Naziaktivitäten in Berlin-Buch – eine Einschätzung
Der Pankower Stadtteil Buch am nördlichen Rand Berlins findet selten Erwähnung, wenn es um Neonazistrukturen in der Stadt geht. Auch räumlich ist er von der Berliner Innenstadt abgeschnitten. Markant für Buch sind vor allem die Plattenbauschluchten, die einen Großteil des Wohngebietes ausmachen und das Krankenhausgelänge mit dem angeschlossenen Campus.
Denken Antifaschist_innen an den Stadtteil, verbinden sie ihn höchstens mit dem Mord an dem Sozialhilfeempfänger Dieter Eich durch vier junge Neonazis im Jahr 2000. Eine für Rassismus und Neonazismus sensibilisierte kritische Öffentlichkeit suchte man bisher im Buch vergebens – trotz des Nazimordes an Dieter Eich und schwer zu übersehener rechter Aktivitäten, die es im Stadtteil in den letzten Jahren phasenweise immer wieder gab. Gerade diese Voraussetzungen haben in Buch in diesem Jahr eine anscheinend kleine aber recht aktive Neonazigruppierung heranwachsen lassen. Unter dem Label „Aktionsgruppe Buch“ (A.G. Buch) - wahlweise auch „Freie Kräfte Buch“ und „Anti-Antifa Buch“- fallen die Bucher Neonazis in den letzten Monaten vor allem mit Propaganda-Touren auf.
Eine verstärkte antifaschistische Beobachtung der extrem rechten Strukturen im Stadtteil begann im Juni diesen Jahres, nachdem die Neonazis den Betreiber eines am Bahnhof befindlichen Imbisses mit rassistischen Motiven angegriffen hatten und das Mahnmal für die „Euthanasie“-Opfer während des Nationalsozialismus in Buch mit Hakenkreuzen besprüht worden war.
Schnell wurde ein großes Aufkommen von Aufklebern – vor allem NPD, „Bewegung Neue Ordnung“ und „Eigentümerbund Ost“ - sowie neonazistischer Schriftzüge festgestellt und regelmäßig entfernt. Die Neonazis sprühten dabei in ihrem direkten Wohnumfeld vor allem Hakenkreuze, Anti-Antifa-Slogans und Gruppenselbstbezeichnungen. Besondere Konzentrationen fanden sich dabei in der Bruno-Apitz-Straße, in der Einkaufszone am Kaufland und bestimmten Gegenden der Karower Chaussee. Die Auswahl der Aufkleber ließ nicht den Schluss zu, dass die Bucher „Kameraden“ in Berliner Neonazi-Netzwerke integriert sind. Die meisten Sticker waren über einschlägige Naziversandhandel erworben worden.
In der Nacht zum 5. September 2012 nahm die Polizei zwei Neonazis (21 und 23 Jahre alt) fest, die neonazistische Schriftzüge sprühten und durchsuchten ihre Wohnungen. Die beiden Neonazis scheinen Akteure der „A.G. Buch“ zu sein. Am 9. Oktober traf eine Gruppe Antifaschist_innen in Buch auf einen jugendlichen Neonazi, der gerade an der Ecke Wiltbergstraße / Röbellweg Naziaufkleber anbrachte. Als er die Antifaschist_innen bemerkte, sprintete er in eine Pizzeria. Am selben Tag verteilten Antifaschist_innen über 6.000 Flugblätter in fast alle Briefkästen des Ortsteils und informierten so die Anwohner_innen Buchs über das lokale Neonazi-Problem. Dieser Aktion in Buch werden weitere folgen.
Es zeigt sich, dass sich Neonazisgruppierungen vor allem dort entwickeln können, wo sie nicht mit antifaschistischer Gegenwehr sowie einer sensibilisierten Gegenöffentlichkeit rechnen müssen. Das wird sich in Buch nun ändern.
Emanzipative & Antifaschistische Gruppe [EAG] – Antifa Pankow
Eine umfangreiche Chronik rechter Aktivitäten hält die Website der EAG unter http://pankow.antifa.cc bereit
Unterstützt von:
Antifaschistische Aktion Bernau (http://www.antifa-bernau.tk)
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 10. Oktober 2012
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