Was macht eigentlich Arnulf Priem?
In einer Moabiter Kneipe sitzend gibt der ehemalige Neonazikader dem Magazin „Report Mainz“ zum Jahreswechsel ein Interview und beteuert wie selbstverständlich: Nationalsozialist sei er „durch und durch“. Als einer der Aufbauhelfer und ideologischen Ziehväter des rechten Terrors in der Bundesrepublik gilt Arnulf Priem nicht von ungefähr. Schon in den 1980er und 1990er Jahren begingen seine Zöglinge Morde, Sprengstoffanschläge und Geiselnahmen.
Am 24. Mai 2000 erstachen vier junge Neonazis aus seinem Gefolge den Sozialhilfeempfänger Dieter Eich in Berlin-Buch. Zum Haupttäter Mathias K., dem Priem seinen damaligen Stammanwalt Aribert Streubel vermittelte, pflegt er auch 2013 noch freundschaftlichen Kontakt. Im Interview bestätigt Priem außerdem seine Anwesenheit und Mobilisierungstätigkeit während der rassistischen Pogrome von Rostock-Lichtenhagen im Jahre 1992 und bestätigt damit, was antifaschistische Recherchen erst kürzlich ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hatten [1].
Zwar ist es nach Verbüßung einer Haftstrafe und szeneinternen Querelen gegen Ende der 1990er Jahre um einiges ruhiger um seine Person geworden. Doch am 1. November 2011 trat er nach Jahren wieder öffentlich in Erscheinung und zwar als Redner auf einem Neonaziaufmarsch in Hamm (NRW). Insbesondere von Teilen der Berliner Neonaziszene wurde dieser Auftritt mit Argwohn quittiert. NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke verkündete damals, dass Anhänger des Berliner Neonazinetzwerkes auch in Zukunft an keinen Demonstrationen teilnehmen würden, auf denen Priem anwesend sei.
Mitte 2012 war bekannt geworden, dass Arnulf Priem von seinem langjährigen Wohnsitz in Berlin-Wedding nach Moabit gezogen war. Vorausgegangen war dem ein Nachbarschaftsstreit, bei dem es zu einer Bedrohung in Zusammenhang mit einer Schusswaffe gekommen sein soll. Darauf hin durchsuchte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) am 14. Juni 2012 Priems Wohnung und fand mehrere Waffen. Hinter der Schlagzeile von damals stehen weitere Details, die bisher nicht veröffentlicht wurden. Das möchten wir hiermit nachholen, denn auch wenn die Informationen nicht mehr taufrisch sind, handelt es sich dabei um ein Lehrstück, wie lokale Behörden und Institutionen eine Gefahr von rechts konsequent verleugnen und antifaschistisches Engagement behindern.
Facebook: NPD-Landeschef Schmidtke über Priems Auftritt in Hamm.
So befindet sich Priems Wohnadresse in einer Immobilie, die vormals im Kontext einer staatlichen Schule als sogenanntes Lehrerwohnheim genutzt wurde. Während auf dem angrenzenden Gelände nach wie vor der Schulbetrieb einer Grundschule stattfindet, beherbergt das Gebäude mittlerweile ein halbes Dutzend Mietwohnungen, die sich unseren Informationen nach in kommunaler Hand befinden.
Dass die Stadt Berlin demnach einem bekennenden Nationalsozialisten eine Wohnung auf dem Gelände einer Grundschule vermietet, könnte stutzig machen. Gesteigert wird dies dadurch, dass Priem noch bis zum Jahreswechsel 2012/13 Tag und Nacht über einen ungehinderten Zugang zum Schulhof besagter Schule verfügte. Nachdem Priems Anwesenheit durch antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit öffentlich geworden war, wurde der Bereich zwar mittlerweile durch einen neu errichteten Zaun vom Schulhof abgegrenzt. Wie es jedoch bis dahin möglich war, dass Priems PKW regelmäßig auf dem ansonsten für Fahrzeuge gesperrten Teil des Schulhofs parkte, wirft Fragen auf. Ohne direkte Unterstützung von Seiten der Schule ist dies kaum zu erklären.
