet und beinhaltet ein Arbeitsverbot. Die Betroffenen werden
so teilweise über Jahrzehnte in einer unsicheren und perspektivlosen Situation
gehalten. Entfallen aus Sicht der Ausländerbehörde die Gründe, die eine
Abschiebung bisher unmöglich gemacht haben, wird die Duldung von heute auf
morgen entzogen und die Menschen können noch im Schalterraum der Behörde
verhaftet werden.
Ein Routinevorgang: Durch die von außen verschließbare Tür und durch das
Panzerglas zwischen Sachbearbeiter_in und dem "Kunden" bzw. der "Kundin"
lässt sich der Schalterraum binnen Sekunden in eine Zelle verwandeln.
Häufig folgt dann eine monatelange Inhaftierung im Abschiebeknast Grünau.
Die Abschiebehaft dient der Sicherung der Abschiebung und kann bis zu 1 1/2
Jahre dauern, ohne dass die Betroffenen gegen ein Gesetz verstoßen haben
oder gar verurteilt wurden. Selbst Minderjährige werden regelmäßig inhaftiert.
So saßen 2007 allein in Berlin 64 unbegleitete Kinder und Jugendliche in
Abschiebehaft. Für viele endet diese mit der Abschiebung.
Das bedeutet regelmäßig die Rückkehr in ein Land, das sie unter Einsatz ihres
Lebens vor vielen Jahren verlassen haben oder - wie häufig im Fall von Jugendlichen
- das sie gar nicht kennen, weil sie bereits als Kleinkind geflohen
sind oder sogar in Deutschland geboren wurden. Die Verzweiflung der Menschen
und die Haftbedingungen führten in der Vergangenheit bereits zu unzähligen Suizidversuchen
und Selbstverletzungen. Viele werden jedoch auch nach Monaten
einfach wieder aus der Abschiebehaft entlassen, da ihre Abschiebung von
Anfang an nicht möglich war. Somit reiht sich die Abschiebehaft in eine Reihe rassistischer
Sondergesetze gegen Asylbewerber_ innen und Geduldete ein, wie
zum Beispiel das Arbeitsverbot, das Verbot den zugewiesenen Landkreis zu
verlassen (Residenzpflicht), die Auszahlung von Sozialleistungen in Naturalien
anstatt in Bargeld (Sachleistungsprinzip) und den Zwang in einem Flüchtlingsheim
zu leben statt dem Recht auf eine eigene Wohnung. Durch diese soll
das Leben für ungewollte Migrant_innen in Deutschland so unerträglich gemacht
werden, dass sie "freiwillig" ausreisen. Eine solche "freiwillige Ausreise" und
Abschiebungen sind die zwei Mittel, die in der Liste der Zuständigkeiten beschönigend
als "Rückführung" bezeichnet werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ausländerbehörde am Nöldnerplatz
ein Kristallisationspunkt des staatlichen Rassismus ist. Daher ist es
nicht verwunderlich, dass sie auch immer wieder Ziel antirassistischer Aktionen
wird. Diese reichen von unzähligen Farbanschlägen, über die Aufklärung
der Bevölkerung und die Thematisierung bei Demonstrationen wie der Silvio
Meier-Demonstration 2006 bis zur Verleihung des "blutigen Füllfederhalters"
an die Angestellten. Unter anderem für letzteres wurde die Antifaschistin Andrea
in einem Sammelverfahren zu fünf Monaten Haft verurteilt. (freeandrea.blogsport.de)
Migration
Migration ist seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte Normalität. Schon immer
haben Menschen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen ihren Lebensort
gewechselt. Auch die heutige Gesellschaft ist ohne Migration nicht denkbar. Immer
wieder setzt der Bedarf des Kapitals an Arbeitskräften massenweise Menschen in
Richtung der wirtschaftlichen Zentren in Bewegung. Gleichzeitig werden die
Lebensgrundlagen von Millionen Menschen im Zuge der Durchkapitalisierung der
Welt zerstört. Hungersnöte, Klimakatastrophen und (Bürger-) Kriege sind bloß die
Spitze des Eisberges. In unserer heutigen Gesellschaftsordnung sind die daraus
resultierenden Migrationsströme jedoch nur staatlich gewollt, wenn die
Migrant_innen für die Wirtschaft als Arbeitskräfte nützlich sind. Um eine
unkontrollierte Migration zu verhindern und ungewollte Migrant_innen abzuhalten,
werden aktuell die Außengrenzen der Europäischen Union immer weiter zu
einer "Festung Europa" hoch gerüstet.
Migrationsregime
Ein Migrationsregime ist das Zusammenspiel unterschiedlichster staatlicher Maßnahmen,
die die Migration von Menschen kontrollieren, regulieren und in dem Staat genehme Bahnen
lenken soll. Die wichtigsten Bestandteile des deutschen Migrationsregimes sind a) die Abschottung
der Außengrenzen der EU gegen ungewollte Migrant_innen und die Abschiebung
derer, die es trotzdem geschafft haben; b) die rassistischen Sondergesetze, durch die Migrant_
innen zur "freiwilligen Ausreise" oder in die Illegalität gedrängt werden; und schließlich
c) die Förderung der Einwanderung von guten, weil nützlichen Migrant_innen - zum Beispiel
als hochqualifizierte IT-Fachleute oder als billige Spargelstecher_innen in der brandenburgischen
Landwirtschaft.
Ein Text der Antifa Prenzlauer Berg (APB).
|
|