NSU-Kontakte nach Berlin

4. Februar 2014 | News Redaktion

Der „Natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Unter­grund“ (NSU) ver­fügte über ein weit­läu­figes Netz aus Unterstützer_innen und Mitwisser_innen. Bei der Betrach­tung des bis­lang bekannten Unterstützer_innen-Umfeldes fürhrt eine Reihe von Kon­takten auch nach Berlin.

 Suche nach Unter­schlupf

Schon kurz nach dem Unter­tau­chen von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhn­hardt, machte sich André Kapke, einer der Haupt­ak­teure des Thü­ringer Hei­mat­schutzes (THS), in dem die drei bis zu ihrem Unter­tau­chen orga­ni­siert waren, auf den Weg nach Berlin, um „Unter­schlupfadressen für die Flüch­tigen in Erfah­rung zu bringen“ [1]. Dabei machte Kapke neben Frank Schwerdt, damals einer der Hin­ter­männer des THS, heute stell­ver­tre­tender Bun­des­vor­sit­zender der NPD, auch bei der Ber­liner Neo­na­zi­ak­ti­vistin Rita Bönisch Sta­tion [2]. Die mitt­ler­weile ver­stor­bene Bönisch betrieb sei­ner­zeit u.a. einen Wohn­mo­bil­ver­leih in Berlin-Adlershof [3].

  Thü­ringer Hei­mat­schutz im Café Ger­mania

Auch der Initiator des Thü­ringer Hei­mat­schutzes wurde 1998 in Berlin gesichtet. Als im November 1998 eine Antifa-Demonstration gegen das Ber­liner „Café Ger­mania“ statt­fand, hatten sich in dessen Räumen über 200 Neo­nazis aus dem Bun­des­ge­biet ver­sam­melt. Dar­unter auch Tino Brandt, Anführer des THS und spä­terer Flucht­helfer, der in den Jahren 1994 bis 2001 vom Thü­ringer Ver­fas­sungs­schutz mit etwa 200.000 DM finan­ziert wurde und dieses Geld nach eigenen Angaben in den Aufbau der Szene steckte [4]. Noch im Jahre 2000 übergab er den Unter­ge­tauchten im Auf­trag des Ver­fas­sungs­schutzes 2000 DM [5]. Pikant ist auch, dass Andreas Voigt, lang­jäh­riger Rechts­ro­ck­ak­ti­vist und dama­liger Besitzer des „Café Ger­mania“ im Jahre 2006 das Buch „Der letzte Patriot“ ver­öf­fent­lichte, dessen Inhalt starke Par­al­lelen zum Vor­gehen des NSU auf­weist [6].

Pankow-Connection

Auch der Ber­liner Neo­nazi Ilja Gräser stand nach Antifa-Informationen in direktem Kon­takt zum NSU-Unterstützerumfeld. Bei Bau­ar­beiten an der Dres­dener Frau­en­kirche lernte der gelernte Stein­metz im Jahr 1999 den NSU-Fluchthelfer Flo­rian Burg­hardt aus Zwi­ckau, mitt­ler­weile Dresden, kennen. In dessen Woh­nung kamen die frisch Unter­ge­tauchten ab Februar 1998 für ein halbes Jahr unter. In Berlin trieb sich Gräser jah­re­lang im NPD Kreis­ver­band Berlin-Pankow herum, bevor er sich völkisch-artamanischen Kreisen in Meck­len­burg Vor­pom­mern zuwen­dete. In Berlin ist er jedoch nach wie vor anzu­treffen.

