Linke Projekte in Randbezirken |
Gerne gäben wir uns den Schreckensmeldungen der konservativen Presse
hin, die nach den Bundestagswahlen im September ´09 vom tiefroten Osten
phantasierte. Die diesjährigen Wahlergebnisse wiesen den Ost-Bezirken
(Pankow, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick) nämlich
wiederholt die Rolle als Hochburg der immer noch eher unbeliebten Linkspartei
zu. Von der Aussagekraft einer solchen Wahl[1] und der Bedeutung
einzelner Parteien mal abgesehen: wir wissen es leider besser. Denn auf der
anderen Seite haftet einzelnen Stadtteilen in Lichtenberg oder Marzahn-Hellersdorf
schon seit Jahren das Image einer trostlosen Plattenbaugegend mit
ernsthaftem Nazi-Problem an. Die gern zitierte Radikalisierung zu den vermeintlichen
politischen Rändern hin, die besonders in Zeiten von ökonomischen
Krisen periodisch auftreten würde, kann aber kaum als Erklärung für die doppeldeutige
Situation im Nordosten herhalten. Viel eher hat mensch das Gefühl, vom
politischen Desinteresse des hier lebenden "Homo discus"[2] erschlagen zu
werden, während nationalistisches, rassistisches oder antisemitisches Gedankengut
längst ein selbstverständlicher Teil des Alltags ist.
Ein Großteil der hier lebenden Jugendlichen ordnet sich dahingehend
lieber einer von Mackern dominierten Leitkultur unter, die sexistischen
oder neonazistischen Denkmustern mehr als offen gegenübersteht.
"Deutsch sein" bedeutet, sich hart, männlich und heterosexuell zu
geben. Wer da nicht reinpasst, ist eine "Schwuchtel" oder ein "Jude". Am Auto
oder im Fenster hängt die Deutschlandfahne und Thor Steinar ist für die meisten
eben doch nur eine Marke, "die gelegentlich von Rechten getragen wird".
Vielen Bürgern ist der ordentliche deutsche Neonazi noch immer lieber als ein
Bezirk voll von Problemkindern, Punks oder gar jugendlichen Migrant_innen.
Alternatives Leben ist, bis auf wenige Ausnahmen, schlicht nicht präsent.
Besonders die zahlreichen Plattenbauten, die den sozialistischen Glanz vergangener
Tage längst eingebüßt haben, bieten für die Rekrutierungsversuche
von organisierten Neonazis ein enormes personelles Potenzial. Einige Gegenden
in Hohenschönhausen oder Marzahn werden regelmäßig flächendeckend mit
NPD- und NS-Propaganda überzogen.
Als im vergangenen Jahr dann 300 Neonazis unter dem Motto "Todesstrafe
für Kinderschänder" durch Marzahn-Hellersdorf zogen, erhielten sie an der
Demostrecke mehr als nur zaghaften Zuspruch. Antifaschistische Interventionen
gab es an jenem Tag nur vereinzelt. Die etwa 100 Antifas, die den Weg
nach M/H gefunden hatten, schlossen sich schließlich den zwei bürgerlichen
Gegenkundgebungen an, die dank der Polizeitaktik kaum wahrnehmbar und
obendrein schlecht besucht waren. Ansässige Sportvereine oder vereinzelt
im Kiez verankerte Jugendclubs konnten und können die kulturelle Einöde
kaum kompensieren. Zahlreiche Einrichtungen stehen kurz vor der Schließung
oder gehen an private Träger über [3], was eine Kontinuität in der Jugendarbeit
extrem erschwert. Eigene (Haus-)Projekte, die einer emanzipatorischen
Jugendbewegung Raum und Antrieb geben, waren aus diesem Grund schon
immer ein wichtiger Bestandteil der antifaschistischen Arbeit vor Ort.
Randbezirke Nord-Ost, Projekte am Stadtrand
Getreu dem Motto: "Es war ja nicht alles schlecht im Osten", wurden und
werden auch in den Randbezirken konsequent antifaschistische Akzente gesetzt.
Die zahlreichen Festivals und Konzerte, zig Infoveranstaltungen zu
verschiedensten Themen oder die sporadische Präsenz antifaschistischer
Inhalte im Kiez haben noch immer den Aufbau einer emanzipatorischen
Jugendbewegung zum Ziel, können aber nur exemplarisch für die Vielfalt
antifaschistischen Engagements stehen. Es gilt, an erfolgreiche Kampagnen
anzuknüpfen und handlungsfähige Strukturen aufzubauen.
In diesem Sinne:
Support suburban Antifa!
Join the antifascist movement!
[1] fast 40 Prozent der Menschen haben
keiner Partei ihre Stimme gegeben
[2] der "Plattenbaumensch"
[3] in Lichtenberg größtenteils schon geschehen
Eine Text der Antifa Gruppe Hellersdorf (AGH)
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