Rechtes Konzert auf dem RAW-Gelände
Am 7. September soll im „Urban Spree“ auf dem RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain ein Konzert der rechten „Military Pop“-Band „Dernière Volonté“ („Der letzte Wille“) stattfinden.
Das Konzert, welches von der in Szenekreisen bekannten Veranstaltungsgruppe „Ceremonies Berlin“ organisiert wird, sollte ursprünglich im „Bi Nuu“ (ex-Kato) am Schlesischen Tor stattfinden. Dort fand bereits im April diesen Jahres ein Konzert des rechtsoffenen Neofolk-Musikprojekts „Of the Wand & the Moon“ statt, bei dem „Ceremonies Berlin“ involviert war.
Zuletzt im „Bi Nuu“: Of the Wand & the Moon
Das Konzert von „Of the Wand & the Moon“, einem Neo-Folk-Projekt des Dänen Kim Larsen, ging am 7. April diesen Jahres von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt über die Bühne. Die Ästhetik von „Of the Wand & the Moon“ nimmt starke Anleihen an der germanisch– nordischen Mytholgie. Zwar heißt es, er wolle sich damit nicht auf den historischen Nationalsozialismus beziehen, sondern auf die „skandinavischen Lebenswelt“, da er sich allerdings auf Promotionsbildern und während seiner Auftritte meist in uniformartigen Aufmachungen inszeniert und darüber hinaus über Jahre engen Kontakt zu Justus Albin von der Naziband „Der Blutharsch“ pflegte, kommen an einer tatsächlichen Abgrenzung nach Rechts Zweifel auf.
„Of the Wand & the Moon“ veröffentlichten Anfang der 2000er Jahre mehrere Tonträger auf Justius Albins Label „Hau Ruck!“ und waren 2009 mit der „Der Blutharsch“ auf Tour. 2011 begleitete Larsen „Death in June“ auf ihrer Tour zum 30. Jubiläum der Band. „Death in June“ gelten gemeinhin als Vorreiter des rechten Neofolk.
Schon im Jahre 2000 wurde Larsen wegen dieser offenbar bis heute andauernden Offenheit nach rechts von antifaschistischen Initiativen kritisiert. Die Initiative „Grufties gegen Rechts“ charakterisiert Larsen in Bezug auf die „Schwarze Szene“ als einen jener Akteure, „denen zwar keine aktive Betätigung in rechten Organisationen vorzuwerfen ist, die aber durch unreflektierte Verwendung von Ästhetik, etc. in Verbindung mit einer fehlenden Abgrenzung gegen rechte Vereinnahmungsversuche zur Manövriermasse rechter Strategen geworden sind“.
Passend zur fehlenden Abgrenzung des Hauptacts war der rechtsoffene Versand „Lichterklang“ (neofolk.de) an diesem Abend auf der Veranstaltung für das Merchandise zuständig und mit einem eigenen Stand vertreten. Während Larsen die „skandinavischen Lebenswelt“ besang, konnte sich das Publikum am „Lichterklang“-Stand mit Tonträgern rechter und rechtsoffener Musikprojekte wie „Von Thronstahl“, „Der Blutharsch“ oder „Boyd Rice“ eindecken. Außerdem wurden allerlei Runen feilgeboten, wie die in der rechten Szene beliebten Odal– und Algiz-Runen, Eiserne Kreuze und die mit eindeutigen NS-Bezügen versehene „Schwarze Sonne“ als Anstecknadel. Die Crew von „Ceremonies Berlin“, die beim kommenden Konzert von „Dernière Volonté“, am 7. September im „Urban Spree“, als Veranstalter auftreten soll, war im „Bi Nuu“ nach Larsens Auftritt für die Aftershow zuständig.
Dernière Volonté: Am 7. September im „Urban Spree“?
„Dernière Volonté“ ist ein 1994 gegründetes Projekt des französischen Musikers Geoffroy Delacroix. Von den vierzehn Tonträgern, die „Dernière Volonté“ seit 1998 veröffentlichte, erschienen bislang zehn auf „Hau Ruck!“ (zuletzt 2012), dem Plattenlabel von Julius Albin, Frontmann der Naziband „Der Blutharsch“. Außerdem war Geoffroy Delacroix‘ direkt an der Entstehung der „Der Blutharsch“-Veröffentlichungen „When all else fails!“ (2002) und „Time is thee enemy!“ (2004) beteiligt.