Ein unge­klärter Mord in Wed­ding

Eine wei­tere mög­liche Spur führte im Jahre 2000 nach Berlin, nachdem das Magazin Kripo-Live im Mai Fah­nungs­bilder von Zschäpe, Mundlos und Böhn­hardt ver­öf­fent­licht hatte. Es meldte sich ein Poli­zist, der angab die Gesuchten jüngst in Berlin gesehen zu haben. Rund zwei Monate vorher, am 17. März 2000, ereig­nete sich in der Wed­dinger Euler­straße der bis heute unauf­ge­klärte Mord an einem migran­ti­schen Kiosk­be­sitzer, der mit Kopf­schüssen getötet worden war. Eine erneute Über­prü­fung des Falles, nach dem Auf­fliegen des NSU, erbrachte zwölf Jahre später „keine kon­kreten Hin­weise“ mehr auf eine mög­liche Urhe­ber­schaft. Wie im Mai 2000 den Hin­weisen auf den mög­li­chen Auf­ent­halt der Gesuchten in Berlin nach­ge­gangen wurde, ließ sich nach Recher­chen des Tages­spiegel nicht klären [7].

Spuren ins Ber­liner Rechts­rock­um­feld

Auf dem neo­na­zis­ti­schen Label „Pan­zerbär Records“ erschien im Jahre 2004 ein Sam­pler mit Bei­trägen ein­schlä­giger Ber­liner Rechts­rock­bands. Auf der als „Gemein­schafts­ton­träger“ [8] bewor­benen CD mit dem Titel „Hier tobt der Bär“ fanden sich neben Bei­trägen von „Die Luni­koff Ver­schwö­rung“ und „Legion of Thor“ (L.O.T.) auch Stücke der Band „Spree­ge­schwader“, deren Sänger, Alex­ander Gast, gleich­zeitig Inhaber des Labels „Pan­zerbär Records“ ist.

Am 15.12.2004 berich­tete der Tages­spiegel unter der Über­schrift „Volks­ver­het­zung im Pro­ben­keller“ über eine Razzia, die sich nach Poli­zei­an­gaben gegen das „Umfeld der Neonazi-Band Spree­ge­schwader“ rich­tete. Durch­sucht wurden neben dem dama­ligen Laden­ge­schäft von Sänger Alex­ander Gast in Hen­nigs­dorf, ein Objekt in Sachsen-Anhalt, sowie 12 wei­tere in Berlin, dar­unter auch der dama­lige Pro­be­raum auf einem Gewer­be­ge­lände in der Droh­nt­heimer Straße in Wed­ding.

Neben volks­ver­het­zenden Texten auf der CD „White Covers to Landser“, einem Tribute-Album für die Ber­liner Rechts­rock­band um den „Van­dalen“ Michael Regener, galt die Durch­su­chungs­ak­tion auch einer Urhe­ber­rechts­ver­let­zung auf dem ein­gangs erwähnten Sam­pler. Dort hatte u.a. eine Gruppe unter dem Pseud­onym „Berlin All­stars“, hinter dem die Band „Spree­ge­schwader“ steht, ein „Lob­lied auf Herrn Poli­zei­di­rektor Pro­fessor Knape“ into­niert, dessen Intro und Abspann mit der Melodie des „Pink Pan­ther“ kom­bi­niert wurden. Aus heu­tiger Sicht wirft das Fragen auf, inso­fern bekannt ist, dass im Beken­ner­video des NSU zahl­reiche Sequenzen der Comic­serie Ver­wen­dung fanden. Im Falle der Ber­liner Rechts­ro­cker rief die Melodie sei­ner­zeit aber nur die GEMA auf den Plan.

Blood&Honour das Netz­werk im Hin­ter­grund

Han­delte es sich um einen Zufall oder eine bewusste Andeu­tung? Im Hin­blick auf das weit­läu­fige NSU-Unterstützer_innennetzwerk ist heute bekannt, dass sich viele Kon­takte der 90er Jahre im Umfeld von Ver­an­stal­tungen des inter­na­tio­nalen Neo­na­zi­netz­werks Blood&Honour (B&H) bewegten. Im Umfeld von Blood&Honour und seinem mili­tanten Arm, Combat 18, kuri­serten zeit­gleich Stra­te­gie­pa­piere, die, als Ant­wort auf Staat­liche Orga­ni­sa­ti­ons­ver­bote, die Bil­dung kleiner, autonom agie­render und bewaff­neter Zellen pro­pa­gierten [9]. Jene Kon­zepte des „Füh­rer­losen Wider­stands“, die sich wie Blau­pausen des NSU lesen.

