Reinickendorf: rechtsoffene Kneipenkultur und JN-Kegelturnier am Samstag
Am Samstag dem 17.11.2012 ab 17 Uhr soll in der Gastwirtschaft „Zum Kegel“ (Grußdorfstr. 1-3, 13507 Tegel) nahe dem S- und U-Bahnhof Alt-Tegel ein „Kegelturnier der JN“ [1] stattfinden. Dies ist eine der vielen Veranstaltungen, welche die NPD-Reinickendorf in diesem Jahr in ihrem Programm hat.
Für ihre Veranstaltungen können sie dabei auf mehrere Lokalitäten in Reinickendorf und Umgebung zurückgreifen. Den Wirtsleuten dieser Gaststätten muß man angesichts der öffentlichen Debatte um die von Neonazis begangenen rassistisch motivierten Morde mangelnde Sensibilität bei der Vergabe ihrer Räume vorwerfen. Mit antifaschistischen Aktionen sollte dieser Problematik entschlossen begegnet werden. Ob am Samstag angemeldete Proteste stattfinden werden, ist bislang noch nicht bekannt. Wir werden in jedem Fall weiter darüber berichten.
Wendet man sich dem rechten Kneipentreiben in Reinickendorf zu, dann lohnt sich ein Blick zurück in die jüngere Vergangenheit. Als der Berliner Landesverband der NPD zu Anfang des Jahres auf der Suche nach einer geeigneten Räumlichkeit zur Durchführung eines Landesparteitages war, fiel die Wahl nicht zufällig auf eine Lokalität im Berliner Norden. Offenbar seit Jahren konnten Neonazis hier unter Schrimherrschaft des lokalen Kreisverband (KV) 2 der NPD auf eine ganze Reihe von Lokalitäten zur Durchführung von Veranstaltungen zurückgreifen.
Nachdem Antifaschist_innen dies im Vorfeld des 4. Februar 2012 teilweise mit öffentlichem Druck erzeugenden Maßnahmen, wie Kundgebungen vor den damals bekannten Lokalitäten, öffentlich gemacht hatten, konnte die NPD nicht wie geplant in der Residenzstraße im Restaurant „Villa Dalmacja“ tagen, sondern musste in die schnöde NPD-Zentrale nach Köpenick ausweichen – auch wenn man sie in der „Villa Dalmacja“ zuerst gerne als ganz „normale“ Gäste willkommen geheißen hätte [2].
Dann am 21. Juli 2012 lud der KV2 zu seinem alljährlichen „Sommerfest“, ebenfalls nach Reinickendorf. Auch dieses mal wurden Antifaschist_innen im Vorfeld darauf aufmerksam und es gelang die Betreiber_innen einer der ursprünglich angedachten Lokalitäten nahe der Osloer Straße dazu zu bewegen, die Veranstaltung abzusagen und gegen die NPD ein Hausverbot zu verhängen. Doch die Reinickendorfer Neonazis konnten, wie erst im Nachhinein bekannt wurde, umgehend auf eine andere Lokalität zurückgreifen, was diese auch durch ein Foto dokumentierten:
Lokal „Cafe Lust“
Mit NPD-Wimpel: „Sommerfest“ der NPD Reinickendorf im Cafe Lust
Mittlerweile ist bekannt geworden, dass es sich bei dem anderen Lokal um das „Cafe Lust“ (Residenzstraße 19, 13409 Reinickendorf) am U-Bahnhof Residenzstraße handelt, wo sie sich offensichtlich nicht zu verstecken brauchten. Mit NPD-Wimpel auf dem Biertisch konnte dort gefeiert werden und im Internet brüstete man sich später: „Tolles Sommerfest – Der linke Pöbel war mit seinem Terror wieder mal nicht erfolgreich.“ Im Cafe Lust von Brigitte Rosinski fühlte man sich gar so wohl, dass man in der Folgezeit noch mindestens zwei weitere Male, am 5. Oktober und am 2. November seinen monatlichen „politischen Stammtisch“ in den Räumlichkeiten durchführte, von weiteren Besuchen ist auszugehen.
Cafe Lust: Residenzstraße 19, 13409 Berlin-Reinickendorf
Lokal „Bierstub‘n“
„Bierstub‘n“: Residenzstraße 9, 13409 Berlin-Reinickendorf
Ein weiteres Stammlokal des KV2 liegt gleich um die Ecke: Die „Bierstub‘n“ (Residenzstraße 9, 13409 Reinickendorf) dient der NPD seit langem als fester Ort für Veranstaltungen: von Filmvorführungen und Vortragsveranstaltungen bis hin zu „Zeitzeugenveranstaltungen“ konnten hier im Jahr 2012 mindestens ein Dutzend NPD-Veranstaltungen, darunter „monatliche Stammtische“ und Filmvorträge durchgeführt werden.
