Rechtsrockprojekt Legion of Thor aus Berlin
„Blood & Honour“ (B&H) ist ein europaweit organisiertes Neonazinetzwerk, dessen Konzerte und Veröffentlichungen als klassischer Einstieg in die Neonazis-Szene gelten. Sie sind Antreiber und Begleitmusik für Mord und Totschlag. Auch die rassistischen Serienmörder des NSU wurden aus der zum Teil konspirativ organisierten Neonazimusikszene um B&H unterstützt. Bei der Handvoll neonazistischer Musikgruppen die sich in Berlin im B&H-Umfeld zusammengefunden haben, hat sich das langjährige Bandprojekt „Legion of Thor“ (L.O.T.) eine nähere Betrachtung verdient.
Bandgeschichte und Einbettung in die Berliner Neonazi-Szene
Folgt man einem Bandinterview im deutschen B&H-Magazin, so gründete sich die Berliner Neonazi-Skinheadband L.O.T. im Jahr 1997 und ging zum Teil aus der Brandenburger Neonaziband „Thorshammer“ hervor. Seither steht die Band B&H und deren bewaffneten Arm „Combat 18“ nahe, aber auch deren Konkurrenzorganisation im Rechtsrockgeschäft den „Hammerskins“ nahe [1].
So finden sich bereits Ende der 1990er Jahre Berichte zur Band im Neonazifanzine „Wehrt Euch!“ der Berliner Hammerskins [2]. Die Band trat in der Vergangenheit sowohl bei von den rassistischen Hammerskins, als auch auf Konzerten von B&H auf. Im Februar 1997 hatte die Polizei in Berlin-Treptow noch ein Neonazikonzert aufgelöst, als sich Schlägereien zwischen Hammerskins und B&H-Anhängern, aus dem Konzertsaal auf die Straße verlagerten [3].
Expliziter, als bei den Hammerskins, präsentierte sich L.O.T. jedoch, bis zu deren Verbot, als Unterstützer von B&H-Deutschland. Der Lichtenberger Neonazi und Ex– B&H-Berlin-Aktivist Torsten Kaiser, kam von „Thorshammer“ zu L.O.T.. Im Februar 1999 gehörte er zu einer B&H-Delegation die eine Busfahrt nach Budapest (Ungarn) zum „Tag der Ehre“ — einem Waffen-SS-Gedenkmarsch – organisiert hatte. So überrascht es kaum, dass sich L.O.T. an einem im Jahr 2000 veröffentlichten „Blood & Honour Brandenburg“ Sampler beteiligte, welcher B&H-Deutschland auch nach deren Verbot unterstützen sollte.
Die Verbindungen innerhalb der Berliner Neonazimusikszene sind ohnehin eng. So nahmen L.O.T.-Bandmitglieder im Jahr 2002 an der 20-Jahresfeier der waffenaffinen „Vandalen — ariogermanische Kampfgemeinschaft“ teil [4]. Torsten Kaiser wohnt bis heute in einem Haus mit Alexander Hogh von der Neonaziband „Deutsch Stolz Treue“ (D.S.T.) in der Lichtenberger Fanningerstrasse 6 (10365 Berlin) [5]. Hier wohnten zuvor auch andere Protagonisten der Berliner Neonazimusikszene, wie der B&H-Aktivist Andreas Kaiser. Dieser betrieb die Domain wearwolf.org des nach antifaschistischen Druck mittlerweile geschlossenen Neonaziladens „Wearwolf Streetware“ in der Konrad-Wolf-Straße in Lichtenberg-Hohenschönhausen und ab 2009 die Domain wearwolf-records.com für das gleichnamige — mittlerweile polizeilich aufgelöste — Neonazi-Musiklabel.
Freundschaftlich verbunden waren L.O.T. auch mit der mittlerweile aufgelösten Berliner Neonaziband „Spreegeschwader“. Wenn L.O.T. also einen Gastschlagzeuger oder einen Übungsraum benötigten, halfen andere Berliner Neonazimusiker stets aus. So teilten sich L.O.T. zeitweise einen Proberaum mit „Spreegeschwader“ in der Drontheimer Straße in Berlin-Wedding.
Zur wechselhaften Besetzung von L.O.T. gehörten u.a. als Sänger der Franzose: David „Dave“ Ferrenz alias „David Frenz“ [6], der Ex– B&H Aktivist Torsten Kaiser, Heiko Hagen am Schlagzeug und Maik Lemke an Gitarre und Bass.