Bis in der Jahr 2000 diente „Dernière Volonté“ das Emblem der ab 1943 in Frankreich aufgestellten 17. SS-Panzergrena- dierdivision-Division „Götz von Berlichingen“ als Bandlogo. Über die Verwendung des Logos, welches auf dem Cover der 7“ „Commandements“ zu sehen ist, bekundete Geoffroy Delacroix später sein Bedauern, eine ernstzunehmende Distanzierung blieb jedoch aus. Auch die Beteiligung an einem Sampler zu Ehren von Corneliu Codreanu, dem Anführer des antisemitisch-nationalistischen Kampfbundes „Legion Erzengel Michael“, mit einem Lied namens „Mein Glaube ist mein Kampf“ („Ma Foi Est Mon Combat“) im Jahre 2001 versuchte Geoffroy Delacroix anschließend zu relativieren: Sein Interesse an dem Faschisten Codreanu hätte nur dessen „gnostischer und föderaler Seite“ gegolten, ließ er sich seinerzeit zitieren.
Die Stellungnahme erschien auf dem mittlerweile nicht mehr abrufbaren rechten Internetportal „Neo-Form.de“. Sogleich fuhr er aber fort, die „Intelligenz […] und [das] maßlose Werk“ Albert Speers zu loben und nannte es ein „schreckliches Ende, dass Speer zu all diesen „verfemten“ Künstlern“ gehöre. Bereits im Jahre 1998 widmete er Hitlers Stammarchitekten das Lied „A. Speer“, welches im Jahre 2005 auf einer CD-Neuauflage der Kassete „Obéir Et Mourir“ zum zweiten mal veröffentlicht wurde.
Auf der 2006 erschienen Veröffentlichung „Devant Le Miroir“ („Vor dem Spiegel“) setzen sich die faschistischen Bezüge fort. Hier setzt sich Geoffroy Delacroix hauptsächlich mit dem Werk des faschistischen und antisemitischen Literaten Pierre Drieu la Rochelle auseinander. Drieu la Rochelle (* 1893 - † 1945), seit 1934 glühemder Anhänger des französischen Vichy-Faschismus, schrieb zu jener Zeit: „Wir europäischen Faschisten [...]. Wir können beruhigt sterben. Wir haben eine Aufgabe vollbracht, die andere als wir in Europa nicht vollbringen konnten.“ Nach der Niederschlagung des deutschen und französischen Faschismus durch die Alliierten beging Rochelle Suizid. Die letzte Seite des Booklets der CD „Devant Le Miroir“ ziert ein Bild seines Grabes. Darüber steht der Text des Liedes „La Joie Devant La Mort“ („Die Freude Vor Dem Tod“).
In einem Interview aus dem Jahre 2012 äußert sich Geoffroy Delacroix bewundernd über Arno Breker, den Bildhauer und Architekten von Hitlers Gnaden. Breker sei ein spiritueller Sohn von Rodin und lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Dass Brekers Aufstieg untrennbar mit seinem Mitwirken in der NS-Propagandamaschinerie in Verbindung steht, gerät dabei in Vergessenheit. Neben dem bereits erwähnten faschistischen Literaten Drieu La Rochelle seien sowohl Breker, als auch Louis-Fredinand Céline Exponenten eben jener „von Flüchen behafteten Künstler“, die er bewundere.
Seine Resistenz gegenüber dem Vorwurf der von ihm bewunderte, Louis-Fredinand Céline sei ein Kollaborateur des deutschen Faschismus gewesen, erklärt Delacroix damit, dass dieser in Wahrheit ein Misantroph und Individualist gewesen sei. In der Historie hingegen gilt Louis-Fredinand Céline als fanatischer Antisemit, was sich in so gut wie allen seinen Texten nachweisen lässt. Noch vor der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen, äußerte er im Jahre 1937 erstmals öffentlich Sympathien für Hitler und hetzte zur Zeit der Besatzung auf Seiten der Faschisten gegen Jüdinnen und Juden. Von ihm Stammt auch das Zitat er wolle lieber „von einem Deutschen erschossen als von einem Juden verblödet“ werden [1]. Nach dem er zum Kriegsende erfolglos versuchte, in Deutschland unterzutauchen, saß er mehrere Jahre in alliierter Gefangenschaft, die antisemitischen Tiraden Céline’s setzten sich bis zu seinem Tod im Jahre 1961 fort.