Laut wei­teren Berichten aus dem Bay­ri­schen NSU-Untersuchungsausschuss habe Uwe Mundlos zur Zeit des Unter­tau­chens im Januar 1998 zu füh­renden Akti­visten von Blood&Honour in Kon­takt gestanden und so führte die erste Sta­tion des Unter­tau­chens auch über den dama­ligen Chef von Blood&Honour-Chemnitz, Thomas Starke, später V-Mann des Ber­liner LKA, der sie schließ­lich bei einem Blood&Honour-Mitglied unter­brachte. Nach drei Wochen habe dann Mandy Struck, eine wei­tere Blood&Honour-nahe Akti­vistin, die wei­tere Flucht­hilfe orga­ni­siert [10].

Als Vor­zei­ge­band der deut­schen Sek­tion von Blood&Honour galt Zeit ihres Beste­hens die Ber­liner Rechts­rock­band „Landser“, her­vor­ge­gangen aus den „Van­dalen“ [11].

Die Van­dalen — Ein Ber­liner Rechts­rock­um­feld

Die „Van­dalen – ario­ger­ma­ni­sche Kampf­ge­mein­schaft“ wurden 1982 im Ost­ber­liner Bezirk Wei­ßensee von Michael Regener und Jens K. gegründet. Regener gilt seither als Chef der Grup­pie­rung, aus der auch die berüch­tigte Neonazi-Band „Landser“ her­vor­ge­gangen ist. An der Seite von Andreas Len­hard und Horst Schott, später André Möhricke (alias „Möhre“) und Blood&Honour-Mitglied Chris­tian Wenn­dorff tat sich Michael Regener (alias „Luni­koff“) als Front­mann hervor. Nach der Ein­stu­fung der Band als „kri­mi­nelle Ver­ei­ni­gung“ im Jahre 2003, machte Regener ab 2004 mit anderer Beset­zung unter dem Pseud­onym die „Luni­koff Ver­schwö­rung“ weiter. Dabei kam es zu einem Zusam­men­rü­cken mit der Ber­liner Neonazi-Band „Spree­ge­schwader“, aus deren Umfeld sich auch die neue Beset­zung rekru­tierte. Ein wei­terer Schwer­punkt der „Vandalen“-Aktivitäten liegt in der Orga­ni­sa­tion ihrer all­jähr­li­chen Gründungs-Jahresfeiern [12].

Ver­bin­dungen auf Ber­liner Rechts­rock­feier

Als die Ber­liner Polizei im Sep­tember 2002 auf einer dieser Jah­res­feiern im Mar­zahner „Frei­zeit­treff Eulen­spiegel“ rund 200 Neo­nazis kon­trol­lierte [13], befanden sich unter den Anwe­senden neben den Rechts­rock­bands „Inti­mi­da­tion one“ (USA) und „Spree­ge­schwader“ auch Mit­glieder der befreun­deten Band „Legion of Thor“. Außerdem anwe­send: Der öster­rei­chi­sche Brief­bom­ben­bauer Peter Binder, Rechts­ter­ro­rist Marcus Bischoff, sowie der lang­jäh­rige Neo­na­zi­kader und dem NSU-Unterstützerumfeld zuzu­rech­nende Thorsten Heise [14], ebenso wie Maik Eminger, im Jahr 2003 der ille­galen Fort­füh­rung zwi­schen­zeit­lich ver­bo­tener Blood&Honour-Strukturen ver­däch­tigt und Bruder von André Eminger, einem Ange­klagten im NSU-Prozess [15].