Berliner Neonazi-Musik-projekte wechseln ihre Musiker häufiger durch, d.h. Musiker spielen in verschiedenen Bands gleichzeitig, aushilfs– und übergangsweise. So spielte der Neonazi-Musiker Christian Wenndorff u.a. bei hate society, Landser, D.S.T. und Thorshammer – teils als Drummer, teils als Gitarrist. 1998 waren Wenndorf und „Maik“ (B&H Nordbrandenburg) bei hate society aktiv, wobei „Maik“ zeitgleich bei L.O.T. war. Selbiges trifft auf den Neonazi-Musiker Alexander Gast von Spreegeschwader zu.
Im Laufe der Bandgeschichte verließen sowohl ein Sänger, als auch einige Bassisten die Band. Hagen, „Moppi“ (Leadgitarre), „Chris“ (Gitarre) und der Gastbassist „Alex“, suchten sich zwischendurch einen neuen Sänger. L.O.T. waren auch lokal eng verbunden mit der Berliner-Lichtenberger „Kameradschaft Spreewacht“ (K.S.W.), welche sich aus der Berliner Neonazimusikszene speiste und lange Zeit ein „Clubhaus“ in Berlin-Lichtenberg stellte. Zunächst eines in der Lichtenberger Archenholdstraße, später eines in der Lichtenberger Wönnichstraße.
Mandie Varschen – aus der Bürgerheimstraße, wo einige Protagonisten von L.O.T. und K.S.W. wohnten — stand beim letzteren am Klingelschild. Ursprünglich hatte eine Mandie Hensel, bzw. Mandie Varschen (beide Lichtenberg) für die De-Domains von L.O.T. &. K.S.W. die Anmeldung übernommen. Später wurde die De-Domains abgeschaltet, dafür ging eine Com-Domain ins Netz, welche ebenfalls von Mandie Varschen angemeldet wurde. Varschen, arbeitete in der von Heiko Weber betriebenen Bierbar „Sturgis“ in der Lichtenberger Magaretenstraße 21 (10317 Berlin), bis heute ein beliebter Treffpunkt der Berlin-Lichtenberger Rechts-Rockszene [7].
Konzerte: NS-Verherrlichung und Gewalt
NS-Verherrlichung und Gewalttaten sind seit Bandgründung wiederkehrender Bestandteil der Auftritte von L.O.T. Unter anderem zusammen mit dem Neonazi Klaus Mann aus Finowfurt (Brandenburg) organisierte die K.S.W. regelmäßig Neonazikonzerte u.a mit L.O.T. Eine Verbindung die bis heute anhält: So war zuletzt im Mai 2013 ein Konzert mit L.O.T auf dem Grundstück der Familie Mann in Finowfurt geplant. Kurz nach 21 Uhr endete das Konzert mit 650 Neonazis vorzeitig. Die Polizei löste das Konzert auf, nachdem mehrfach der Hitlergruß gezeigt wurde.
Dass die Neonazikonzerte auf dem Gelände von Klaus Mann häufig wegen neonazistischer Inhalte polizeilich aufgelöst werden müssen überrascht kaum. Bereits kurz nach der Gründung von L.O.T. kam es bei einem Konzert der Gruppe im Juni 1998 in Stuer (Mecklenburg Vorpommern), zu „Sieg-Heil“-Rufen. Gemeinsam mit „Standrecht“ (Niederlande), „Hauptkampflinie“ (Kassel), „Senfheads“ (Senftenberg), „Nordmacht“ (Rostock), „Spreegeschwader“ (Berlin) und „Kreuzfeuer“ (Thüringen) spielten sie vor ca. 600 Teilnehmern. 1999 und 2002 folgten weitere Konzerte mit neonazistischen Exzessen, so wurde im März 2002 in Sassnitz eine Hakenkreuz-Fahne gehißt. Bei einem Konzert im selben Jahr in Dortmund mit 1000 bis 1500 Teilnehmern kam es ebenfalls zu „Sieg-Heil“-Rufen.
