Schlechte Zeiten für Neuköllner Neonazis
Der Frühling fängt nicht gut an für die Neuköllner Neonaziszene und einiges spricht dafür, dass es in nächster Zeit nicht besser wird. Antifaschist_innen zerren mittels hunderter verklebter Aufkleber in ihrem Wohnumfeld die Namen und Gesichter von lokalen Führungskadern aus der Anonymität. Zugleich fallen diesen ihre Gewaltaktionen der letzten Monate in Form von Hausdurchsuchungen und Anklagen auf die Füße. Einen von Neuköllner Neonazis als Treffpunkt angemieteter Bunker wurde ihnen in Folge zivilgesellschaftlichen Drucks gekündigt. Die antifaschistische Mobilisierung zur Demonstration am 13. April 2012 geht derweil in die heiße Phase.
Aus der Deckung geholt
Die Neuköllner Neonaziszene ist überschaubar. Dennoch können ihre Akteur_innen regelmäßig aus der Anonymität eines vermeintlich sicheren Rückzugsraums ihrem Aktionismus und ihrer Gewaltbereitschaft frönen. Der Süden Neuköllns und insbesondere der Ortsteil Rudow sind ein Raum, der offensiv von den Neonazis für sich beansprucht wird. Durch die massive Verbreitung von Propaganda und Übergriffe auf Migrant_innen, Linke und alle anderen Menschen, für die im beschränkten neonazistischen Weltbild kein Platz ist, versuchten sie über Jahre einen „Mythos Rudow“ aufzubauen. Die Verwirklichung dieses Vorhabens konnte zwar in der Vergangenheit durch erfolgreiche antifaschistische Interventionen immer wieder zunichte gemacht werden, viel zu häufig gelingt es ihnen dennoch in der Anonymität abzutauchen, ohne mit Widerstand gegen ihre menschenverachtende Weltanschauung konfrontiert zu werden. Hier wohnen sie, hier saufen sie und bringen inzwischen auch ihre Kinder zum Hort und in die Schule. Ihre Namen in der Gegend bekannt und ihre Gesichter im Straßenbild präsent zu machen, ist ein erster Schritt dies zu ändern und schränkt nicht nur ihren Aktionsspielraum ein, sondern kann auch ganz konkret zum Schutz von potenziellen Betroffenen von neonazistischer Gewalt beitragen. So lautet die unmissverständliche Forderung an Anwohner_innen und Passant_innen, die rassistische und antisemitische Weltanschauung ihrer neonazistischen Nachbarn nicht länger zu dulden. Auf hunderten Aufklebern, die in den vergangenen Wochen von Antifaschist_innen in Südneukölln verklebt wurden, werden die acht derzeit aktivsten Neuköllner Neonazis vorgestellt.
Im Visier der Repressionsorgane
Zusätzlich haben zwei der maßgeblichen Protagonisten der Neuköllner Neonaziszene noch ein weiteres Problem. Jahrelang hatten antifaschistische und zivilgesellschaftliche Gruppen auf die Verantwortlichen hinter dem Internetportal „NW-Berlin“ hingewiesen. Ebenso lang waren sie damit bei den Behörden auf taube Ohren gestoßen. Ihre Untätigkeit begründeten Staatsanwaltschaft und Polizei damit, dass der Server außerhalb ihrer Reichweite in den USA stehen würde. Am führen Morgen des 23. März 2012 wurden sie dann doch noch überraschend aktiv und durchsuchten neben der Wohnung und dem Waffengeschäft des Berliner NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke in der Brückenstraße im Treptower Ortsteil Oberschöneweide, zeitgleich auch die Wohnungen von zwei Neuköllner Neonazis. Betroffen waren, mit dem Neuköllner Kreisvorsitzenden Sebastian Thom ein weiterer NPD-Funktionär, sowie Patrick Weiss, Anti-Antifa Fotograf und eine Führungsperson der Rudower Kameradschaftsstrukturen. Ihnen wird vorgeworfen Anfang Februar in Rudow bzw. Britz insgesamt neun großflächige Sprühereien angebracht zu haben, die für den Naziaufmarsch am 13. Februar in Dresden warben und Fotos davon anschließend auf der der Internetseite „NW-Berlin“ eingestellt zu haben. Sebastian Thom muss sich unterdessen derzeit in einer anderen Sache wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, im August vergangenen Jahres im Wahlkampf in Kreuzberg einen seiner Begleiter angewiesen zu haben, einem Mann Pfefferspray ins Gesicht zu sprühen, der die Neonazis zuvor beim Hängen von NPD-Plakaten fotografiert haben soll. Im selben Monat war Thom bereits zuvor durch seine Gewalttätigkeit aufgefallen, als er, ausgestattet mit einem Messer und Pfefferspray, gemeinsam Julian Beyer in Britz auf eine Gruppe vermeintlicher Nazi-Gegner losging. Einige Tage nach den Razzien im Zusammenhang mit der Internetseite „NW-Berlin“ gab es u. a. in Neukölln weitere Durchsuchungen. Vier Männer zwischen 21 und 47 Jahren, laut Polizei allesamt einschlägig bekannte Mitglieder der „organisierten, aktionsorientierten , gewaltbereiten rechten Szene Berlins“, sollen in der Nacht zum 29. Oktober 2011 im U-Bahnhof Rudow zwei migrantische Mitarbeiter eines Imbisses mit Fäusten geschlagen, mit Bierflaschen beworfen und mit Reizgas besprüht haben. Eines der Opfer musste im Krankenhaus behandelt werden.
Kein Bunker den Nazis
Im Gegensatz zum nahe gelegenen Schöneweide, ist es den Neonazis in Rudow bisher nicht gelungen, ein Netzwerk von Infrastruktur von der Szene für die Szene aufzubauen. Lediglich Orte unter freien Himmel oder wechselnde Kneipen werden von ihnen als zeitweilige Treffpunkte genutzt. Zwischen Oktober 2010 und Oktober 2011 hatten sie sich konspirativ in einem Lagerraum einer Bunkeranlage im Ostburger Weg Ecke Deutschthaler Straße eingenistet. Den Mietvertrag hierfür unterschrieb der erwähnte Patrick Weiss. Nachdem der Vermieter über die politische Einstellung seiner Mieter informiert worden war, kündigte er den Vertrag umgehend.
Zeit zu handeln - Keine „Homezone“ für Nazis und Rassist_innen
Die Materialien für die geplante Demo sind fertig. Zahlreiche Plakate und Aufkleber zieren bereits das Neuköllner Straßenbild. In zwei gut besuchten Informationsveranstaltungen klärten die beiden mobilisierenden Bündnisse über Strukturen, Akteure und Aktivitäten der Neonaziszene Neuköllns auf. Eine weitere Informationsveranstaltung der Kampagne „Neukölln gegen Nazis“ folgt diese Woche.
Antifaschistische Demonstration:
13. April 2012 | 17:30 Uhr | U-Bhf Lipschitzallee (U7)
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