  Auch der Mep­pener Rechts­ro­cker Daniel Giese (Nie­der­sachsen), alias „Gigi und die Braunen Stadt­mu­si­kanten“, wurde unter den Gästen der Ver­an­stal­tung fest­ge­stellt. 2010 ver­öf­fent­lichte er das Lied „Döner-Killer“, was nach dem Auf­fliegen des NSU für öffent­li­ches Auf­sehen sorgte und schließ­lich zu einer Ver­ur­tei­lung wegen Volks­ver­het­zung führte [16]. Dass Daniel Giese über Insi­der­wissen ver­fügte, ist weder belegt, noch aus­zu­schließen [17].

„Neun mal hat er es jetzt schon getan / Die SoKo Bos­porus, sie schlägt Alarm […] Am Döner­stand herrscht Angst und Schre­cken / Kommt er vorbei, müssen sie ver­re­cken / […] Denn er kommt gerne spontan zu Besuch / Am Döner­stand, denn neun sind nicht genug“

Auszug aus „GiGi und die Braunen Stadt­mu­si­kanten“ — „Döner-Killer“ vom Album „Adolf Hitler lebt!“, 2010

Jean René Bauer und Antje Probst

Auf der Ver­an­stal­tung anwe­send war auch „Van­dale“ und „Landser“-Mitglied Jean René Bauer aus Berlin. Bauer stand in Kon­takt mit Thomas Starke, dem bereits erwähnten Blood&Honour-Aktivisten und spä­teren V-Mann, der Zschäpe, Böhn­hardt und Mundlos 1997 mit 10 Kilo­gramm TNT belie­ferte und den Dreien schließ­lich beim Unter­tau­chen half. Bereits Mitte der 90er Jahre pflegten Starke und Mundlos engeren per­sön­li­chen Kon­takt. Von 1994 bis 1996 saß Starke eine Haft­strafe ab, für einen Über­griff, den er zusammen mit Uwe Mundlos verübt hatte. Wäh­rend der Haft unter­stützen ihn die später Unter­ge­tauchten. Er und Mundlos schrieben sich Briefe in denen es unter anderem um Waffen ging, nach seiner Haft­strafe war Starke einige Monate mit Beate Zschäpe liiert und als die Polizei im Januar 1998 in einer Jenaer Garage auf das TNT stieß – gemeinsam mit der später ver­schol­lenen Namens­liste, auf der auch Starke stand — tauchten Mundlos, Böhn­hardt und Zschäpe unter [18].

Im Jahre 2000 dann war auch Starke an der Pro­duk­tion und Ver­brei­tung des letzten „Landser“-Albums „Ran an den Feind“ betei­ligt. Als es des­halb zu einem Ermitt­lungs­ver­fahren kam, machte er Aus­sagen bei den Behörden. Im Juni 2001 suchte ihn des­halb Jean René Bauer an seiner Dres­dener Wohn­adresse auf, mit dem Ziel, Druck auf ihn aus­zu­üben. Begleitet wurde er dabei von Antje Probst (heute Böhm) und einem wei­teren Neo­nazi. Probst soll Starke über die Sprech­an­lage aus seiner Woh­nung gelockt haben, wo dieser von den beiden anderen atta­ckiert wurde [19]. Im Jahre 2003 kam es des­halb zum Pro­zess.

Die Neo­na­zi­ak­ti­vistin Probst ent­stammt dem säch­si­schen Blood&Honour-Umfeld der 1990er Jahre und gilt mitt­ler­weile als Mit­wis­serin zum Unter­tau­chen des NSU und mut­maß­li­cher Teil der Struk­turen, die das Trio bis 2003 im Unter­grund unter­stützt haben [20]. Im Bericht der 64. Sit­zung des Bun­des­tags­un­ter­su­chungs­aus­schuss zum NSU hieß es, dass Probst nach Angaben von Carsten Szc­ze­panski, auch bekannt als V-Mann „Piato“, sei­ner­zeit über den Auf­ent­halt der Unter­ge­tauchten Bescheid wusste und vor­ge­habt habe, Beate Zschäpe ihren Per­so­nal­aus­weis zur Ver­fü­gung zu stellen [21].

