Club „Chesters“ - Neonazi-Konzerte in Kreuzberg

28. Dezember 2015 | News Redaktion

Am Samstag, den 12. Dezember, fand im Kreuzberger Club „Chesters“ ein neonazistisches Konzert statt. Sacha Korn, über den bereits mehrfach auf „Berlin rechtsaußen“ berichtet worden war, präsentierte seine neue CD. Schon zuvor gab es 2015 in dieser Lokalität Veranstaltungen, mit denen ein extrem rechtes Publikum angesprochen wurde.

Der Club „Chesters“ in der Kreuzberger Glogauer Straße ist unscheinbar. Lediglich die Leuchtreklame an der Hofeinfahrt verweist auf den im Hinterhof gelegenen Club in unmittelbarer Nähe des Görlitzer Parks. Auch das Interieur sowie die Facebook-Seite sind unverdächtig. Die Ankündigungen für die offensichtlich eigens organisierten Partys richten sich an ein tanz- und feierwütiges Publikum: Reggae&Dancehall, Hip-Hop und R&B, Synth-Pop und Electro stehen unter anderem auf dem Programm. Doch andere Veranstaltungen, die im „Club zum Mieten !!“ – so die Selbstbezeichnung – stattfinden und nicht im offiziellen Programm des „Chesters“ gelistet sind, haben es in sich.

Sacha Korn erfolgreich klandestin

Am Samstag, den 12. Dezember, etwa fand hier das Konzert des neonazistischen Musikers Sacha Korn und seiner gleichnamigen Band statt, das bereits über etliche Wochen ohne Ortsangabe angekündigt worden war. Erstmals fiel der bis dahin gänzlich unbekannte Musiker im Jahr 2011 auf, als Songs auf einer NPD-Schulhof-CD und Interviews und Berichterstattungen in extrem rechten Publikationen wie etwa der „Zuerst!“ und der „Hier und jetzt“, einem zentralen Organ der Jungen Nationaldemokraten (JN), erschienen.(1) Heute scheint Sacha Korn über beste Kontakte in extrem rechte Strukturen zu verfügen, spielte unter anderem Konzerte mit der Neonazi-Hooligan-Band „Kategorie C“(2) und beim neurechten „Zwischentag“.(3) Darüber hinaus ist er Werbepartner der extrem rechten Bekleidungs-Marke Erik&Sons.

Wie bei extrem rechten Veranstaltung üblich, organisiert auch Sacha Korn seine Konzerte meist klandestin. Um antifaschistischer Intervention oder aber auch staatlicher Repression zu entgehen, wird der Ort erst nach Erwerb des Tickets bekanntgegeben. Während in der Vergangenheit trotz der versuchten Geheimhaltung einige Konzerte von Sacha Korn dank antifaschistischer Recherche verhindert werden konnten, gelang das diesmal nicht.

Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte Sacha Korn am 16. Dezember Fotos des Konzerts. Die aus dem Publikum gemachten Aufnahmen zeigen die Band während des Auftritts.(4) Auf den Lüftungsrohren im Bühnenhintergrund ist deutlich der Schriftzug des „Chesters“ zu erkennen.

Bestätigt wird dieser Eindruck durch einen Eintrag eines offensichtlichen Konzertgastes auf der Facebook-Seite des Clubs nur einen Tag nach dem Konzert: „Kleine Klasse Location. War ein super Abend. Sound bei Sacha Korn war Klasse. Getränke Preise gerade noch so erträglich.“(5)

Noch eine Woche später waren sowohl in der Toreinfahrt als auch direkt am Eingangsbereich des „Chesters“ rassistische, extrem rechte Aufkleber zu finden.

Kein Einzelfall

Das Konzert des letzten Wochenendes ist kein Einzelfall. Ein ganz ähnliches Szenario hatte sich bereits im Frühjahr 2015 abgespielt. Für den 28. März hatte die österreichische Band „Allerseelen“, die unter anderem wegen ihrer ästhetischen und textlichen Bezüge zur Waffen-SS „seit Jahrzehnten zum extrem rechten Flügel der Neofolk-Szene“(6) zu zählen ist, ein Konzert in Berlin-Kreuzberg angekündigt. Auch hier ließ sich die Lokalität aufgrund der klandestinen Organisation nicht im Vorfeld ermitteln. Es waren ebenfalls Fotos vom Auftritt, die im Nachhinein verrieten, dass das Konzert im „Chesters“ stattgefunden hatte.