Schon als antifaschistische Gruppen im September 2012 zu einer Demonstration in Moabit aufgerufen hatten, schien die Leitung der Schule vornehmlich darum bemüht, den Vorgang um Arnulf Priem gegenüber der Elternschaft herunterzuspielen. Als Teile der Elternschaft jedoch ankündigen sich mit der Anwesenheit des Neonazi-Kaders nicht ohne Weiteres abfinden zu wollen und signalisierten, dass sie sich auch an die Presse wenden würden, falls die Schulleitung ihre Bedenken nicht ernst nehmen würde, wurde letztendlich eine Elternversammlung einberufen. Diese verlief jedoch unbefriedigend. Vielmehr nutzte die Schulleitung die Gelegenheit, um die aktiven Elternteile einzuschüchtern und die neonazistischen Aktivitäten Priems zum Gegenstand vergangener Zeiten zu erklären. Recherchen die diese Darstellung widerlegten wurde entgegengehalten, dass Priem Zeit seiner Nachbarschaft „nicht weiter auffällig“ gewordenen sei. Aus einem bekennenden Neonazi wurde so mal eben „der nette Nachbar von nebenan“ gemacht. Doch damit war das Thema für die Schulleitung noch nicht ganz erledigt. So wurde die Elternschaft darüber hinaus noch indirekt dazu aufgefordert, sich nicht an der bevorstehenden antifaschistischen Demonstration zu beteiligen. Es hieß ausdrücklich man wolle „dort keine Eltern sehen“ und es wurde angekündigt, man würde die Demonstration ebenfalls aufsuchen, um dies zu kontrollieren. Ob und welche Konseunzen „ertappte“ Eltern zu fürchten hätten, ließ die Schulleitung allerdings offen. Offen blieb auch, wieviele der Eltern durch diesen Einschüchterungsversuch von einer Teilnahme an der Demonstration abgeschreckt wurden.
Bekannt ist jedoch, dass die Schulleitung dabei auf die Unterstützung des sogenannten „Präventionsbeauftragten“ des Polizeiabschnitt 33 aus der Perleberger Straße zählen konnte. Dieser warnte die Anwesenden eindringlich vor einer Demonstrationsteilnahme und einer Kontaktaufnahme mit „der Antifa“ und verkündete sinngemäß, er wolle keines der Elternteile „dort festnehmen müssen“. Trotzdem waren letztendlich rund 200 Menschen verschiedener Spektren auf der Demonstration anzutreffen. Darunter viele Eltern.
Während die Schulleitung und lokale Behördenvertreter konsequent versucht haben, hinter die Naziaktivitäten des Arnulf Priem einen Schlusstrich zu ziehen und ihn sogar als vermeintlich Geläuterten in Schutz zu nehmen, ermutigt ihn diese Rückendeckung offenbar, sich abermals öffentlich zum Nationalsozialismus zu bekennen und seine Propaganda zu betreiben:
Oldenburger Klause - bei Eva: Das Interview wird am Tresen aufgezeichnet, während die Bedienung weiter serviert.
In der Sendung von „Report Mainz“ vom 15.1.2013 ging es eigentlich um die zweifelhafte Praxis der Bundesrepublik während des Kalten Krieges neonazistische Drahtzieher aus der DDR freizukaufen und die Untätigkeit des Verfassungsschutzes. Während die Redaktion von „Report Mainz“ den massenhaften Freikauf ostdeutscher Neonazis offensichtlich als Kalkül der Stasi darzustellen versucht, wird Priem großzügiger Raum geboten, um als eine Art „Kronzeuge“ seine Sicht der Dinge darzulegen: Stolz zeigt er seine NS-Tattoos, inszeniert sich als von der DDR politisch Verfolgter, verharmlost die von ihm mit zu verantwortende neonazistische Mobilisierung zu den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen als „Demonstration“ und schließlich die Pogrome selbst. Auf die Frage eines Journalisten: „Im Herzen sind sie Nationalsozialist?“ gibt er ein klares „Ja!“ zur Antwort. Als der Reporter nachfragt: „Durch und durch?“, erwidert Priem: „Ja, durch und durch.“
Der nette Nachbar von nebenan.