Exkurs: V-Mann „Piato“

Als der Fall des V-Mann „Piato“ im Jahr 2000 öffent­lich wurde, zeigte sich der Fata­lismus des bun­des­deut­schen V-Mann-Wesens mit aller Deut­lich­keit. Mit der Ent­tar­nung von Carsten Szc­ze­panski als V-Mann „Piato“ des Bran­den­bur­gi­schen Ver­fas­sungs­schutzes wurde offen­sicht­lich, dass der Geheim­dienst jah­re­lang seine schüt­zende Hand über einen der regio­nalen Draht­zieher der bran­den­bur­gi­schen Neo­na­zi­szene gehalten hatte. Obwohl gegen ihn damals schon u.a. ein Ver­fahren wegen Grün­dung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung lief und er wegen eines ras­sis­ti­schen Mord­ver­suchs in Unter­su­chungs­haft saß, sorgte der Ver­fas­sungs­schutz für seine vor­zei­tige Haft­ent­las­sung und unter­nahm nichts, als dieser wei­tere mili­tante Neo­na­zi­struk­turen auf­baute. „Piato“ hin­gegen erhielt Haft­er­leich­te­rungen, finan­zi­elle Zuwen­dungen in Höhe von 70.000 Mark und behörd­liche Rücken­de­ckung. Folg­lich reor­ga­ni­sierte er die lokalen Struk­turen der NPD, gab noch aus der Haft ein Fan­zine der mili­tanten Neo­na­zi­szene heraus, ver­an­stal­tete Blood&Honour-Konzerte und han­delte, wie nach seiner Ent­tar­nung hochkam, auch noch mit Waffen..

Jan B. Werner und die Produktion des letzten Landser-Albums

2000 eben­falls an der Pro­duk­tion des letzten „Landser“-Albums betei­ligt, war der Blood&Honour-Aktivist Jan Botho Werner, dama­liger Sek­ti­ons­leiter von Blood&Honour-Sachsen. Er soll u.a. Kon­takte zu einem Ton­studio in Eng­land her­ge­stellt und Blood&Honour nahe Ver­triebs­wege zur kon­spi­ra­tiven Ver­brei­tung der Ton­träger orga­ni­siert haben [22]. V-Mann „Piato“ berich­tete im August 1998, Werner ver­füge über direkte Kon­takte zu den Unter­ge­tauchten aus Jena und habe den Auf­trag, die Gesuchten mit Waffen zu ver­sorgen, die wie­derum mit Gel­dern aus Kon­zerten und CD-Verkäufen finan­ziert würden. Werner soll darauf hin erfolglos obser­viert worden sein [23]. Mitt­ler­weile wird auch gegen Werner im NSU-Zusammenhang ermit­telt [24].

Fazit

Wäh­rend in der öffent­li­chen Debatte oft­mals vom „Jenaer Trio“ oder von der „Zwi­ckauer Zelle“ die Rede ist, lässt sich mitt­ler­weile aus­schließen, dass Zschäpe, Mundlos und Böhn­hardt mehr als zehn Jahre lang im Unter­grund über­leben, min­des­tens zwei Anschläge und 11 Morde begehen konnten, ohne Unter­stüt­zer­struk­turen.

