„Chesters“ in Kreuzberg: Erneut rechtsextreme Party-Veranstaltung geplant
Nachdem erst vor einigen Wochen, im Dezember 2015, der bekennende Nazi Sacha Kohn im „Chesters“ in Berlin-Kreuzberg aufgetreten ist, ist nun am gleichen Ort die nächste rechte Veranstaltung in Vorbereitung. Am 20.02.2016 (facebook.com/ChestersBerlin/events) soll hier erneut eine Party des Zusammenhangs „Verlorenes Berlin“ stattfinden. Was manche im Dezember schon ahnten, scheint sich nun zu bestätigen: Die Abgrenzung des Chesters-Bosses von rechten Umtrieben war anscheinend nur formal gemeint, und das „Chesters“ ist weiterhin, sei es aus kommerziellen oder ideologischen Gründen, gerne bereit, auch rechten und rechtsextremen Strukturen Räume in Kreuzberg 36 zur Verfügung zu stellen. Für die rechte Veranstaltung am 20.02.16 wird weiter auf der Chesters-Facebookseite geworben. Wir sollten auch nicht vergessen, dass Sacha Kohn bei weitem nicht das erste Nazi-Konzert war, das im Chesters stattgefunden hat.
Zu der Gruppe „Verlorenes Berlin“
Die Gruppe „Verlorenes Berlin“ ist eine Gruppe, die in Berlin Veranstaltungen mit Musik aus dem Bereich Dark Wave, Neofolk etc. durchführt. Eine solche Veranstaltung hat die Gruppe auch am 17.11.2015 im Chesters in Kreuzberg (Glogauer Straße) durchgeführt.
„Verlorenes Berlin“ sagt über sich (facebook.com/verlorenesberlinparty) , sie seien "eine unpolitische Veranstaltung, die sich grundsätzlich distanziert von Links UND von Rechts". Wenn mensch sich aber die Playlist (facebook.com/events/543616255785852/) der Veranstaltung vom 17.11.15 anschaut, die von „Verlorenes Berlin“ nach der Veranstaltung bei Facebook online gestellt wurde, wird klar, dass diese Gruppe nicht nur kein Problem damit hat, auch Songs von rechtsoffenen, rechten und rechtsextremen Bands auf ihren Veranstaltungen zu spielen, sondern dass solche Songs auf ihren Veranstaltungen eine zentrale Rolle einnehmen.
Auf ihrer Facebook-Seite wirbt die Gruppe „Verlorenes Berlin“ auch für die Teilnahme an der offen rechten Neofolk-Veranstaltung „Runes and Men“ ("We're looking forward to see you in Leipzig this weekend!", Eintrag vom 8.10.15) in Leipzig. Der Name „Men and Runes“ dieser Veranstaltung bezieht sich auf den Titel des gleichnamigen Songs der offen rechtsextremen Neofolk-Gruppe „Death in June“. Über die „Men and Runes“-Veranstaltung wurde schon einiges geschrieben, Texte finden sich etwa hier und hier.
Ein guter, nicht ganz neuer Überblick über die systematische Einflussnahme von Rechtsextremen auf Dark Wave- und Neofolk-Szene befindet sich hier.
Die Musik bei der "Verlorenes Berlin"-Veranstaltung am 17.11.15 im Chesters wurden von den DJ*anes „Aurora“ und „Master of Ruins“ ausgewählt. Beide sollen auch am 20.02.16 wieder für die Musikauswahl am gleichen Ort verantwortlich sein.
Hier eine kleine Auswahl über die Bands, deren Songs am 17.11.15 im „Chesters“ gespielt wurden.
Dernière Volonté
Dernière Volonté ist eine offen rechts agierende Band. Dernier Volonte ist eng verbunden mit der Naziband „Der Blutharsch“ und veröffentlicht bei dem Label „Hau Ruck“ von Blutharsch-Mitglied Julius Albius.
Dernier Volonte war auch beteiligt bei einem Sampler in bewundernder Erinnerung an den rumänischen Faschisten Codreanu, der Frontsänger von DV ist ein großer Bewunderer von Arno Breker, Albert Speer und anderen Nazigrößen. 2013 wurde ein geplantes Konzert dieser Band auf dem RAW-Gelände abgesagt, nachdem die Verantwortlichen darüber informiert wurden, was es mit Dernier Volonte auf sich hat.
