Naziaufmarsch in Berlin: Wer steckt dahinter?
Freitag, den 16. April 2010 um 08:00 Uhr

Nachdruck eines Artikels von Indymedia

Seit Anfang des Jahres mobilisiert die Berliner Neonaziszene für einen Aufmarsch am 1. Mai 2010 in Berlin. Treibende Kraft dabei ist das von Lichtenberger Neonazis betriebene Internetportal NW-Berlin. Es scheint, als würden die Berliner Neonazis versuchen, mit der Mobilisierung aus ihrer offensichtlichen Schwäche in der Hauptstadt auszubrechen. Wir blicken deshalb einmal hinter die Kulissen der Szene.

Die Demo-Orgastruktur in Berlin

Demoleitung (19.08.2006): Sebastian Schmidtke (rechts im Vordergrund), René Bethage (links)
Demoleitung (19.08.2006): Sebastian Schmidtke (rechts im Vordergrund), René Bethage (links)

Für den ersten Mai sind in Berlin laut Pressemeldungen drei Veranstaltungen der Neonazis angemeldet. Für eine Anmeldung am Mandrellaplatz in Köpenick ist der Berliner NPD-Landesvorstand verantwortlich. Die anderen beiden Anmeldungen dienen wahrscheinlich der Taktik, das mögliche Verbot einer Route mit Ausweichrouten zu umgehen. Es ist als sicher anzusehen, dass die Neonazis eine Route im Ostteil der Stadt wählen werden. Organisator und Anmelder der Berliner Aufmärsche ist auch dieses Mal der Neonazi Sebastian Schmidtke. Dieser war früher beim Kampfbund Deutscher Sozialisten und beim Märkischen Heimatschutz aktiv. In den letzten Jahren war er einer der führenden Köpfe der Berliner Kameradschaftsszene. Er fungierte als Verantwortlicher für Publikationen des "NW Berlin" und für das Naziheft "Berliner Bote" und als Anmelder verschiedener Aufmärsche in Berlin. Seit Februar 2010 ist er stellvertretender Landesvorsitzender der NPD.

Ordner (10.10.2009): Marko Metzkow (links) / Bengt Bolle (4.v.l., Pullover)
Ordner (10.10.2009): Marko Metzkow (links) / Bengt Bolle (4.v.l., Pullover)

Da die Demonstration von der Berliner NPD unterstützt wird, ist davon auszugehen, dass die Ordnerstruktur wie schon am 10.10.2009 von Andrew Stelter (NPD Berlin) organisiert wird und mit Berliner Neonazis wie z.B. Andreas Thürmann (Ex-BASO), Bengt Bolle (Ex-Ks Tor) und Marko Metzkow (Lichtenberg) aufgefüllt werden wird.

Die Mobilisierung

Wöchentlich wird auf der Demo-Mobilisierungsseite, auf der Homepage von NW-Berlin und in verschiedenen Naziforen über Mobilisierungsaktionen berichtet. Hier werden auch die Anschläge auf linke Locations in Neukölln, Kreuzberg und anderen Bezirken (siehe Naziterror stoppen) in den Kontext der Mobilisierung gesetzt. Neben zwei Veranstaltungen - 10.01.2010 in der NPD-Zentrale, die laut den Neonazis inzwischen auch das "Nationale Jugendzentrum" beherrbergt / 20.03.2010 in der Nazikneipe "Zum Henker" - werden seit Anfang März fast wöchentlich Infotische in wechselnden Bezirken durchgeführt. Dabei wurde auf die Struktur der Berliner NPD zurückgegriffen. Diese verfügt über sog. Daueranmeldungen an vielen Punkten in der Stadt. Auf die notwendige Kurzanmeldung 48 Stunden vor Durchführung verzichteten die Neonazis, so dass sie den Stand in Britz (11.04.2010) bei Eintreffen der Polizei abbrechen mussten. Der Abbruch des Standes in Weissensee (03.04.2010) hatte einen anderen Grund. Nazichecker meldeten den Standbetreibern, dass sich in der Nähe Antifas sammeln würden. Daraufhin wurde fluchtartig der Platz verlassen.

Neuruppin: Matthias Hirsch(links), Uwe Dreisch(mitte), Gesine Hennrich(hinten)
Neuruppin: Matthias Hirsch(links), Uwe Dreisch(mitte), Gesine Hennrich(hinten)

Oft befanden sich an den Orten ein NPD-Stand und daneben ein Tisch, der ausschließlich für den 1.Mai mobilisierte. Im Umfeld der Stände waren nicht nur Neonazispäher unterwegs, es wurden auch hunderte Aufkleber, Flugblätter und vereinzelt Plakate angebracht.