Erst vor wenigen Wochen fand Mitte November unter dem Titel „Verlorenes Berlin“ zudem eine Neofolk-Party im „Chesters“ statt. Ein antiemanzipatorisches und zu Teilen offen rechtes Publikum dürfte auch bei dieser voll auf seine Kosten gekommen sein. In der im Nachhinein im Internet veröffentlichten Playlist des Abends jedenfalls findet sich das Who-Is-Who der (extrem) rechten Bands dieses und ähnlicher Genres, wie etwa „Blood Axis“, „Death In June“, „Dernière Volonté“ und „Sonne Hagal“.(7)

Postionierung der Betreibenden erforderlich

Ob eine tatsächlich ideologische oder organisatorische Nähe zur extremen Rechten oder aber eine unkritische, ausschließlich durch finanzielles Kalkül geprägte Ladenpolitik der Grund für das Verhalten der Betreibenden des „Chesters“ ist, bleibt vollkommen unklar. Fakt ist, dass sich in Kreuzberg eine für extreme Rechte attraktive Partylocation und sogar eine Möglichkeit für neonazistische Konzerte zu etablieren droht. Eine besorgniserregende Entwicklung, nicht zuletzt weil durch die verstärkte Anwesenheit von extremen Rechten zahlreiche Menschen im Kiez einer erhöhten Bedrohung und Gefährdung ausgesetzt sind. Für den 20. Februar 2016 wird von „Verlorenes Berlin“ bereits die nächste Neofolk-Party im „Chesters“ angekündigt.(8) Jetzt ist es an den Betreibenden des „Chesters“, sich dazu zu verhalten und sich zu solchen Veranstaltung in ihren Räumlichkeiten zu positionieren.

(1) http://www.blog.schattenbericht.de/2011/05/patriotischer-pop-rocker/
(2) http://www.blog.schattenbericht.de/2012/07/%e2%80%9ees-soll-deutsch-klin...

(3) http://www.blog.schattenbericht.de/2014/01/zwischen-burschenschaftlern-u...
(4) https://facebook.com/sachakorn.music
(5) https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1667828866789515&id=10...
(6) http://www.blog.schattenbericht.de/2015/03/extrem-rechtes-konzert-in-kre...
(7) https://www.facebook.com/events/543616255785852/
(8) http://verlorenesberlin.de/


Stellungnahme des Clubs via Facebook

Am 24. Dezember (zwei Tage nach Erstveröffentlichung des Textes und einen Tag nach einem Artikel im Neuen Deutschland) auf Facebook erschienen:

Hallo, hier schreibt Leo der Betreiber vom Chesters, welches es seit über 5 Jahren gibt. Auf meiner Bühne haben min 800 Bands gespielt und weitere 1200 Partys stattgefunden. Genre? Multi Kulti, International. Vom Jazzkonzert bis zur Technoparty. Nun musste ich bedauernder Weise feststellen, dass sich unter den zahlreichen Bands, Veranstaltern und DJ´s 2-3 hirnverbrannte schwarze Schafe befanden die bei uns Hausverbot haben! Es gibt Idioten auf der Welt und ich werde hart daran arbeiten, dass die Anzahl von 3 griffen ins Klo nicht weiter zunimmt. Denn 3 sind in diesem Fall definitiv 3 zuviel! Bis Dato bin ich nicht davon ausgegangen, dass es in einem Kreuzberger Club, der so ein buntes Programm anbietet wie ich, von Nöten ist, die Geschehnisse auf der Bühne zu kontrollieren. Ich habe mich geirrt und das tut mir leid! Wenn Du schon mal bei mir warst, wäre ich sehr Dankbar für eine kurze Bewertung und oder einen Erfahrungsbericht um dem Rest der Welt zu zeigen, dass ich nix mit der braunen Soße am Hut habe! Frohes Fest!!!

 Stellungnahme von Verlorenes Berlin via Facebook

Am 27. Dezember äußerte sich auch Verlorenes Berlin via Facebook:

Liebe facebook-Freunde,
wie einige von euch sicherlich schon mitbekommen haben, wurde die Verlorenes Berlin Party in einem auf dem Blog "Berlin rechtaußen" veröffentlichten Artikel (http://www.blog.schattenbericht.de/…/neonazi-konzert-in-kr…/) deutlich in die politisch rechte Ecke gestellt.

