„Der III. Weg“ in Berlin - Eine Einschätzung
Im März 2015 gab die Neonazipartei „Der III. Weg“ bekannt, in Berlin einen Stützpunkt gegründet zu haben. Anders als in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel Bayern, Brandenburg und Thüringen, ist der Berliner Stützpunkt personell überschaubar und hat bisher keine wahrnehmbaren öffentlichen Aktivitäten entfaltet. Seinen Platz im Gefüge der Berliner Neonaziszene hat der Stützpunkt noch nicht gefunden. Die Äußerungen auf der Internetseite zeugen jedoch davon, dass „Der III. Weg“ mit seinem Organisierungsversuch in Berlin auf Langfristigkeit setzt. Grund genug also, eine erste Einschätzung zu wagen.
Die Berliner Situation
Die Berliner Neonaziszene war über etwa 20 Jahre hinweg von Kameradschaftszusammenhängen dominiert. Die NPD (und die DVU erst recht) waren den meisten Neonazis zu bieder und angepasst und das obwohl mit Personen wie Eckart Bräuniger, Uwe Meenen und Udo Voigt immer schon ein klarer Bezug zum historischen NS vorhanden war. Erst mit dem drohenden Verbot der dominanten Kameradschaftsstruktur „Nationaler Widerstand Berlin“ (NW Berlin) änderte sich das Berliner Gefüge. Führende Aktivisten von „NW Berlin“ waren schon vorher in die NPD eingetreten und übernahmen zentrale Posten. So wurde Sebastian Schmidtke – Kopf von „NW Berlin“, Anmelder der meisten „NW Berlin“-Aufmärsche und Verantwortlicher für „NW Berlin“-Publikationen – im Jahr 2012 Berliner NPD-Vorsitzender. Björn Wild - zentraler Aktivist von „NW Berlin“ - übernahm im selben Zeitraum die Berliner JN.
Die Fraktion der Neonazis, denen die NPD zu bieder und die Kameradschaften zu „autonom“ waren, gründete den „Frontbann 24“, in dem sich schnell das Spektrum der Glatzen-Kneipen-Neonazis sammelte. Schon der Name der Kameradschaft bezog sich auf eine 1924 gegründete Auffangorganisation für Mitglieder der nach dem fehlgeschlagenen „Hitlerputsch“ verbotenen SA, die Neonazis traten auf Aufmärschen mit Uniformähnlicher Kleidung und dem Reichsadler als Logo auf. Genauso aggressiv aber strategielos waren dann auch die Aktivitäten des „Frontbanns“. Nach dessen Verbot 2009 gründeten diese Neonazis um Uwe Dreisch, Gesine Schrader und Patrick Krüger den Berliner Kreisverband von „Die Rechte“. Der Berliner Ableger dieses westdeutschen Auffangbeckens für Neonazis aus verbotenen Kameradschaften hat jedoch seither keine nennenswerte Aktivität entfaltet.
All diese parteilichen Organisierungsversuche sind scheinbar nicht ausreichend und so wagt nun die aus Südwestdeutschland stammende Partei „ Der III. Weg“ einen weiteren Anlauf.
Das Personal
Eine kleine Anfrage der Grünen-Politikerin Clara Hermann erbrachte die staatliche Einschätzung, dass dem Berliner Stützpunkt „Personen im unteren zweistelligen Bereich“ zuzuordnen sind. Die Beobachtungen der letzten neun Monate lassen den Schluss zu, dass es wohl nicht mehr als zehn bis 15 Neonazis im Kern sein werden.
Bekannt sind inzwischen folgende Personen: Der Hellersdorfer Neonazi Kai Schuster zeigte schon früh ein Interesse für die Aktivitäten des „III. Wegs“. Er reiste im letzten Jahr zu mehreren Aufmärschen des „III. Wegs“ nach Thüringen und Brandenburg. Am 28. März 2015 zum Beispiel – dem Tag vor der Gründung des Stützpunkts - fuhr er vermutlich mit den Berliner „III. Weg“-Neonazis zu einem Neonaziaufmarsch nach Wittstock/Dosse. Auch im gerade erst begonnen Jahr 2016 nahm er schon an einem Aufmarsch in Beeskow (3. Januar 2016) teil und lief hinter dem Banner der Partei. Ursprünglich gehörte Schuster zu der rassistischen „Bürgerbewegung Hellersdorf“, bevor er Ende letzten Jahres damit begann, unter den Labels „AN Berlin“ und „Antikapitalistisches Kollektiv“ eigene Projekte zu verfolgen. So propagiert er gerade die Bildung von schwarzen Blöcken auf Neonazidemos und bezieht sich offen auf den NS. Ob er Teil des Berliner Stützpunkts ist, ist nicht mit letzter Klarheit zu sagen.
