„NW Dortmund“ verboten – „NW-Berlin“ schreit „Wir bitte auch!“
Was ist der Unterschied zwischen dem „Nationalen Widerstand Dortmund“ und dem „Nationalen Widerstand Berlin“? Richtig, lediglich die Stadt am Ende des Namens. Sowohl inhaltlich als auch organisatorisch passt sonst kein Blatt zwischen die beiden Organisationen.
Die Verbindungen
Seit fast zehn Jahren bestehen inzwischen enge Verknüpfungen zwischen der Dortmunder und der Berliner Struktur. Die Dortmunder Neonazis um Dennis Giemsch und die Berliner „Kameradschaft Tor“ um Björn Wild und Daniel Meinel diskutierten schon zu Anfang des neuen Jahrtausends im Internetforum „Freier Widerstand“ neue Formen der neonazistischen Organisierung. Es entstand das Konzept der „Autonomen Nationalisten“, verbunden mit einer Übernahme subkultureller Codes aus der Hardcore- und Hiphop-Szene und Aktions- und Ausdrucksformen der autonomen Antifa.
Während die Dortmunder Neonazis vor allem durch die Verwendung von Graffiti und Sprühschablonen auffielen, machten sich Berliner Neonazis Bekleidungscodes wie „Che Guevara“-Shirts, Palästinenser-Tücher und das Antifa-Symbol zu eigen. Die subkulturelle Öffnung der Neonazi-Szene, weg vom Bild des stumpfen Skinheads, wirkte attraktiv auf meist jüngere Neonazis und sorgte für eine Übernahme des Dortmunder/Berliner Konzepts in etlichen weiteren Städten und Regionen.
Es blieb nicht bei Internetdiskussionen. Auch nach dem Verbot der „Kameradschaft Tor“ (2005) und der Gründung der Nachfolgeorganisation „NW Berlin“ fuhren und fahren regelmäßig Dortmunder und Berliner Neonazis zu Aufmärschen in der jeweils anderen Stadt. Im September 2005 veranstalteten die Berliner Neonazis parallel zum jährlich stattfindenden „Antikriegstag“ in Dortmund einen eigenen Aufmarsch in Lichtenberg und Hellersdorf. Auch für den diesjährigen – inzwischen verbotenen - Aufmarsch in Dortmund ist mit Sebastian Schmidtke ein Aktivist des Netzwerks „NW-Berlin“ als Redner vorgesehen. Mit Schmidtke besetzt das Netzwerk inzwischen sogar den Posten des Berliner NPD-Vorsitzenden. Beide Strukturen zeichnet zudem aus, dass ein Kern älterer und erfahrener Neonazis mit jüngeren Neonazis zusammenarbeitet und diese über aktionistische Angebote für die Neonaziszene gewinnt.
Die Gemeinsamkeiten
Die Ähnlichkeit zwischen der Struktur in Dortmund und der in Berlin ist nicht zu übersehen. Zum einen ist der gesamten Außenwirkung der beiden Strukturen das bereits umrissene Konzept der „Autonomen Nationalisten“ zugrunde gelegt. Zum anderen versuchen beide Strukturen mit verschiedenen Mitteln eine Hegemonie in Stadtteilen zu erreichen. Während das in Dortmund vor allem Dorstfeld betrifft, sind in Berlin der Weitlingkiez und Oberschöneweide betroffen. Die Mittel der Durchsetzung sind dabei die gleichen. Es wird sowohl ungezielte Straßengewalt gegen Migrant_innen und Alternative eingesetzt, als auch gezielte Angriffe auf Wohnungen und Projekte von politischen Gegner_innen organisiert. Diese Angriffe werden ergänzt durch Brand- und Sprengstoffanschläge auf alternative Wohn- und Kulturprojekte und Wohnhäuser von Migrant_innen und linken Politiker_innen, die sich in regelmäßigen Wellen vollziehen.
Das Klima der Angst, was dadurch erzeugt werden soll, wird ergänzt durch eine Raumnahme, die mit der Anmietung von Räumlichkeiten einhergeht. So erfüllte das Haus in der Rheinischen Straße 135 in Dortmund-Dorstfeld die selbe Funktion wie das verbarrikadierte Ladengeschäft in der Lückstraße 58 in Berlin-Lichtenberg, aber auch die Lokalitäten „Zum Henker“ und „Hexogen“ in der Brückenstraße in Berlin-Schöneweide. Vor kurzem erst plakatierten Lichtenberger Neonazis ein Solidaritäts-Plakat für die räumungsbedrohte Lückstraße 58, nicht ohne eine Grußbotschaft für den Dorstfelder Nazistützpunkt mit auf das Plakat zu packen.
Desweiteren sind die Gebiete, die sowohl der „NW Dortmund“ als auch „NW-Berlin“ für sich beanspruchen wollen mit einer Vielzahl von Propagandaaktionen – Plakate, Aufkleber, Sprühereien – konfrontiert.
Inhaltliche Überschneidungen
Auch inhaltlich ist es schwer, eine Unterscheidung der beiden Zusammenhänge zu ziehen. Beide sind geprägt von einem offenen und positiven Bezug auf den Nationalsozialismus. Etliche Beiträge auf der Internetseite von „NW-Berlin“ wurden mit Zitaten Adolf Hitlers geschlossen, während eine beliebte Parole der Dortmunder Neonazis auf ihrem schwarz-weiss-rot-beflaggten „Antikriegstag“-Aufmarsch der Spruch „Nie wieder Krieg – Nach unserem Sieg.“ ist. Die der NS-Bezug wird nur mäßig verschleiert durch die Selbstbezeichnung als „Nationale Sozialisten“.
Alle damit einhergehenden Ideologiefragmente – Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie, Befürwortung einer Diktatur bis hin zu eugenischen Vorstellung der Bevölkerungsplanung – sind bei den Berliner und Dortmunder Neonazis zu finden (siehe dazu für Berlin: Broschüre „Motiv Rechts 3“). Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung wird von beiden Strukturen offen propagiert.
„NW Dortmund“ verboten – „NW-Berlin“ schreit „Wir bitte auch!“
Schon nach dem Auffliegen der Neonazi-Terrorzelle NSU wurden in Lichtenberg Aufkleber geklebt, die „Grüße aus dem Untergrund“ übermittelten. In Schöneweide liefen Neonazis mit selbstgebastelten „NSU“-Buttons herum.
Es ist nicht verwunderlich, dass „NW-Berlin“ auf das Verbot einer ihr nahe stehenden Kameradschaft in Dortmund reagiert. Relativ vorhersehbar war auch die Form der Reaktion. Mit mehreren abgestimmten Attacken auf SPD-Büros in Berlin waren sich die Neonazis der medialen Aufmerksamkeit sicher.
Sie produzierten damit jedoch nicht nur mehrere Presseberichte über Nazi-Anschläge in Berlin. „NW-Berlin“ zog so eine direkte Verbindung zwischen einer jüngst verbotenen Nazi-Kameradschaft in Dortmund und dem Nazi-Terror, den die Berliner Strukturen produzieren. Und vielleicht wächst auch bei der Einen oder dem Anderen die Einsicht, dass auch endlich unter das Kapitel „NW-Berlin“, Lückstraße 58, „Zum Henker“ und „Hexogen“ ein Schlussstrich gezogen werden müsste.
Empfohlene Lektüre zum Weiterlesen:
Broschüre "Motiv Rechts 3" (zu bestellen unter antifah[at]web.de)
Broschüre "Fight Back"
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