Recher­chiert man im Umfeld der drei Rechtsterrorist_innen, offen­bart sich dann auch eine Viel­zahl von Ver­bin­dungen in weite Teile der Repu­blik, die schließ­lich auf ein weit­läu­figes Netz von Unterstützer_innen und Mitwisser_innen hin­weisen. Wäh­rend die Unter­stüt­zer­struk­turen in Thü­ringen und Sachsen mitt­ler­weile deut­li­chere Kon­turen tragen, sind anderen Regionen, trotz deut­li­cher Hin­weise, noch immer weit­ge­hende Dun­kel­felder. Wäh­rend sich bei­spiels­weise in Bayern, wo der NSU fünfmal mor­dete, Hin­weise auf Akteure lokaler Neo­na­zi­struk­turen häufen und beim NSU-Mord in Kassel gar ein offenbar sym­pa­thi­sie­render V-Mann-Führer anwe­send war, scheinen die insti­tu­tio­nellen Auf­klä­rungs­be­mü­hungen bis­lang ambi­va­lent.

Im Bund, sowie in Sachsen, Thü­ringen und Bayern wurden Unter­su­chungs­aus­schüsse ein­be­rufen. Diese wurden jedoch massiv an ihrer Arbeit gehin­dert. Zwei von vier Aus­schüssen (Bayern, Bund) haben mitt­ler­weile Abschluss­be­richte vor­ge­legt. Die darin zu Tage getre­tenen Behin­de­rungen, Erin­ne­rungs­lü­cken, sowie Akten­schwär­zungen und –ver­nich­tungen, sei­tens diverser Behörden, ließen zum Teil selbst abge­brühte Parlamentarier_innen von zer­störtem Ver­trauen und einer Behin­de­rung der Auf­klä­rung spre­chen.

Auch in den Mün­chener NSU-Prozess sollten keine über­schwäng­li­chen Hoff­nungen gesetzt werden, mehr Licht ins Dunkel um das wohl weit mehr als 100 Per­sonen umfas­sende Geflecht aus Unterstützer_innen und Mitwisser_innen zu bringen. Wäh­rend den Hin­ter­blie­benen im Vor­feld noch „rück­halt­lose Auf­klä­rung“ ver­spro­chen wurde, scheint die Neben­klage mit dieser Ziel­set­zung im Gerichts­saal weit­ge­hend unter sich zu sein. Bun­des­an­walt­schaft und der 6. Straf­senat des Münchner Ober­lan­des­ge­richts machten schon zu Beginn des Pro­zesses deut­lich, dass sie mehr an der Bear­bei­tung bzw. Auf­recht­er­hal­tung der zuvor for­mu­lierten Ankla­ge­punkte inter­es­siert sind, als an einer rest­losen Erhel­lung der Umstände, unter denen der NSU Ende der 1990er Jahre ent­stehen und anschlie­ßend 13 Jahre lang unge­hin­dert ope­rieren konnte.

Noch ist umkämpft aber zumin­dest nicht unwi­der­spro­chen, zu wel­chen gesell­schaft­li­chen und insti­tu­tio­nellen Kon­se­quenzen das Auf­fliegen des NSU führen wird. Dass sich das zu Tage getre­tene gesell­schaft­liche Ver­sagen im Umgang mit dem Neo­na­zismus und seinen Opfern, auch in Zukunft fort­setzen wird, erscheint jedoch absehbar, sofern Sicher­heits­be­hörden und Law&Order-Fraktion die Deu­tungs­ho­heit über­lassen bleibt. Sie ver­meiden es, vom Ras­sismus, seinen gesell­schaft­li­chen Ursa­chen sowie von ihren Ver­stri­ckungen und den Ver­harm­lo­sungen der neo­na­zis­ti­sche Szene zu reden, son­dern spre­chen von man­gelnder Ver­net­zung und feh­lenden Mit­teln der Exe­ku­tive.

Umso not­wen­diger erscheint es daher, der kri­ti­schen Gegen­öf­fent­licheit wei­terhin unab­hän­gige Recher­chen zur Ver­fü­gung zu stellen, sich in Dis­kurse ein­zu­mi­schen und im Kampf um die Deu­tungs­ho­heit noch nicht geschlagen zu geben.