Eindeutiger ist es bei der Hellersdorferin Franziska Grunhold, die ebenfalls eine der Hauptprotagonistinnen der rassistischen „Bürgerbewegung Hellersdorf“ war. Sie trug auf den „III. Weg“-Aufmärschen in Saalfeld (1. Mai 2015) und Neuruppin (6. Juni 2015) das Berliner Transparent der Partei.
In Saalfeld war ebenfalls der Bucher Neonazi Ronny Döbel Transparenthalter. Er gehört zum engeren Umfeld der Pankower NPD um Christian Schmidt und geht aggressiv gegen politische Gegner_innen vor. In seinem Wohnumfeld in Berlin-Buch tauchen regelmäßig Aufkleber des „III. Weg“ auf. Weitere Neonazis waren auf beiden Demonstrationen und in anderen Kontexten als Berliner Anhänger der Partei zu erkennen. Diese sind im Fotoanhang detailliert dargestellt.
Im Bundesvorstand des „III. Wegs“ sitzt zudem der Berliner Neonazi Sandor Makai. Er war früher führendes Mitglied der Pankower NPD und im Berliner NPD-Vorstand. Nun hat er augenscheinlich die Partei gewechselt. Ihm wird die Beteiligung an den bisherigen Berliner Propagandaaktivitäten des „III. Wegs“ nachgesagt, bei öffentlichen Terminen der Partei tritt er nicht in Erscheinung. Ein weiterer ehemaliger Pankower NPDler, Patrick Fehre, ist inzwischen nach Bayern verzogen und hat dort Anschluss an den „III. Weg“ gefunden. Auf etlichen Aufmärschen der Partei übernahm er inzwischen Funktionen.
Auch der gewalttätige Berliner Neonazi Sebastian Dahl lief am 3. Januar 2016 in Beeskow hinter dem Banner des „III. Wegs“. Er verbrachte in der Vergangenheit wegen versuchten Mordes mehrere Jahre im Gefängnis, weil er Brandanschläge auf die Bühne eines linken Festivals und eine von Roma bewohnte Wohnwagensiedlung verübt hatte. Nach seiner Haftentlassung zog er nach Kahla in Thüringen.
Die Aktionen
Auf ihrer Internetseite berichtet der Berliner Stützpunkt über sechs Veranstaltungen seit der Gründung im März 2015. Dabei handelte es sich um politische Schulungen, Informationsabende und ein Konzert mit mehreren Neonazibands. Diese Veranstaltungen konnten kaum aus eigener Kraft geleistet werden und so waren bei den meisten Terminen Brandenburger Matthias Fischer und der Thüringer Tony Gentsch anwesend und hielten Referate.
Darüber hinaus nahmen Aktivisten der Partei an zwei überregionalen Neonaziaufmärschen – 1. Mai in Saalfeld und am 6. Juni beim „Tag der deutschen Zukunft“ - mit dem Stützpunkt-Transparent teil, gingen auf Veranstaltungen der Berliner und Pankower NPD – zum Beispiel am 10. April 2015 in Prenzlauer Berg - und organisierten einen Ausflug nach Stettin. An einer Kundgebung in Hellersdorf am 5. Dezember 2015, die sich gegen eine neue Notunterkunft richtete, nahmen auch mehrere Neonazis mit einer „III. Weg“-Fahne teil. Sie wurde von einem Hohenschönhausener Neonazi getragen.
