Weg mit der Lückstraße 58!
Kein Neonazi-Stützpunkt in Lichtenberg und anderswo!
Den Abend des 21. November 1992 hatten die zwölf Neonazis um Sandro S. im Lichtenberger Jugendklub Judith-Auer-Klub verbracht. Der Klub, in dem schon die wohl bekannteste Neonazi-Band „Landser“ ihren Proberaum hatte, wurde zu dieser Zeit regelmäßig von Neonazis genutzt.
Auf dem U-Bhf. Samariterstraße traf die Gruppe von Sandro S. auf Silvio Meier und weitere Antifaschist_innen, die den Neonazis einen Aufnäher abnahmen. Kurze Zeit später trafen die Gruppen erneut aufeinander. Bei der Begegnung rammte Sandro S. Silvio Meier ein Messer ins Herz, auch zwei weitere Antifaschist_innen wurden durch Messerstiche verletzt. Silvio Meier starb kurz nach der Tat an den Verletzungen.
Die Geschichte des Judith-Auer-Klubs illustriert die damals starke Verankerung der Neonazis in Lichtenberg. Mit Neonazi-Kneipen und regelmäßigen Angriffen auf Migrant_innen und linke Hausprojekte, wie das in der Pfarrstraße, dominierten Neonazis hier die Straße.
Silvio Meier gedenken, heißt Neonazis bekämpfen!
Silvio Meier starb, weil er sich aktiv gegen Neonazis engagierte. Das Gedenken an ihn ist seit nun fast 20 Jahren mit dem Protest gegen Berliner Neonazistrukturen verknüpft. Im Rahmen der jährlichen Antifa-Demonstration wurde unter anderem gegen das „Café Germania“ (1998), den Neonazi-Bekleidungsladen „Two Flag Store“ (1999), die Werkstatt des damaligen NPD-Vorsitzenden Albrecht Reither (2002), das Lichtenberger NPD-Büro (2005) und die Kneipe "Kiste" (2006) demonstriert. Alle diese Orte existieren nicht mehr, nicht zuletzt aufgrund antifaschistischer Intervention. Auch die diesjährige Demonstration hat zum Ziel, die Berliner Neonazi-Strukturen ins Visier zu nehmen.
Ein Blick in das Jahr 2011
Seit Silvio Meiers Tod hat sich die Berliner Neonazi-Szene stark verändert. Die Neonazi-Skinheads sind den "Autonomen Nationalisten" gewichen. Die Straßendominanz, die die Neonazis in den 1990er Jahren in Lichtenberg hatten, haben sie längst, nicht zuletzt aufgrund antifaschistischer Gegenbewegungen, eingebüßt. Trotzdem existieren immernoch Neonazi-Strukturen - die sich vor allem um das Webprojekt "Nationaler Widerstand Berlin" (NW Berlin) scharen und versuchen, an alte Erfolge anzuknüpfen.
Seit dem Jahr 2011 hat die Berliner Neonazi-Szene zwei neue Treffpunkte. Mit dem Geschäft „Hexogen“ hat Sebastian Schmidtke – Berliner NPD-Vize, Anmelder der meisten Berliner Neonazi-Aufmärsche und Schnittstelle zu den militanten NW-Strukturen – in der Schöneweider Brückenstraße einen weiteren Treffpunkt für die lokale Neonazi-Szene geschaffen. Nur wenige Hausnummern weiter befindet sich die Neonazi-Kneipe „Zum Henker“. Der zweite Treffpunkt ist der „NW Berlin“-Stützpunkt in der Lichtenberger Lückstraße 58. Der Neonazi-Verein „Sozial engagiert in Berlin e.V." - vertreten durch Sebastian Thom und David Gudra - hat die Räume von einem unwissenden Vermieter angemietet. Hier finden seit einem Dreivierteljahr jeden Freitag Abend Treffen der Lichtenberger Neonazis statt. Transparente, Aufkleber und Plakate werden hier gelagert. Das Objekt war in den vergangenen Wochen mehrfach Ausgangspunkt von Angriffen, Bedrohungen und Neonazi-Schmierereien. Im Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus wurden hier die NPD-Wahlmaterialien gelagert. Der Vermieter hat den Neonazis inzwischen fristlos gekündigt, sie machen allerdings keine Anstalten, das Objekt zu verlassen. Genug Gründe, um mit antifaschistischen Aktionen ein wenig nachzuhelfen.
