„Reichsbürger“-Neonazis treffen sich im Karlshorst
Nachdem antifaschistische Interventionen dazu führten, dass die „Neuschwabenland“-Treffen der Berliner „Reichsbürger“ um Axel Stoll und Peter Schmidt nicht mehr in der Neuköllner Kneipe „Roseneck“ (Britzer Damm 209) abgehalten werden, finden sie nun in Lichtenberg statt. Seit dem 22. März 2013 treffen sich Neonazis in dem Indischen Restaurant „Anmol“ (Treskowallee 102) in Karlshorst. Es waren je 6-12 „Reichsbürger“ anwesend.
Was passiert in Karlshorst?
Seit dem 22. März 2013 finden jeden zweiten Freitag die „Neuschwabenland“-Treffen in Karlshorst statt. Dort, in dem Indischen Restaurant „Anmol“, das sich in der Nähe des S-Bahnhofs Karlshorst befindet, treffen sich Stoll und Schmidt mit je 6-12 weiteren Verschwörungstheoretikern und halten mehrstündige Sitzungen ab.
Die Betreiber_innen des Restaurants wurden nach dem zweiten Treffen, am 5. April 2013, über die Neonazi-Treffen in ihren Räumlichkeiten informiert, scheinen jedoch keine Ambitionen zu haben, diese zu unterbinden. Dort, wo sich lokale Initiativen wie der Bürgerverein Berlin-Karlshorst e.V und der Karlshorster Kulturstammtisch treffen, tagen nun auch Neonazis.
Stoll, wahrscheinlich aufgeschreckt durch Antifaschist_innen im Umfeld der Kneipe, vermied es, den Ort des Treffens am 19. April 2013 öffentlich zu benennen; nur um sich dann doch wieder im „Anmol“ zu treffen.
Es ist davon auszugehen, dass auch die nächsten Treffen der „Reichsbürger“-Neonazis im „Anmol“ in Berlin-Karlshorst stattfinden sollen. Wendet euch deshalb an die Betreiber_innen des Restaurants. Macht ihnen klar, dass sie ihre Kundschaft verlieren, wenn sie Neonazis bei sich Treffen veranstalten lassen. Für den 17. Mai 2013 ist das nächste Treffen angesetzt.
Restaurant Anmol
Adresse: Treskowallee 102
10318 Berlin
Telefon:030 55149343
Weitere Informationen:
Was ist das Neuschwabenland-Treffen?
(Auszug aus dem Text „Reichsbürger, Verschwörungstheorien und extrem rechte Exoterik“, Fight-Back 5, 2013)
Seit Januar 2003 treffen sich regelmäßig zweiwöchig „Reichsbürger“, Verschwörungsideolog_innen und extrem rechte Esoteriker_innen zum „Neuschwabenland“-Treffen in Berlin. Nachdem die Treffen zunächst im Restaurant „Spitteleck“ in Berlin-Mitte stattfanden, stellt seit spätestens Juli 2009 die in Tegel wohnende Betreiberin Sandra Duspara Freitagsabends den großen Veranstaltungsaal in ihrem Restaurant „Roseneck“ am Britzer Damm 209 im gleichnamigen Ortsteil von Berlin-Neukölln für die regelmäßige Zusammenkunft der „Neuschwabenländer“ zur Verfügung. Im Impressum auf der Internetseite des Lokals wird zudem der Name Mate Samardzic als Verantwortlicher genannt.
Mitte März 2013 musste die „Neuschwabenland“-Anhänger_innen schließlich das Roseneck verlassen und suchen derzeit nach einem neuen Versammlungsort.
Die erste darauf folgende Zusammenkunft fand provisorisch in einem indischen Restaurant im Lichtenberger Ortsteil Karlshorst statt. Die Versammlung von maximal 20 nahezu ausschließlich männlichen und überwiegend älteren Teilnehmenden wird offziell als „Pressekonferenz“ bezeichnet. Journalist_innen sind bei der „Pressekonferenz“ in der Regel jedoch nicht anwesend. Einem Journalisten einer Berliner Boulevardzeitung, der 2012 über das Treffen berichtet hatte, wurde bei der folgenden Zusammenkunft „der Galgen“ gewünscht. Begleitend zu den „Pressekonferenzen“ werden als „Infoblatt“ bezeichnete Unterlagen zu den wechselnden Themen des Treffens an die Anwesenden verteilt. Zu den regelmäßigenden Gästen zählt u.a. Mario Romanowski. Sie enthalten Dokumente wie z.B. das Patent für eine Vorrichtung zum Versprühen von Insektiziden, das als Beleg für die Existenz so genannter „Chemtrails“ angeführt wird und Briefwechsel mit verschiedenen Staatsanwaltschaften, die vergeblich zur Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen der „Vergiftung des deutschen Volkes“ bewegt werden sollen, bis hin zu Todesurteilen in Abwesenheit eines imaginären „Reichsgerichtshofs“ gegen die vermeintlich verantwortlichen Bundespolitiker_innen. Ideologisch geeint werden die Teilnehmenden der Versammlung, durch den namensgebenden Glauben an sich in einer in Anlehnung an eine deutsche Forschungsexpedition 1938/1939 „Neuschwabenland“ genannten Region in der Antarktis sowie in Südamerika versteckt haltende „rassische“ SS-Elitetruppen, die sich dort angeblich mittels des Bau von Reichsflugscheiben und andere Geheimwaffen auf ihre Rückkehr an die Macht vorbereiten und dem Festhalten am „Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes in den Grenzen vom 31. August 1939“. Die „Neuschwabenländer“ verstehen sich zwar als „Bürger des Deutschen Reiches“, weisen die Bezeichnung als „Nazis“ allerdings zurück und führen das Wort gleichzeitig auf eine etymologisch höchst eigenwillige Weise auf die Bewohner_innen des „heiligen Herkunftsortes [Nazareth“ und „von Gott auserwählten Personen“] zurück.
