NPD Reinickendorf - Der kurze Höhenflug der Stammtischnazis
Die Reinickendorfer NPD (KV 2) ist nicht bekannt für medienwirksame Aktionen, neonazistische Straßendominanz oder NPD-Kampagnen. Und doch überrascht ein Blick auf diese Struktur, ihre kontinuierliche Arbeit und ihre Aktivisten. Im Jahr 2012 wurden der Struktur empfindliche Dämpfer zugefügt.
(Erstveröffentlichung in der Fight-Back 5, April 2013)
Die Struktur
Angeführt wird der Kreisverband von dem Neonazi-Juristen Richard Miosga aus dem Prenzlauer Berg. Miosga, der bereits 1989 für die „Republikaner“ im Abgeordnetenhaus und später für die NPD im Rat im Brandenburgischen Hohen Neuendorf saß, ist Internetverantwortlicher des neonazistischen Rechtshilfevereins „Deutsches Rechtsbüro“ (DRB) und war bis Februar 2012 im Berliner NPD-Vorstand. Sein Stellvertreter ist Tibor Haraszti. Der Ex-Republikaner führt die Geschäfte des Kreisverbands, ist seit 2012 im Berliner NPD-Vorstand und nahm u. a. an der NPDKundgebung am 29. Juni 2012 am Potsdamer Platz teil. Ebenfalls stellvertretender Kreisvorsitzender und Organisationsleiter ist Uwe Barteis. Der Maurer trat zusammen mit Haraszti von den „Republikanern“ über.
Der Verband besteht derzeit aus etwa zwei Dutzend Neonazis. Die meisten Mitglieder sind 40 Jahre oder älter, was die Aktivitäten des Verbands entscheidend prägt. Darunter befinden sich mehrere Neonazis mit langjähriger NPD-Erfahrung, so z.B. Georg Magnus. Dieser war in den 2000er Jahren Vorsitzender der Berliner NPD, wurde jedoch schon nach kurzer Zeit wieder abgelöst. Auch im Reinickendorfer Verband ist er nicht bekannt dafür, seine Verpflichtungen zu erfüllen. So wurde er 2007 vom damaligen Berliner Vorsitzenden Eckart Bräuniger abgemahnt, weil er den Eintrittsantrag Harasztis verschleppte. Der NPDler André Markau trat 2005 und 2009 als Reinickendorfer NPD-Kandidat bei der Bundestagswahl an. Er ist nur bei lokalen Aktivitäten anzutreffen. Weitere Mitglieder des Verbands sind: Kay Eggert (Schatzmeister), Gerhard Hartlieb (Beisitzer), Jörg Geisler (Beisitzer), Marno Murawski, Manfred Bamberg, Dieter Dinse, Sebastian Dörre, Josi Geisler, Detlef Glaser, Axel Wolfgang Heuer, Thomas Hille, Jörg Hirschfelder, Kai Hupe, Christian Jurk, Hans-Jürgen Kalina, Reiner Kluckow, Gabriela Rühlicke, Jörg Schenk, Jürgen Schneider, Bernd Schuler, Robert Schumacher, Alexandra Steller, Klaus-Dieter Thräne und Christian Türk.
Die Aktionen
Bis ins Jahr 2012 fanden im Monatstakt in Reinickendorf Veranstaltungen und Stammtische der NPD statt. Die NPD verfügte hier über ein Netz von Kneipen, die kein Problem darin sahen, Neonazis bei sich zu beherbergen. Im vergangenen Jahr traten bei solchen Veranstaltungen u. a.der ehemalige Berliner REP-Vorsitzende Konrad Voigt und der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt auf. Die Teilnehmer_innenzahl beschränkte sich meist auf einen einstelligen Bereich. Auch das diesjährige Sommerfest am 21. Juli 2012 sollte in der NPD-Stammkneipe „Brückenbogen“ (Aroser Allee 152) stattfinden. Da der Wirt die Kneipe jedoch aus Finanznöten schließen musste, fragten die Neonazis die Kneipe „Zum gelben Schloss“ an, die ihnen nach antifaschistischer Intervention jedoch Hausverbot erteilte. Letztendlich fand das Fest im Café „Lust“ in der Emmenthaler Straße in Reinickendorf statt. Die regelmäßigen Stammtische finden zur Zeit noch im Lokal „Bier-Stub'n“ (Residenzstraße 9) statt. Der Wirt der Tegeler Gaststätte „Zum Kegel“ hat die antifaschistischen Interventionen verstanden und wird in Zukunft keine neonazistischen Veranstaltungen in seinen Räumen mehr zulassen.