Dem Kampf gegen Staat und Kapital den Rücken freihalten
Es ist eine Binsenweisheit: Die Zeit, sich mit Neonazis rumzuärgern, könnte deutlich besser in die Bekämpfung gesellschaftlicher Missstände investiert werden. Gerade die Brandanschläge auf linke Projekte im Juni 2011 zeigen allerdings, dass Neonazis immer noch eine existenzielle Bedrohung für Menschen darstellen, die gegen Nationalismus, Kapitalismus, Antisemitismus und Rassismus kämpfen. Die betroffenen Hausprojekte und Jugendklubs sind keine zufällig gewählten Ziele. Es traf gerade Projekte, in denen ein Zusammenleben ohne Herrschaftsmechanismen geprobt wird. Sie haben unsere volle Solidarität! Auch Lichtenberger Linke waren immer Ziel rechter Angriffe. Im Jahr 2005 griffen 15 Neonazis einen Silvio-Meier-Infostand am S-Bhf. Lichtenberg mit Flaschen, Schlagstöcken und Pfefferspray an, im Jahr zuvor klebten Neonazis Aufkleber, auf denen – an das Lichtenberger Jugendbündnis ALKALIJ gerichtet - „ALKALIJ einheizen“ und darunter die Öfen von Auschwitz abgebildet waren. Auch in diesem Jahr gab es mehrere Bedrohungen und Angriffe gegen Antifaschist_innen im Bezirk. Direkt nach der Wahl begannen Lichtenberger Neonazis mit einer Reihe von Anschlägen. Am Parteibüro der "Linken" wurden die Scheiben zerstört, dem Interkulturellen Bildungszentrum wurden die Schlösser verklebt und Hakenkreuze an die Fassade gesprüht. Mehrere Stolpersteine wurden mit Teerfarbe übergossen und in der Umgebung des Unabhängigen Jugendzentrums (UJZ) in Karlshorst Parolen gegen die Antifa gesprüht.
Ein Zurückdrängen der Berliner Neonazis, eine Schließung ihrer Projekte, eine Zerschlagung ihrer Strukturen – das wäre ein Fortschritt in Richtung Emanzipation.
Linkes Leben in Lichtenberg?
In Lichtenberg hat sich in den letzten Jahren einiges verändert. Nicht erst seit der Antifa-Kampagne "Hol dir den Kiez zurück" im Weitlingkiez 2006 ist antifaschistische Politik im Bezirk sichtbar. Mehrere Antifa-Gruppen, alternative Projekte wie die Jugendzeitung Abuje, das Veranstaltungsbündnis ALKALIJ und das Infocafé „Manic Monday“ setzen Akzente im Bezirk. Es haben sich mehrere alternative und interkulturelle Treffpunkte etabliert, nicht zuletzt die, die in den letzten Wochen Ziel von Neonazi-Angriffen wurden. Und auch die Lichtenberger Bürger_innen scheinen inzwischen das Problem mit den Neonazis wahrzunehmen. Lichtenberg ist schon lange nicht mehr der neonazi-dominierte Bezirk, wie ihn sich die Neonazis gerne wünschen und viele Innenstadt-Antifas schaurig fürchten.
Hier braucht es eine starke Silvio-Meier-Demo gegen das Neonazi-Zentrum "Lückstraße 58", aber auch die tägliche Antifa-Arbeit, die Neonazis auf die Pelle rückt, ihre Treffpunkte angeht und alternatives Leben möglich macht. Ihr könnt ein Teil davon sein.
Beteiligt euch kreativ an Aktionen gegen die Lückstraße 58!
Engagiert euch in lokalen Antifa-Gruppen!
Lichtenberg nicht in Nazihand!
Beteiligt euch an der diesjährigen Silvio-Meier-Demo:
19. November 2011 – 15:00 Uhr – U-Bhf Samariterstraße
Antifa Hohenschönhausen, Oktober 2011
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