Auf Aufmärschen

Auch auf Aufmärschen, wie zum Beispiel in Magdeburg (16.01.2010) oder Neuruppin (27.03.2010), wurde für den 1. Mai geworben. Dabei unterstützten die Neonazis der verbotenen Berliner Kameradschaft "Frontbann 24" um Gesine Hennrich, Ronny Schrader (beide Lichtenberg) und Uwe Dreisch (Treptow), sowie der Marzahner Matthias Hirsch die Mobilisierung. Der Neuköllner Neonazi Marcel Königsberger übernahm bei den Aktionen das Einheizen mit Megaphon.

Die Personen

Sebastian Thom (Berliner NPD-Vorstand)
Sebastian Thom (Berliner NPD-Vorstand)
Sandor Makai (ebenfalls Berliner NPD-Vorstand)
Sandor Makai (ebenfalls Berliner NPD-Vorstand)
Andy Fischer (hinten)
Andy Fischer (hinten)

Sebastian Schmidtke, als zentrale Figur der Mobilisierung, verschickt seit Monaten Mails an Kameradschaften im Bundesgebiet, in denen er zur Unterstützung des Aufmarschs aufruft.
Neben ihm waren an bisherigen Ständen vor allem Lichtenberger und Pankower Neonazis zu sehen. So wurden David Gudra, Sebastian Zehlecke und Phillip Bornemann (alle NW-Berlin, Lichtenberg), sowie Daniel Steinbrecher, Sandor Makai, Robert Scheffler, Vicky Seidler und Andy Fischer (NPD Pankow) als Standbetreuer gesichtet. Auch der Neuköllner Schläger Sebastian Thom (Mitglied des NPD-Landesvorstands) war bei den Aktionen dabei. Es ist davon auszugehen, dass die Infostände immer auch von einzelnen lokalen Neonazis unterstützt wurden.
Der Versand des Mobilisierungsmaterials wird von dem JN-Stützpunkt Pankow organisiert. Dafür wird das Postfach von Jörg Wilk (Postfach 870 243, 13162 Berlin) genutzt.

Die Gegenwehr

Es haben sich inzwischen ein Antifa-Bündnis und ein Bürger-Bündnis gebildet, um den Aufmarsch mit Massenblockaden zu verhindern. Am Vorabend wird es eine Antifa-Demo gegen die bereits erwähnte Nazikneipe "Zum Henker" in Schöneweide geben. Die Kneipe ist aktuell neben der NPD-Bundeszentrale die einzige Location, die regelmäßig von einer Großzahl Berliner Neonazis genutzt wird. Angestrebt ist, dass die Neonazis am 1.Mai keinen Meter laufen. Erinnert sei dabei an den 1. Mai 2004, als der Aufmarsch durch massive Gegenwehr in Lichtenberg und Friedrichshain abgebrochen werden konnte. Auch der Aufmarsch "für ein nationales Jugendzentrum" (06.12.2010) in Karlshorst wurde durch Sitzblockaden deutlich behindert.
Die Aufkleber der Neonazis wurden alle innerhalb weniger Stunden wieder entfernt und größtenteils durch Anti-Nazi-Aufkleber ersetzt, so dass die Propaganda der Neonazis einen gegenteiligen Aspekt hatte. Es ist davon auszugehen, dass die rege Aktivität, die einen Teil der Berliner Neonaziszene gerade auszeichnet, nach dem 1.Mai, vor allem bei einer erfolgreichen Verhinderung, schnell wieder versiegen wird.

Für weitere Informationen: Fight Back, Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg

Infos zu Sebastian Schmidtke
Infos zu David Gudra
Infos zu Sebastian Thom
Infos zu den Pankower Neonazis

Zuletzt aktualisiert am Freitag, den 16. April 2010 um 11:33 Uhr
 

Action im Überblick

Blockaden

Auftaktort der Nazis
S-Bhf Bornholmer Straße
ab 11 Uhr
Detaillierte Karte d. Region

Sammelpunkte zur gemeinsamen Anreise

  • S-Bhf. Ostkreuz für Ostberliner_innen
  • U-Bhf Alexanderplatz (U2) für Westberliner_innen

Pünktlich um 9 Uhr

Blockadepunkte (Karte)

  • Westlich vom S-Bhf Bornholmer Straße in der Osloer Straße
  • Östlich vom S-Bhf in der Bornhomler Straße

Anlaufpunkt

  • Bornhomler Straße Ecke Schönhauser Allee

Infostruktur

WAP-Ticker:
1mai.sytes.net

Infotelefon:
030 / 34 71 21 08

Twitter:
twitter.com/1mai_nazifrei

Ermittlungsausschuss:
030 / 692 22 22

Revolutionäre 1. Mai-Demonstration

Beginn: 18 Uhr am U-Bhf Kottbusser Tor

Die Demonstration wartet auf die Teilnehmer_innen der Proteste gegen den Naziaufmarsch.

 
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