Polizist der ehemaligen Neuköllner Ermittlungsgruppe „Rex“ wegen rassistischem Angriff vor Gericht – Mittäter mit Neonazi-Bezügen

8. Februar 2022 | News Redaktion

Repost von: Neukölln Watch (https://www.nkwatch.info/2022/karlshorst-mitangeklagte/)

Am 16. und 25. Februar 2022 stehen Stefan K., Dennis Y. und Philipp G. vor Gericht in der Berliner Turmstraße. Sie sollen im April 2017 mit einer noch größeren Gruppe auf dem Rückweg von einem Spiel des 1. FC Union einen Mann am S-Bahnhof Karlshorst rassistisch beschimpft und anschließend brutal angegriffen haben. Dem betroffene Mann, einem Geflüchteten aus Afghanistan, wurde die Nase gebrochen und Schulterverletzungen zugefügt. Seitdem leidet er unter erheblichen psychischen Beeinträchtigungen. Obwohl er Betroffener eines rassistischen Angriffs war, wurde sein Antrag auf Asyl abgelehnt. Er wurde auf persönliche Anordnung des damaligen Berliner Innensenators abgeschoben.

Einer der mutmaßlichen Angreifer, Stefan K., ist Polizist. Wie neue Recherchen nun ergeben, sind die beiden weiteren Angeklagten, Dennis Y. und Philipp G., in der Vergangenheit durch klare Bezüge zur Berliner Neonaziszene aufgefallen. Unter anderem besuchten sie eine Neonazidemonstration.

Der rassistische Angreifer sollte gegen rechte Gewalt in Neukölln ermitteln

Der mutmaßliche Angreifer, Stefan K., gehörte ab mindestens 2008 zur Neuköllner Ermittlungsgruppe „Rex“ der Berliner Polizei, die im Bezirksteil Rudow eingesetzt war. Zwischenzeitlich bestand die Ermittlungsgruppe „Rex“ nur aus drei Beamt:innen. K. gehörte offenbar zu diesem Kern der Einheit. Sie wurde 2016 aufgelöst. K. war im Rahmen seiner Tätigkeit über Jahre in zivil auf Neonazidemonstrationen eingesetzt. Seine Aufgabe war es u.a., die lokale rechte Szene zu beobachten. In dieser Funktion besuchte er extrem rechte Versammlungen in der gazen Stadt, wie Aufmärsche von „BärGiDa“, dem „NW Berlin“ oder auch der AfD. Er hatte dadurch ein umfassendes Bild über Neonaziaktivitäten in Berlin.

Zu K.s polizeilichen Aufgaben gehörte ebenfalls die Netzwerkarbeit mit zivilgesellschaftlichen Initiativen in Neukölln. Er dürfte somit unzähligen Engagierten im Süden Neuköllns bekannt gewesen sein, unter ihnen zahlreiche Betroffene von Rassismus und Neonazigewalt. Dass er selbst rassistische Gewalt ausgeübt haben soll, wirft Fragen auf: Inwieweit ist K. in den Neuköllner Neonazi-Komplex verwickelt?

Rassistische Demonstrationsgänger waren Mittäter

Neben K. sitzen die Marzahn-Hellersdorfer Dennis Y. und Philipp G. auf der Anklagebank. Der gelernte Maurer Y. und der Familienvater G. sind keine Unbekannnten. Die beiden Fans des 1. FC Union nahmen bereits im April 2016 an einem Neonaziaufmarsch im Stil der „Autonomen Nationalisten“ in Berlin-Hellersdorf teil. Unter den Teilnehmenden befanden sich neben Y. und G. Neonazis mit Bezügen zum Netzwerk der Hammerskins und Combat 18 sowie heutige Kader der Neonazi-Partei „III. Weg“. Der „III. Weg“ bildet mittlerweile die neue politische Heimat von Neonazis aus Südneukölln, also jener Akteure, mit deren Beobachtung K. betraut war.


Y. und G. am 2.4.2016 auf der Neonazi-Demonstration in Marzahn-Hellersdorf.

Y. und G. trugen auf der Demonstration T-Shirts, die wahrscheinlich im neonazistischen „Versand der Bewegung“ bestellt worden. Schon 2013 fielen beide durch Zustimmung und Facebook-Kommentare unter (rassistischen) Beiträgen der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ auf. Die selbsternannte „Bürgerinitiative“ wurde von Neonazis initiiert, um Anwohner:innen für rassistische Themen zu mobilisieren. Es ist davon auszugehen, dass Y. und G. schon vor 2016 an rassistischen Versammlungen in Marzahn-Hellersdorf teilnahmen.

Rasssistische Tatmotivation wird ignoriert

Nach dem Angriff im April 2017 soll K. zu den eintreffenden Kollegen der Berliner Polizei gesagt haben, es liege kein Problem vor, schließlich seien keine „deutschen Interessen“ betroffen. Zeug:innen des Angriffs berichteten später, dass rassistische Beleidigungen, wie „Scheiß Ausländer“ und „Verpiss dich aus Deutschland, was willst du hier überhaupt“ gerufen wurden. Diesen menschenverachtenden Aussagen wird bis heute in der juristischen Auseinandersetzung um den Angriff wenig Aufmerksamkeit durch staatliche Stellen zuteil. Nach der Attacke veröffentlichte die Berliner Polizei eine Pressemitteilung, die K.s Handeln verharmlost.

Doch nach Zeugenaussagen sollen sich die kurz nach der Tat eingetroffenen Polizisten mit den Angreifern freundlich unterhalten haben. K. hätte dabei entspannt gewirkt, eine Zigeratte geraucht und gelacht. Gemeinsam sollen die Angreifer über den Betroffenen verächtlich gelacht haben. Offen bleibt, ob K. die Mittäter Y. und G. bereits von gemeinsamen Fußballbesuchen oder durch seine polizeiliche Arbeit auf Neonazidemonstrationen kannte. Zudem ist zu klären, wie eine Person mit einem derartigen Hang zu rassistischer Gewalt als Polizist für die Aufklärung von Neonazi-Übergiffen eingesetzt werden konnte. Wurden hier rechte Tendenzen von der Berliner Polizei wissentlich übersehen? Gab es bereits vor dem Vorfall Ermittlungs- oder Disziplinarverfahren wegen der rassistischen Einstellung von K.?

Antrag auf Asyl abgelehnt

Zwei Monate nach der Attacke trat ein Gesetz in Berlin in Kraft, welches das Bleiberecht von „Opfern von Hasskriminalität“ festschreibt. Dazu zählen explizit Betroffene rassistischer Gewalt. Drei Zeug:innen bestätigten rassistische Beleidigung im Rahmen des Vorfalls in Karlshorst. Dennoch ließ der ehemalige Innensenator Andreas Geisel (SPD) den Betroffenen nach Afghanistan abschieben.

Zum damaligen Zeitpunkt musste der Innensenator jeder Abschiebungen von Berlin nach Afghanistan zustimmen. Obwohl die Ermittlungen andauerten und der betroffene Mann als Nebenkläger im Verfahren auftritt, wurde er abgeschoben. Bis heute darf der Bteroffene nicht in die Bundesrepublik zurückkehren um am Prozess gegen seine Peiniger teilzunehmen.