Die Resonanz bei den „III. Weg“-Veranstaltungen durch andere Berliner Neonazis blieb bescheiden. Lediglich bei dem Konzert nahmen laut Eigenaussage etwa 50 Neonazis teil. Der Block, der sich am 6. Juni hinter dem Berliner Transparent formierte, bestand größtenteils aus Brandenburger Neonazis. Bei einer Neonazikundgebung am 5. Dezember 2015 in Hellersdorf wurde auch eine Fahne des "III. Weg" gezeigt. Eine Vertreterin der Partei, wahrscheinlich Franziska Grunhold, hielt einen Redebeitrag.
Darüber hinaus wurden in mehreren Bezirken rassistische Flugblätter in die Briefkästen gesteckt und Aufkleber verklebt. Schwerpunkte waren dabei Hellersdorf, Lichtenberg und Buch. Um den 1. Mai 2015 herum wurden im Weitlingkiez hunderte Schnipsel mit rassistischen Parolen in Parks geworfen, gleichzeitig wurden Flugblätter gesteckt und in mehreren Straßenzügen Aufkleber geklebt. Im Vorfeld der Silvio-Meier-Demonstration in Marzahn wurden dort „III. Weg“-Schnipsel auf mehreren Bahnhöfen verteilt.
Am 9. Januar 2016 wurden bei einer Veranstaltung in Berlin die Stützpunkte aus den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Berlin zum „Gebietsverband Mitte“ zusammengeschlossen. Als Vorsitzender wurde der der Brandenubrger Matthias Fischer gewählt. Obwohl die Veranstaltung in Berlin stattfand und ein Berliner Neonazi (vermutlich Person Nr. 3) die Veranstaltung eröffnete, wurde kein Berliner in eine Funktion gewählt.
„Der III. Weg“ tritt bei seinen Aktionen mit offenen Bezügen zum Nationalsozialismus auf. Uniformierung, durchchoreografierte Aufmärsche und rassistische Kampagnen machen die Partei attraktiv für Neonazis, die ihre Perspektive fernab des Parlamentarismus sehen. Auf diesem Feld konkurriert die Partei direkt mit „Die Rechte“. In Berlin ist sie damit noch ganz am Anfang. Ob sich mit internen Schulungen und kleineren Propagandatouren auf Dauer die Anhänger_innen hält, wird sich dieses Jahr zeigen. Es wäre nicht die erste Kopfgeburt der Berliner Neonazis, die schnell wieder Geschichte ist.
Übersicht der Aktivitäten:
Vor der Gründung:
- 21. Februar 2015 – Teilnahme an einem Aufmarsch in Eisenhüttenstadt
- 28. März 2015 – Teilnahme an einem Aufmarsch in Wittstock/Dosse
Seit der Gründung:
- 29. März 2015 – Gründung in Anwesenheit von Tony Gentsch und Matthias Fischer
- 10. April 2015 – Teilnahme an einer NPD-Kundgebung in Prenzlauer Berg 18. April 2015 – Teilnahme an einem Aufmarsch in Brandenburg a.d. Havel
- 1. Mai 2015 – Teilnahme am Neonaziaufmarsch in Saalfeld
- Mai 2015 – Rechtsschulung
- Juni 2015 – Parteivorstellungs-Veranstaltung
- Juli 2015 – Griechenland-Veranstaltung mit Matthias Fischer 6. Juli 2015 – Teilnahme am „Tag der deutschen Zukunft“ in Neuruppin
- September – Gesellschaftsabend (50 Personen) mit „Tätervolk“, „Lars“ und „schlimmer Finger“
- November 2015 – Ausflug nach Stettin
- November 2015 – Saalveranstaltung zum Thema Flüchtlinge mit Tony Gentsch und Matthias Fischer
- 5. Dezember 2015 – Redebeitrag + Transparent bei Nazikundgebung in Hellersdorf
- Dezember 2015 – Weihnachtsfeier
- 3. Januar 2016 – Teilnahme an einem Aufmarsch in Beeskow
- 9. Januar 2016 – Gründung des „Gebietsverband Mitte“ in Berlin
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag von „Berlin rechtsaußen“ und wurde ergänzt. Er soll Ansätze für weitere Recherchen bieten. Infos zu den abgebildeten Personen bitte an die lokalen Antifagruppen oder an fightback[at]no-log.org.
Die Fotos sind den Fotoarchiven von Presseservice Rathenow, Sören Kohlhuber und anderen entnommen.
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 17. Januar 2016
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