Lokal „Zum Kegel“
Eine ebenso häufig frequentierte Adresse ist die Kneipe „Zum Kegel“ (Grußdorfstraße 1, 13507 Tegel) am S- und U-Bahnhof Alt-Tegel. Laut Selbstauskunft eine „Alt Berliner Gaststätte mit Tradition“, betrieben von der Wirtin Elfriede Bartz. Was die „Alt Berliner Gaststätte“ dabei unter Tradition versteht, zeigt der Internetauftritt des Lokals. Dort ist zu sehen, wie den Schankraum unter anderem eine Reichskriegsflagge ziert.
Reichskriegsflagge an der Wand: eine „Gaststätte mit Tradition“
Hier veranstaltete der KV2 auch seine Jahreshauptversammlung im Februar und lud dann u. a. zu „offenen Interessententreffen“, Vorträgen, und zuletzt am Freitag, 09.11.2012 zur Hauptversammlung. Dabei nominierte der KV2 seine Direktkandidat_innen für die Bundestagswahl 2013. Anschließend führte man im „Kleinen Vereinsraum“ eine Vortragsveranstaltung durch. Schon am nächsten Samstag, den 17. November, möchte die NPD-Reinickendorf im „Kegel“ ein „Kegelturnier der JN“ ausrichten.
Lokal „Am Brückenbogen“
Bis zu seiner Schließung im Sommer 2012 diente auch das Lokal „Am Brückenbogen“ (Aroser Allee 152, 13407 Reinickendorf) der Reinickendorfer NPD als fester Veranstaltungsort. Ende Juli kurzzeitig als alternativer Ort für das Sommerfest im Gespräch, traf sich der Kreisverband hier bis zur Schließung monatelang an jedem 1. Freitag im Monat.
Überblickt man diese Informationen, dann bestätigt sich der Eindruck, dass neonazistische Kneipenveranstaltungen in der Region eine deutliche Kontinuität aufweisen. Während es sich bei den Stammtischen im Cafe Lust um den jeweils 125. bzw. 126. handelte, was nahelegt, dass diese bereits seit 10 Jahren in Reinickendorf und Umgebung stattfinden, finden in weiteren Lokalen beinahe monatlich NPD-Treffen und neonazistische Film- und Vortragsveranstaltungen statt. Neben den bereits thematisierten Vorträgen in der Weddinger „Postkutsche“, denen kürzlich eine Absage erteilt werden konnte, bilden sich die Kamerad_innen zu solch illustren Themen wie dem „Waffen- und Versammlungsrecht“ oder schwelgen in Großmachtfantasien über das „Große[s] Preußen“.
Wir fordern Elfriede Bartz, Chefin der Gaststätte „Zum Kegel“, auf das Kegelturnier der neonazistischen „Jungen Nationaldemokraten“ am 17. November abzusagen. Außerdem sollte sie verbindlich zusagen keine Neonazi-Veranstaltungen mehr in ihrer Gaststätte zuzulassen. Wir werden in jedem Fall weiter darüber berichten.
Zuerst veröffentlicht auf:
Auf die Pelle rücken! – Antifaschistische Infos aus Wedding und Moabit
Fußnoten:
[1] Junge Nationaldemokraten (JN) – Jugendorganisation der NPD
[2] „Die Berliner NPD mags kroatisch. Am Samstag trifft sich die rechtsextreme Partei nach taz-Informationen zu ihrem Landesparteitag in der „Villa Dalmacija“ in der Reinickendorfer Residenzstraße, einem Restaurant, das mit „kroatischen Spezialitäten und internationaler Küche“ wirbt. Antifa-Gruppen und der Bezirk rufen zu Gegenprotest auf. Ein Mitarbeiter der Dalmacija bestätigt das Treffen der NPD. „Jeder Gast kann kommen.“ Auch Neonazis? „Jeder.“ Auch bei den Rechtsextremen hat man keine Berührungsängste. „Die Kroaten sind ein europäisches Volk, das sich in unseren Gefilden findet“, so NPD-Vize Sebastian Schmidtke. „Ausländer, die ordentlich arbeiten, sind kein Problem.“ – taz, 03.02.2012
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