Obwohl den Institutionen in der Nachbarschaft offenbar eher daran gelegen ist, Arnulf Priems Gesinnung und Aktivitäten zu verschweigen oder zu bagatellisieren, soll gegen ihn seit Februar 2013 eine Räumungsklage anhängig sein. Der angebliche Vorwurf lautet auf Manipulation eines Stromzählers, derzeit prozessiert Priem noch dagegen. Wir werden weiter berichten.
Fußnoten:
[1] O-Ton „Report Mainz“ (Januar 2013): "Und was bis heute völlig unbekannt ist: Priem hat zur ausländerfeindlichen Demo nach Rostock-Lichtenhagen mit eingeladen [...]." Zitat aus einem Aufruf zur Antifademo gegen Arnulf Priem (öffentlich seit August 2012):
"Anlässlich des 20. Jahrestages des Pogroms von Lichtenhagen rufen wir darum für den 14. September 2012 zu einer Demonstration in Berlin-Moabit auf – gegen Arnulf Priem, einen der Drahtzieher des rassistischen Pogroms. Am 23. August [1992], als sich die rassistische Gewalt zuspitzte, war bereits in den frühen Morgenstunden die gesamte Führungsriege der bundesdeutschen Neonaziszene zu gegen. Während der Angriffe wurde unter anderem auch der Hamburger Neonaziführer Christian Worch (Nationale Liste – NL, Hamburg) gesichtet, wie er per CB-Funk Anweisungen an die Angreifer_innen gab. Auch Arnulf Priem wurde unter den Kadern klar identifiziert [1.1]. Priem hatte bereits vor August, als Vorsitzender seiner Organisation „Wotans Volk“ an Vorbereitungstreffen für das Pogrom teilgenommen. Bereits Monate zuvor hatte die HLA [Hamburger Liste Ausländerstopp] zu Treffen in Hamburg geladen, an denen neben „Wotans Volk“, Führer der NL, der „Freiheitlichen Arbeiter Partei“ (FAP), der Republikaner, und Naziskin-Gruppen teilnahmen [1.2]. Das letzte Treffen fand zwei Wochen vor der rassistischen Gewalteskalation, vor Ort in Rostock statt. Arnulf Priem kann klar als einer der neonazistischen Drahtzieher der Anschläge von Rostock benannt werden. „Ich bin nicht der letzte, der da mitmacht, dass wir den Prozess stetig in Gang halten.“ schmetterte Priem auf dem Parteitag der „Deutschen Alternative“ (DA) in Cottbus [vier Monate vor Rostock-Lichtenhagen im Mai] 1992 dem „Sieg heil!“ brüllenden Publikum entgegen. Gemeint war das Pogrom von Hoyerswerda, von dem er behauptete, es sei ein „heilender Selbstreinigungsprozess des deutschen Volkes“ gewesen. Die Stadt Hoyerswerda wurde 1991 zur ersten „befreiten nationalen Zone“ erklärt. Der „Erfolg“ spornte die Neonazis zu weiteren Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime und Unterkünfte von Migrant_innen an und verschaffte der Szene regen Zulauf. In den Pogromen, ihrem medialen Echo und ihrer Wirkung auf die Gesellschaft sahen die Führungskader auch die Medienstrategie des damaligen Neonaziführers Michael Kühnens der öffentlichkeitswirksamen Eskalation erfüllt."
Quellennachweise:
[1.1] Neues Deutschland, 23.08.2012
[1.2] Dusiburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, “SchlagZeilen – Rostock: Rassismus in den Medien”, 2. Auflage, Januar 1993, S. 53 (Verweis auf Informationen des britische Antifa-Magazin „Searchlight“, No. 208, Oktober 1992)
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 20. Juni 2013
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