[1] „NSU-Spuren nach Berlin“, taz, 20. Februar 2012
[2] „Wissen schützt vor Terror nicht?“, Anti­fa­schis­ti­sches Info­blatt, 10. Juli 2012
[3] fight.back 02 — Antifa-Recherche Berlin, Mai 2003, S.10
[4] „Thü­ringer Staats­kasse finan­ziert NPD-Aufmärsche“, Anti­fa­schis­ti­sches Info­blatt, 29. August 2001
[5] „Ich war nur der Bote“, Spiegel Online, 22. März 2012
[6] fight.back 05 — Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg, April 2013, S.30
[7] „Nazi-Terrorgruppe könnte Mord in Berlin begangen haben“, Tages­spiegel, 10. Januar 2012
[8] „Exklusiv für diesen Gemein­schafts­ton­träger wurden von den bekann­testen Ber­liner Bands aus der Reichs­haupt­stadt ins­ge­samt 11 Lieder rund um Frauen, Bier und Poli­zei­t­error auf­ge­nommen. Kurz: Die Ant­wort auf staat­liche Repres­sion“, Ankün­di­gung auf der Inter­net­seite von „Spree­ge­schwader“, Zitiert nach „Rechts­ex­tre­mis­ti­sche Musik“, Bro­schüre der Senats­ver­wal­tung für Inneres und Sport — Abtei­lung Ver­fas­sungs­schutz (2. Auf­lage), 2007, S.8
[9] „Blood&Honour : NSU-Helfer in Sachsen“, Antifa Recherche Team, 31. Janaur 2012
[10] Aus­sage der Sach­ver­stän­digen Andrea Röpke vor dem NSU-Untersuchungsausschuss Bayern, S. 33
[11] Urteil im „Landser“-Verfahren: Az. (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), Kam­mer­ge­richt Berlin, 22. Dezember 2003, . 105
[12] „Die »Van­dalen« – Neo­nazis mit »Rocker«-Habitus“, Anti­fa­schis­ti­sches Info­blatt, 12. März 2005
[13] „Bendix Wendt meldet sich zurück“, Anti­fa­schis­ti­sches Info­blatt, 20. Oktober 2002
[14] „Hin­weise auf lau­fendem Band“, Neues Deutsch­land, 20. April 2013
[15] „André und Maik Eminger: Das Helfer-Duo des Terror-Trios“, gamma — anti­fa­schis­ti­scher News­flyer für Leipzig und Umge­bung, 16. Juli 2012
[16] „Döner-Killer-Lied: Rechts­ro­cker bekommt Bewäh­rungs­strafe“, Spiegel Online, 15. Oktober 2012
[17] „»Ham­mer­skins« — Eli­täre Neo­na­zi­struktur im Hin­ter­grund“, Anti­fa­schis­ti­sches Info­blatt, 5. Dezember 2011
[18] „NSU-Kumpane am Neckar“, Lud­wigs­burger Kreis­zei­tung, 22. November 2013
[19] „Profis, Geld und Sub­kultur“, Anti­fa­schis­ti­sches Info­blatt, 12. Dezember 2003
[20] „André und Maik Eminger: Das Helfer-Duo des Terror-Trios“, gamma — anti­fa­schis­ti­scher News­flyer für Leipzig und Umge­bung, 16. Juli 2012
[21] „Von „Piatos“ Fahr­dienst­leister zum Behör­den­leiter – Die Ver­neh­mung des Gor­dian Meyer-Plath“, NSU WATCH, 18. April 2013
[22] Urteil im „“-Ver­fahren: Az. (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02), Kam­mer­ge­richt Berlin, 22. Dezember 2003, S. 59 ff.
[23] „NSU-Spuren nach Berlin“, taz, 20. Februar 2012
[24] „Suche nach rechten Ter­ror­hel­fern“, taz, 25. Januar 2012

 

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(PGP)

Erstveröffentlichung auf Indymedia am 3. Februar 2014

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