Wedding: NPD-Veranstaltung verhindert
In der bekannten Weddinger Gaststätte „Postkutsche“ in der Gerichtstr. 34 am Nettelbeckplatz, in der auch die CDU-Wedding häufig tagt, wollte die NPD-Reinickendorf am 16. Oktober 2012 zusammen mit dem „Hoffmann von Fallersleben-Bildungswerk“ (HvFB) eine Vortragsveranstaltung durchführen. Der Reichsbürger und Holocaust-Leugner Gerd Walther war als Referent zum Thema „Der Revolutionsentwurf Horst Mahlers und dessen Verwirklichung in Moskau“ geladen. Daraus wurde jedoch nichts, denn im Vorfeld der geplanten Veranstaltung kam es zu einer Reihe antifaschistischer Aktionen rund um die Kneipe.
Antifaschistische Aktionen
So wurde die „Postkutsche“ mit Flugblättern und Plakaten in der Nachbarschaft als Veranstaltungsort für Neonazis geoutet. Als wenige Tage vor dem 16. Oktober auch noch die Scheiben der „Postkutsche“ kaputt gingen, entschied sich die Betreiberin, Karin Ruch, offenbar dazu die NPD-Veranstaltung abzusagen. So verkündete Gerd Walther auf seiner Homepage: „Deutschfeindliche Schlägerbereitschaften“ hätten die Inhaberin des Lokals derart unter Druck gesetzt, dass „diese die Veranstaltung des Bildungswerkes nicht mehr zuläßt.“. Trotzdem fand am Dienstag, den 16. Oktober eine antifaschistische Kundgebung mit ca. 80 Teilnehmer_innen an der „Postkutsche“ statt und während die Gaststätte an diesem Tag bereits gegen Nachmittag ihre Pforten geschlossen hatte, wiesen Antifaschist_innen in den Abendstunden nochmals auf die Machenschaften rund um die „Postkutsche“ hin.
Neonazis referierten in der Postkutsche
Insgesamt vier Veranstaltungen mit dem HvFB hatte die Reinickendorfer NPD für das Jahr 2012 in der Lokalität geplant. Zwei davon konnten ohne Weiteres in der „Postkutsche“ stattfinden. Während die erste Veranstaltung am 17. April diesen Jahres noch ohne antifaschistische Begleitung über die Bühne ging, wurde die zweite Veranstaltung am 18. September bereits von Antifaschist_innen beobachtet, nachdem es Hinweise aus der unmittelbaren Nachbarschaft gegeben hatte. Einige Anwohner_innen waren sensibilisiert, denn bereits im November 2007 war es in der Postkutsche zu einem größeren NPD-Treffen gekommen. Diesmal, im Jahr 2012, war zu beobachten, wie Reinhold Oberlercher („Deutsches Kolleg“) im Hauptraum der Kneipe über drei Stunden vor etwa 30 Gästen referierte.
NPD-Funktionäre anwesend
Unter den Zuhörer_innen befanden sich auch die NPD-Funktionäre Uwe Meenen, Richard Miosga und Tibor Haraszti. Während es sich bei den beiden Letztgenannten um Funktionäre der Reinickendorfer NPD handelt, leiten der stellvertretende NPD-Vorsitzende Uwe Meenen und Reinhold Oberlercher das sich als „Studien und Kampfgemeinschaft“ verstehende „Deutsche Kolleg“, das unverhohlen die Errichtung eines „Vierten Reiches“ anstrebt. Nicht weniger einschlägig ist das HvFB. Es existierte offiziell als eingetragener Verein von 1991 bis 2006 und stellte in diesem Zeitraum mit seinen Schulungsveranstaltungen eine neonazistische Kaderschmiede dar. Richard Miosga trat in dieser Zeit als HvFB-Funktionär in Erscheinung und ist mittlerweile Vorsitzender der NPD-Reinickendorf. Damit Schließt sich der Kreis und es erklärt sich die Wiederbelebung des HvFB nach 2006 im Umfeld der NPD-Reinickendorf.
Wahrhaft Deutsche Küche
Karin Ruch, die Betreiberin der Postkutsche, hält sich derweil in der Öffentlichkeit bedeckt und hat offenbar keinerlei Interesse an weiterer Publicity. Auch die örtliche CDU-Prominenz, deren Parteimitglied Frau Ruch ist, hält sich angesichts der Aktionen „linker Chaoten“ im Kiez auffallend bedeckt, obwohl auch die eigene Partei die „Postkutsche“ regelmäßig zum Wahlkampf nutzt. Dem Vernehmen nach bestreitet Frau Ruch nach wie vor, neonazistische Veranstaltungen beherbergt zu haben. Wenn, dann hätte sie ausschließlich Privatpersonen bewirtet, von deren „Gesprächen“ sie nichts mitbekommen haben will. Schließlich achte sie nicht darauf, ob sie es mit Neonazis zu tun habe, wenn jemand ein Eisbein bestelle.
Ob zu Reinhold Oberlerchers Vortrag „Zur Lage des deutschen Volkes“ in der Postkutsche tatsächlich Eisbein serviert wurde, ist nicht überliefert. Unstrittig ist jedoch, dass der Holocaustleugner und selbsternannte „Reichsbürger“ dort am 18. September in Rednerpose eine dreistündige Ansprache hielt. Um diesen Vortrag nicht mitzubekommen, hätten die Betreiber_innen der Postkutsche schon beide Augen und Ohren zudrücken müssen. Daher können wir nur spekulieren, ob Frau Ruch die Räumlichkeiten der NPD aus politischer Überzeugung oder aus wirtschaftlichen Motiven überlassen hat.
Außer Frage steht jedoch, dass am Beispiel der „Postkutsche“ aufgezeigt werden konnte, dass in der lokalen Gastronomie mit Neonaziveranstaltungen kein gutes Geschäft zu machen ist. So ist auch davon auszugehen, dass die für den 20. November 2012 angekündigte Veranstaltung des „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk“ nicht mehr in den Räumen der Postkutsche stattfinden wird. Selbstverständlich werden Antifaschist_innen weiterhin ein Auge darauf haben.
Zuerst veröffentlicht auf:
Auf die Pelle rücken! – Antifaschistische Infos aus Wedding und Moabit
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