Mitbegründet und bis heute geleitet werden die „Neuschwabenland“-Treffen von Peter Schmidt und Axel Stoll. Der in Zehlendorf wohnende Peter Schmidt, der sich selbst als freier Journalist, Autor und TV-Produzent bezeichnet, will schon verschiedene Werke zu „Tabu-Themen“ wie der Leugnung des Zusammenhangs des HI-Virus und der Krankheit AIDS und der „Impflüge“ veröffentlicht haben.
Schmidt ist verantwortlich für die Erstellung der Tagesordnung und versendet auch über einen eigenen E-Mailverteiler die obligatorisch mit einem „GruSS“ beendeten Einladungen zu den Treffen. Der 1948 geborene Axel Stoll, der stets einen Doktortitel im Namen führt, moderiert die Treffen. Er studierte Geologie zunächst an der Universität Greifswald und promovierte laut Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek 1984 am „Zentralinstitut für Physik der Erde (ZIPE)“ der Akademie der Künste der DDR in Potsdam zum Thema „Zur Rhythmizität/Zyklizität und Korrelation des höheren Saxon der westlichen Altmark.“ Er behauptet zudem von sich Leutnant der Reserve in der NVA gewesen zu sein. Über seinen eigenen Sinus Tangentus Verlag versucht er u.a. Literatur über Flugscheibentechnik und „alternative Energien“ an das geneigte Publikum zu bringen. In sozialen Netzwerken pflegt Stoll auch Kontakte zur Anti-Islam-Szene z.B. zu Mitgliedern der „German Defence League (GDL)“ (siehe Seite 22), dem deutschen Ableger der aus dem Umfeld rechter Fußball-Hooligans hervorgegangenen rassistischen „English Defence League (EDL).“
Der Ablauf der mit einem zackigen „Heil euch“ eröffneten Treffen ist stets derselbe. Nach einer kurzen Vorstellung der Tagesordnung folgen verschiedene meist langatmige und um eine hochgestochen-pseudowissenschaftliche Ausdrucksweise bemühte Vorträge. Zum Abschluss ist eine Diskussion vorgesehen. Zuletzt beschränkten sich die Referenten auf Peter Schmidt und Axel Stoll. In früheren Jahren traten aber auch Gastredner, unter ihnen bekannte Holocaust-Leugner und NPD-Mitglieder aus dem zu dieser Zeit noch aktiven Kreisverband 3 (Tempelhof-Schöneberg/ Steglitz-Zehlendorf) der Partei u.a. der damalige stellvertretende Kreisvorsitzende Frank Reitemeyer auf. Die Themenpalette der Referate deckt die gesamte Bandbreite extrem rechter Esoterik und Verschwörungsideologien ab, sie reicht von „alternativer Medizin“ (z.B. Einreiben des Körpers mit Essig als Impfersatz), alliierten Kriegen und deutschen Expeditionen zum Pluto bis hin zu Tempelritter-Mythen.
Teilweise werden die Vorträge durch Bilder und kurze Videoclips etwa Ausschnitte aus dem inzwischen eingestellten, von der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Eva Herrmann moderierten, Format „Kopp-Nachrichten“ des gleichnamigen rechtspopulistischen, esoterischen und verschwörungsideologischen Verlages illustriert.
Obgleich nur äußerst selten explizit ausgesprochen, ist in den geäußerten Inhalten ein aggressiver Antisemitismus stets präsent, so werden die Medien der abgelehnten BRD beispielsweise als „Elektrojude“ verunglimpft. Neuankömmlinge auf dem Treffen sollen offensiv rekrutiert werden. So kann es passieren, dass sie vom Landwirtschafts-und Forstminister der „Exilregierung Deutsches Reich“ Vordrucke für einen Reichspersonalausweis zum Selbstausfüllen überreicht und zu einer Einführungsveranstaltung für „Neubürger“ am Fritz-Lang-Platz, in Laufweite des U-Bahnhofs Hellersdorf, eingeladen werden.
Lichtenberger Jugendvernetzung ALKALIJ:
http://www.alkalij.org
Antifa Hohenschönhausen:
http://www.ah.antifa.de
Recherche-Zeitschrift „Fight-Back“:
/recherche
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 11. Mai 2013
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