Textprobe „Soldat“ von „Dernière Volonté“:
Soldat ! Ecoute ton sens patriote
La victoire se fera de tes larmes
Soldat ! Ecoute la juste voix
Ton sang éclabousse notre histoire
Soldat ! Les larmes de la vengeance
Punissent les traîtres vaniteux.
Soldat ! Ecoute la noble raison
Ton combat juste de sens ; innocence !Soldat! Höre deinen patriotischen Sinn
Der Sieg wird aus deinen Tränen kommen
Soldat! Hör die gerechte Stimme
Dein Blut bespritzt unsere Geschichte
Soldat! Die Tränen der Rache
bestrafen die eingebildeten Verräter
Soldat! Hör die edle Vernunft
Dein Kampf macht Sinn ; Unschuld !Vom Album: Commémoration, 2004.
Exkurs: „Hau Ruck!“ und „Der Blutharsch“ , Label und Kooperationspartner von „Dernière Volonté“
Das Musikprojekt „Der Blutharsch“ des Österreichers Julius Albin und die durch ihn betriebenen Labels „Hau Ruck!“ und „Wir kapitulieren niemals!“ galten lange Zeit als einflussreichste Projekte des rechten Neofolk im deutschsprachigen Raum. Nach einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2007 darf „Der Blutharsch“ nun auch in Deutschland öffentlich als „Naziband“ beziechnet werden, ohne rechtliche Konsequenzen zu fürchten.
Schon die Cover des CD-Debüts „Der Sieg des Lichtes ist des Lebens Heil!“ (1998) und des Nachfolgers „The Pleasures Received In Pain“ (1999) zeigten Ausschnitte aus Gemälden von NS-Malern, wie Werner Peiner, während die weiteren Texte beispielsweise mit Neuvertonungen der „Wacht am Rhein“ aufwarteten. Auf »Hau Ruck!« erschien 2003, neben einem Tonträger mit Aufnahmen des italienischen Faschismus, eine Split-Single der italienischen Rechtsrockbands »Zetazeroalfa« und „S.P.Q.R.“. Außerdem veröffentlichte „Der Blutharsch“ 2003 und 2008 je eine Split-Single mit den italienischen Rechtsrock-Bands „Zetazeroalfa“ und „Sotto Fascia Semplice“ auf Albins Label „Wir kapitulieren niemals!“
Das Projekt um Justus Albin versuchte zwischenzeitlich in der Öffentlichkeit seine Bezüge zur rechten Musiklandschaft in den Hintergrund treten zu lassen, indem sie ab 2005 die Ästhetik ihrer Auftritte und die musikalische Stilrichtung veränderten (S.32). Dessen ungeachtet werden weiter die alten Tonträger verkauft, samt eindeutiger NS-Anleihen, und Albins Labels bietet nach wie vor neonazistischen Musikprojekten eine Plattform. Noch 2011 steuerten „Der Blutharsch“ zur Neuauflage eines ihnen gewidmeten Tribut-Albums der beiden „National Socialist Black Metal“-Bands „Altar Of Perversion“ (Italien) und „Mordaehoth“ (Niederlande) mehrere Songs bei. Die Platte erschien auf dem Label „New Era Productions“ von Jasper Velzel, dem ehemaligen Schlagzeuger der niederländischen RechtsRock-Band „Brigade M“ [2].
Anklang bei der Neuen Rechten
In den Publikationen der Neuen Rechten werden „Dernière Volonté“ wiederholt als Referenz herangezogen. Seit Gründung der neurechten Postillen wird dem Genre des rechtem Neofolk eine besondere Aufmerksamkeit zu Teil. Sich oft feingeistiger gebend, als herkömmlicher Rechtsrock, passen rechte Neofolkprojekte besser ins Konzept einer kulturellen und intelektuellen Modernisierung des rechten Lagers, wie sie die Neue Rechte vorantreiben möchte. Bezugnahmen auf „Dernière Volonté“ in der „Jungen Freiheit“ (JF) [3] oder dem Webportal „Blaue Narzisse“ (BN) [4] erscheinen daher nur folgerichtig.
Auch unter klassischen Neonazis haben Dernière Volonté ihre Fans und Bewunderer: Beworben wird das Konzert auf dem RAW-Gelände u.a. auf dem Webportal „Nonpop“ [5] des Jenaer Neonazis Christian Kapke, der als Mitglied des Liedermacherduos „Eichenlaub” zu den frühen Unterstützer_innen des NSU zäht.