Death in June
Death in June gilt als bekannteste offen rechtsextreme Band der Gothic-Szene. Sie haben das „Horst Wessel Lied“ neu vertont, Bandlogo ist ein leicht verfremdeter SS-Totenkopf. Von dieser Band wurde auf der Veranstaltung am 17.11.15 u.a. ausgerechnet der Song „Rose Clouds Of Holocaust“ gespielt.
Genocide Organ
Genocide Organ sind eine offen rechts auftretende Band. Ihre Lieder heißen etwa „Klaus Barbie“ (nach dem Nazi-Kriegsverbrecher) oder „Patria und Libertad“ (nach einer rechtsextremem paramilitärischen Terrorgruppe im Chile unter der Pinochet-Militärdiktatur). Der Sänger von Genocide Organ forderte auch gerne mal öffentlich auf der Bühne „Freiheit für Pinochet“.
Auf der Veranstaltung am 17.11.15 im Chesters wurde von Genocide Organ u.a. der Song „Klaus Barbie“ gespielt.
Sonne Hagal
Die brandenburger Band Sonne Hagal ist eng verbunden mit dem rechten Bandprojekt Of the wand, die gerne zusammen mit der offenen Nazi-Band „Blutharsch“ auf Tour gehen. Sonne Hagal ist gerne gesehener Gast beim rechten Festival „Men and Runes“ und tritt auch sonst gerne zusammen mit Nazi-Bands auf, etwa mit „Death in June“.
Jännerwein
Die Band gibt sich unpolitisch, tritt aber u.a. gerne gemeinsam mit den offen rechten Bands „Death in June“ und „Sonne Hagal“ auf, u.a. auf einem klandestin organisierten Konzert in Dresden.
Darkwood
Darkwood macht deutschnational-romantisches Gefasel, etwa in dem Song „Deutsche Sonnwend“, der am 17.11. gespielt wurde: „Starren in lebendige Glut, Spüren stark die wilde heiße Deutsche Stimme uns im Blut.“
Wappenbund
Wappenbund treten u.a. auf klandestin organisierten Konzerten mit anderen rechten Bands auf wie hier in der Schweiz im Rahmen einer Konzertreihe namens „Bunkermystik“
Shining Vril
Shining Vril ist das Solo-Projekt von John Murphy, der auch bei den Nazibands „Blutharsch“ und „Death in June“ beteiligt war.
Waldteufel
Waldteufel ist ein Projekt von Markus Wolff, einem bekennenden Rechten, der sich u.a. positiv auf den rassistischen Verein „Artgemeinschaft e.V.“ bezog.
Blood Axis
Auch bei Blood Axis ist der bekennende Rechte Markus Wolff beteiligt, zusammen mit anderen Rechtsextremen. Blood Axis bezieht sich explizit positiv auf Nazis wie Rosenberg und Wiligut.
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Dies ist nur eine vorläufige Recherche. Relativ willkürlich wurde zu einigen der Bands aus der Playlist der Veranstaltung am 17.11.15 recherchiert, und bei so gut wie allen sind rechtsextreme Bezüge vorhanden. Es dürfte klar geworden sein, dass rechtsextreme und faschistoide Bands bei Veranstaltungen von „Verlorenes Berlin“ keine „Ausrutscher“, sondern zentraler und verbindender Bestandteil ihres Programmes sind.
Diese Recherche hat nur einige Stunden gedauert, und bezieht sich ausschließlich auf frei verfügbare Online-Quellen. Sollte der Betreiber des Chesters nun in Bezug auf das für den 20.02.16 dort geplante rechte Event erneut sagen, er habe doch von nichts gewusst (wie nach dem Auftritt von Sacha Korn), wäre das nicht glaubwürdig.
Offenbar ist das Chesters entschlossen, weiter rechte Konzerte und Veranstaltungen durchzuführen. Für den 20.02.16 ist nicht nur eine erneute Veranstaltung von „Verlorenes Berlin“ geplant, es sollen auch die gleichen DJ*anes wieder am Start sein, die am 17.11.16 vor allem Nazi-Musik gespielt haben.
Wahrscheinlich hofft das Chesters, dass die öffentliche Aufmerksamkeit zurückgeht, um in Ruhe ihr kommerzielles Ding durchziehen zu können. Welche Motive der Besitzer des Chesters hat, ob es ihm nur um Geld geht oder er auch ideologisch sich dem rechten Rand von Neofolk und Dark Wave zugehörig fühlt, bleibt offen.