Daher ist es uns ein Anliegen, noch einmal - zusätzlich zu unserer für jeden sichtbaren Veranstaltungsbeschreibung - ein paar wesentliche Dinge zu unserer Party zu sagen.
Das Verlorene Berlin ist eine unpolitische Veranstaltung, die sich grundsätzlich distanziert von Links UND von Rechts. Wir stehen für universelle Werte wie Toleranz, Offenheit und ein Empfinden dafür, dass unsere Welt komplex ist und nicht erklärbar durch bloßes Schwarz und Weiß.
Unsere Parties feiern wir mit Menschen jeder Ethnie, jeden Geschlechts, jeder sexuellen Orientierung. Wir sind offen für die Masse und die Minderheit.
All unsere Kritiker sind daher herzlich eingeladen, gemeinsam mit uns zukünftige Parties zu feiern - selbstverständlich unter der Prämisse eines respektvollen und gewaltfreien Umgangs miteinander.
Wir glauben, dass es besser, sich selbst ein Bild von uns zu machen, anstatt zu spekulieren oder den persönlichen Meinungen einzelner Autoren zu vertrauen.

Bezüglich unserer Playlist möchten wir anmerken, dass keiner der 85 gespielten Tracks den Nationalsozialismus verherrlicht oder explizit befürwortet. Keines ruft auf zu rechter Gewalt oder verharmlost diese. Keines beschönigt oder bagatellisiert vergangene Ereignisse im Zusammenhang mit der NS-Zeit.
Wir glauben, dass es ein Wesensmerkmal von Kunst ist, kontrovers zu sein, zu provozieren und zu polarisieren. Wir gestatten jedem seine persönliche Haltung zu dem Thema und wünschen uns, dass im Gegenzug auch wir Akzeptanz erfahren für die Musik, die wir gut finden und die Kunst, die uns berührt.

Der Vorwurf eine "antiemanzipatorische" Veranstaltung zu sein, hat besonders die weibliche Hälfte unseres Veranstalter-Teams überrascht.
Jeder, der unsere Party besucht hat, weiß, dass Männer wie Frauen in mindestens gleichen Teilen anwesend waren und beide Geschlechter mit gleichem Enthusiasmus die Tanzfläche gefüllt haben.
Nebenbei bemerkt entspringt auch dieser Text in weiten Teilen weiblicher Autorenschaft.

Nach all der Rechtfertigung, möchten wir diesen Moment jedoch auch dafür nutzen, denjenigen zu danken, die sich der Thematik kritisch und reflektiert angenommen, sich selbstständig informiert und eine eigene fundierte Meinung gebildet haben. Ebenso danken wir denjenigen, die uns seit Beginn an mitverfolgen und unterstützen und allen, die aus Begeisterung für die Sache mit uns gefeiert haben.
Wir hoffen, 2016 ebenso veranstalten zu können, wie wir es in diesem Jahr begonnen haben. Ob und wie das möglich sein wird, wird sich zeigen. Bis dahin bleiben wir optimistisch und freuen darauf, auch zukünftig für euch auflegen und mit euch feiern zu dürfen!

Verlorenes Berlin Team

Die Stellungnahme lässt mehr als eine Frage offen. Die im Text genannten Bands beziehen sich offen auf den Nationalsozialismus: Der Bandname Death in June bezieht sich laut eigener Aussage auf den Röhm-Putsch. Blood Axis bezieht sich im Bandnamen auf die Achsenmächte und nutzt als Logo das Kruckenkreuz in Gestaltung des Neutempler-Ordens und des Austrofaschismus. Der­nière Volonté verwendet das Emblem der ab 1943 in Frank­reich auf­ge­stellten 17. SS-Panzergrena– dierdivision-Division „Götz von Ber­li­chingen“ als Band­logo. Und da haben wir von Text und Ästhetik der Bands noch gar nicht angefangen zu sprechen...

Auf Nachfrage eines Users auf Facebook, wie die Veranstalter darauf reagieren und ob die im Text genannten Bands weiterhin gespielt werden, erklärt das Verlorenes Berlin Team:

Das werden sie mit ziemlicher Sicherheit, da wir die Musik besagter Bands mögen und nicht verwerflich finden. Wir wollen uns dem gegen uns aufgebauten Druck an der Stelle auch nicht beugen, da die gespielte Musik immerhin der Kern unserer Veranstaltungen ist.

 Es bleibt abzuwarten, ob die Betreiber vom Chesters die angekündigten Konsequenzen ziehen und diese Partys zumindest dort nicht mehr stattfinden können.

Artikel im AIB zum Allerseelen-Konzert im März

Bereits in Ausgabe 108 (3/2015) hat das Antifaschistische InfoBlatt (AIB) über das Allerseelen-Konzert im März im Chesters berichtet: „In Stahlgewittern“. Einblicke in die rechte Neofolk-Szene

Erstveröffentlichung auf apabiz via Schattenbericht am 22. Dezember 2015