Der Bundesparteitag der NPD 2009 fand im Rathaus Reinickendorf statt und 2012 war der Landesparteitag in dem Reinickendorfer Restaurant „Villa Dalmacija“ (Residenzstraße 142) geplant. Antifaschistische Proteste bewogen den kroatischen Wirt jedoch dazu den Mietvertrag zu kündigen.
Eine Außenwirkung entfaltet der Verband selten, meist nur im Rahmen von NPD-Ständen. Diese finden regelmäßig im Rahmen von bundesweiten Aktionstagen statt. Die Reinickendorfer NPDler sind dabei – neben den Treptowern und Lichtenbergern – die einzigen, die logistisch in der Lage sind, Stände außerhalb von Wahlzeiten durchzuführen. Als der NPD-Werbe-LKW „Flaggschiff“ Berlin ansteuerte, hielt er zur Überraschung vieler nicht an einem zentralen Ort, sondern in Alt-Tegel. Weniger überraschend war, dass neben dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Uwe Meenen lediglich Reinickendorfer NPDler anwesend waren. So hielten sich Miosga, Haraszti, Markau und sechs weitere NPDler unauffällig im Umfeld und in der Kundgebung auf.
Nachwuchsarbeit des Verbands
Der Reinickendorfer Verband hat ein Nachwuchsproblem. Und so wird jeder jüngere Neonazi mit Kusshand genommen und ohne vorherige Prüfung in Funktionen gehievt. Der Sassnitzer Steffen Peplow schaffte es im Reinickendorfer Verband im letzten Jahr zum Jugendbeauftragten. Peplow nahm diese Aufgabe scheinbar nicht sehr ernst, fehlte bei fast allen Aktivitäten des Verbandes und zahlte seine Beträge nicht. Der Vorstand verdächtigte ihn weiterhin, Informationen an Dritte weiterzugeben und so wurde er Anfang 2013 aus dem Verband ausgeschlossen. Um den überalterten Verband für weitere junge Mitglieder attraktiv zu machen, wurde Georg Magnus 2012 beauftragt, spezielle Veranstaltungen zu planen, die zum Beispiel Frauen einbinden sollten. Interessentinnen wie Mandy Bläck und Peggy Ehnert sollten so an die NPD gebunden werden. Scheinbar ohne Erfolg.
Gegenwehr in Reinickendorf
Im Jahr 2012 nahmen Antifaschist_innen die NPDAktivitäten ins Visier mit dem Ziel dem Verband seine öffentlichen Räume zu nehmen. Mit Kundgebungen wurden Veranstaltungen der NPD nacheinander im „Zum gelben Schloss“, in der „Postkutsche“ und im „Zum Kegel“ verhindert. Der Verband, in die Ecke gedrängt, musste für Sitzungen inzwischen auf Privatwohnungen zurückgreifen und bat befreundete Neonazis, nach neuen Lokalitäten zu suchen. Scheinbar die einzige Kneipe, die weiterhin die NPD duldet, ist die „Bier-Stub'n“. Hier fand das Weihnachtsessen des Verbands 2012 statt. Die Nerven scheinen blank zu liegen. Das zeigt nicht nur der Rauswurf Steffen Peplows, sondern auch der bevorstehende Rückzug Kay Eggerts aus dem Vorstand. Um seine Arbeit als Gebietsrepräsentant bei der „Erlus AG - Dachbaustoffe und Schornsteinsysteme“ nicht zu gefährden, will er nicht weiter als NPD-Funktionär wahrgenommen werden. Die antifaschistischen Proteste werfen den Verband auf den inneren Kreis der jahrelang Aktiven zurück. Die gedankenlose Sicherheit der Reinickendorfer NPD, in jeder deutschen Eckkneipe des Bezirks ungestört Veranstaltungen durchführen zu können, wurde 2012 empfindlich gestört.
Das Fazit
Auch wenn der Reinickendorfer NPD-Verband wenig Außenwirkung entfaltet, hat er doch in den vergangenen Jahren kontinuierlich Strukturarbeit im Bezirk geleistet und verfügt über einen Stamm von ca 10 aktiven Neonazis. Er stellt Infrastruktur für die weiterhin schwächelnde Berliner NPD und gerade seine Bemühungen, sein Stammtisch-Nazi-Klientel, durch jüngere Aktivisten aufzufrischen müssen weiterhin aufmerksam beobachtet werden. Im Jahr 2013 wird der Verband auf den Zug der NPD-Mobilisierungen gegen Flüchtlingsheime aufspringen, bezirksspezifische Flugblätter dazu sind bereits in Planung.
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