Dies ist jedoch vielleicht auch nicht die entscheidende Frage. Entscheidender wird sein, nicht mehr auf den Chesters Betreiber zu vertrauen, sondern selbst aktiv zu werden, um weitere rechtsextreme Konzerte und sonstige rechte Veranstaltungen in Kreuzberg 36 (und überall) zu verhindern.
Für Menschen, die noch weiter recherchieren wollen, gibt’s unter diesem Artikel noch mal die Playlist der Veranstaltung vom 17.11.15 im Chesters. Derzeit ist diese Playlist auch noch hier (facebook.com/events/543616255785852/) online zu finden.
Nachtrag: Absage der Party?
Kurz nach Erstveröffentlichung des Artikels auf Indymedia, entfernte das Chester die Veranstaltungsankündigung auf ihrer Facebook-Seite. Die Veranstalter der Partyreihe "Verlorenes Berlin" veröffentlichten kurze Zeit später folgendes Statement:
"Liebe Neofolk-Freunde,
leider müssen wir euch heute eine traurige Nachricht mitteilen. Die Verlorenes Berlin Party wird im Chesters nicht mehr stattfinden. Nicht am 20.02. und auch zu keinem späteren Termin. Der Druck von Links auf den Betreiber hat mittlerweile ein nicht mehr beherrschbares Ausmaß angenommen. Leider haben das Androhen von Gewalttaten und gezielte Hetze wieder einmal über sachliche Argumente gesiegt. Und das im Übrigen ohne einen einzigen Versuch, sich mit uns persönlich in Verbindung zu setzen oder in den Dialog zu treten. Leider ein Verhalten, das viele von uns aus ähnlichen Zusammenhägen gewohnt sind.
Wir haben vollstes Verständnis für die Reaktion der Betreiber und gehen ohne Groll mit dem Chesters auseinander.
Allen Gästen, Unterstützern und Neofolk-Begeisterten bis hierhin: DANKESCHÖN. Es war uns ein Fest.
Verlorenes Berlin-Team"
Einen Tag später (18. Januar) veröffentliche der Betreiber des Chesters eine Stellungsnahme auf Facebook. In dieser bekräftigt er die Absage der Partyreihe "Verlorenes Berlin" und legt seine Schritte seit dem ersten Artikel dar:
"Am 22. Dezember 2015 hat der Blogger Frank Metzger bekannt gegeben, dass im Chesters zwei Konzerte von Nazi- Bands, sowie eine Party ,die der rechten Szene zuzuordnen ist, stattgefunden haben.
Es war mein Fehler, dass so etwas passieren konnte. Ich hätte nie vermutet, dass in einem Club mitten in Kreuzberg, Nazi-Bands versuchen sich einzumieten. Ich habe die Bands, welche im Chesters auftreten wollten, nicht ausreichend überprüft. Die Veranstalter der rechten Bands haben sich nur mit privaten Kontaktdaten bei mir gemeldet. Dies passiert beim Booking öfter, da ich auch einige private Geburtstagsveranstalungen, Firmenfeiern etc habe. Bis dato musste dies auch nie hinterfragt werden. Ab jetzt bin ich vorsichtiger. Damit dies unter keinen Umständen nocheinmal vorkommt habe ich eine Bookerin engagiert, die sich ausschließlich um die Terminvergabe vom Chesters kümmert und die Anfragen genau überprüft.
Der Bookingvertrag wurde um eine Klausel erweitert, in der deutlich steht, dass das Chesters keine Plattform für jeglichen Rechtsextremismus ist.Im Hinblick auf die Veranstaltung "Verlorenes Berlin" habe ich mich mit der MBR (Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus) getroffen um mich über die Neofolk Szene zu informieren. Die Meinungen gehen stark auseinander. Die Szene ist sehr umstritten und als grenzwertig anzusehen. Nach einigen Gesprächen und viel Aufklärungsarbeit möchte ich, auch wenn die Veranstalter sich als unpolitisch bezeichnen, solche Art von Veranstaltungen im Chesters keinen Raum bieten.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir bei diesem Thema geholfen haben.
Vielen Dank an die Linken, die offen für Gespräche waren und Solidarität statt Hetze gezeigt haben.Liebe Grüße,
Leo Kappner
(GF Chesters Music Inn)"
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 17. Januar 2016
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