Das Konzert absagen! Konsequent gegen Nazis!
Dass diesen Künstlern und ihren neonazistischen Fans auch auf dem RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain, genauer im Veranstaltungsraum „Urban Spree“, eine Bühne geboten werden soll, ist nicht hinnehmbar.
Im Zusammenhang mit „Dernière Volonté“ kann auch nicht mehr nur von „ästhetischen Anleihen“ am Faschismus gesprochen werden, wie es sonst oft bei fragwürdigen Neofolk-Projekten der Fall ist. Solange es zum Programm gehört sich, neben der Verwendung von faschistischer Ästhethik und eindeutigen NS-Symbolen, offen auf faschistische Persönlichkeiten zu beziehen und immer wieder durch die künstlerische und ökonomische Nähe zu anderen Akteuren der rechten Musikszene aufzufallen, wäre dies ein Euphemismus. Was „Dernière Volonté“ vorantreiben ist faschistische Ideologie und muss auch als solche bezeichnet und behandelt werden.
Eine Diskussion darüber „wie sie das wohl meinen“ und ob sie „die Lieder nicht mehr spielen“ steht für uns nicht zur Debatte. Ihren Umgang mit Kritik haben „Dernière Volonté“ in der Vergangenheit gezeigt: Nach dem im April 2007 ein Konzert der Band in Bochum aufgrund von Protesten an einen anderen Ort verlegt werden musste, erfreute die Band die angereisten Zuschauer_innen während des folgenden Auftritts mit einem „Fuck l’antifa“ und einer Cover-Version eines Stücks von „Der Blutharsch“.
Der Leiter des Fanprojekts von Schalke 04, der für die Organisation jenes „Dernière Volonté“-Konzerts verantwortlich war, verlor seinen Posten nach dem antifaschistische Recherchen diesen Zusammenhang aufdeckten. Es folgte eine fristlose Kündigung, die das Arbeitsgericht später bestätigte.
Ob verdeckte Sympathien oder die Aussicht auf schnelles Geld, Unwissenheit können die Verantwortlichen kaum glaubhaft machen. Diejenigen, die „Dernière Volonté“ demnächst in Berlin-Friedirchshain einen Auftritt ermöglichen wollen, hätten durch eine knappe Suchmaschinenanfrage auf die Hintergründe des Headliners aufmerksam werden können.
Die Wiederholung eines Szenarios wie beim „Of the Wand & the Moon“-Konzert im April 2013 im „Bi Nuu“ kann nicht hingenommen werden. Ebenso wenig wie daß Konzertveranstalter_innen, Clubs und Kartenvorverkaufsstellen für ein Clientel Erlebniswelten schaffen, das offen rechts ist oder für das rechts sein nur eine Meinung unter vielen ist.
Wir fordern:
- Eine umgehende Kündigung des Vertrages von „Urban Spree“ mit „Ceremonies Berlin“
- Die Einstellung des Kartenverkaufes an allen Vorverkaufsstellen (KOKA 36 etc.)
- Eine Stellungnahme des Bi Nuu zu den Gründen der Konzertverlegung und zum bereits stattgefundenen Konzert der Band „Of the Wand & the Moon“ und dem Verkaufsstand von “Lichterklang”
Urban Spree
Revaler Straße 99, 10245 Berlin
Tel: 030 / 74078597
Email: contact@urbanspree.com
Bi Nuu
Skalitzer Straße 72, 10997 Berlin
Tel: 030 / 69566840
Fußnoten:
[1] Louis-Ferdinand Céline; Bagatelles pour un massacre, S. 142, 1937
[2] Der rechte Rand 136/2012, S. 32
[3] Junge Freiheit (online): „CD: Industrial — Nebensache“, 17.11.2006
[4] Blaue Narzisse (online): „Ohne Gesang zur Erkenntnis – Das Album „Exemtum“ und der Military Pop“, 28.01.2009
[5] nonpop.de/nonpop/index.php?area=1&p=news&newsid=1527
Download:
[recherche&aktion] Rechtes Konzert in Berlin-Friedrichshain (PDF, 1.4 Mb)
Kontakt:
[recherche&aktion]
recherche-und-aktion.net
recherche-und-aktion@riseup.net
Erstveröffentlichung auf Recherche&Aktion am 30. August 2013
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