Zwar sind Konzerte der Band in Berlin eher selten, ein im November 2007 gemeldetes Konzert fand aller Wahrscheinlichkeit nicht in Berlin-Wedding, sondern in der Nähe von Königs Wusterhausen statt [8], jedoch tourt die Band kontinuierlich mit mehreren Auftritten im Jahr durch die Bundesrepublik. In Brandenburg trat sie etwa im Juni 2000 in Massen in der Gaststätte „Zur Linde“ (zuvor hatte der Neonazi Christian Worch die Gaststätte „Deutsches Haus“ in Märkisch Buchholz für das Konzert von L.O.T. gemietet) und im Februar 2003 in Hohenbocka in der Gaststätte „Schlesischer Hof“ (hier hatte Tony Beger aus Dresden die Anmietung übernommen) auf. Im April 2003 war ein Auftritt von „Spreegeschwader“, L.O.T. und „Sleipnir“ im Rahmen einer NPD-Veranstaltung unter dem Motto „Berlin wach singen“ von Eckart Bräuniger in der Gaststätte „Bierpub Märkischer Krug“ in Langewahl geplant. In Berlin waren im Juni 2001, bei einem von der NPD-Jugend »Junge Nationaldemokraten« veranstalteten Konzert, L.O.T. und D.S.T. in Berlin-Lichtenberg aufgetreten, hierbei hatte es lediglich „polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr“ gegeben. Obwohl beide Bands zu dem Zeitpunkt Lieder auf einem Sampler der damals bereits verbotenen B&H veröffentlichten hatten, galt hier das Augenmerk möglichen antifaschistischen Protesten.
Im Februar 2001 organisierte die norddeutschen Neonazi-Aktivisten Peter Borchert und Rene Buchmann einen L.O.T.-Auftritt zusammen mit „Nordmacht“ (Rostock), „Noie Werte“ (Stuttgart) und „Deutsche Patrioten“ (Magdeburg). Buchmann behauptete eine private Geburtstagsfeier geplant zu haben, da aber sowohl „Nordmacht“ als auch L.O.T. der verbotenen B&H zugerechnet wurden, wurden das Konzert wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz beendet. Die Neonazis gingen daraufhin mit Flaschen und Stühlen auf die Polizei los.
Ein eher unglückliches Ende fand ein L.O.T.-Konzert in Struppen (Sachsen) im August 2003 für den Berliner Sänger der Neonaziband D.S.T., Peter Brammann. Das Konzert wurde gegen Ende durch die Polizei aufgelöst. Im dabei entstehenden Tumult warf ein »Kamerad« eine Flasche in Richtung der Beamten, traf aber Peter Brammann am Kopf, der dabei schwer verletzt wurde und auf dem linken Auge erblindete.
Dass der Weg vom gewalttätigen Neonaziskinhead-Habitus, über Gewaltausbrüche bei deren Konzerten hin zu Strukturen organisierter Neonazigewalt nicht weit ist, zeigte sich spätestens im Juni 2005. Ralf Wohlleben, der damalige Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Jena und nunmehr wegen NSU–Unterstützung angeklagte, lud zum „Fest der Völker“. Neben etlichen Neonazibands wie etwa L.O.T., stand auch der B&H-Aktivist Thomas Ölund (Schweden) auf der Rednerliste. Der mittlerweile in Berlin lebende Rechtsrocker gilt als Mitwisser eines neonazistischen Bombenanschlags.
Bandmitglieder von L.O.T. um die Jahrtausendwende
[1] Dem Watchblog „oireszene“ zufolge war Bandmitglied Heiko Hagen Mitglied der „Hammerskins“
[2] So finden sich allein in der Ausgabe # 10 der „Wehrt Euch“ (1999) ein Bericht zu einem Hammerskin-Konzert mit Legion of Thor, Heysel, Spreegeschwader und Endstufe, ein Bericht zu einem Neonazikonzert von KDF und Legion of Thor und ein Bericht zu einem weiteren Neonazikonzert mit DST, Legion of Thor, Fraction Hexagone und Spreegeschwader in Berlin Pankow.
[3] So berichtete zumindest der Berliner Verfassungsschutz 1998 in der Publikation „Durchblicke“
[4] Benix Went meldet sich zurück, Antifaschistisches Infoblatt, 20. Oktober 2002
[5] „Die Berliner RechtsRock Szene…“, Antifaschistisches Infoblatt, 11. Juni 2009
[6] 2005 ließ ein David Ferrenz in einem Berliner Neonazi-Onlinegästebuch verlauten: „Hi Alex + der Rest der Bande, Grüße aus Spandau vom Ex-Sänger von LOT“, woraufhin „SG-Alex“ antwortete „Man hat ja lang nix mehr von die gehört“. Gegenwärtig wird „Dave“ auf einschlägigen Internetseiten wieder als L.O.T. Sänger aufgeführt.
[7] „Razzia im „Sturgis“ am 20.04.2013 – Treffpunkt der rechtsextremen Szene im Weitlingkiez“ — Kleine Anfrage des Abgeordneten Ole Kreins (SPD) vom 16. Mai 2013
[8] „In einschlägigen Foren der rechtsradikalen Szene wird behauptet, dass „ältere Szenegrößen“ des Berliner Musiknetzwerks am 3. November ein rechtsextremistisches Konzert in Berlin veranstaltet hätten. Den von der Öffentlichkeit unbemerkten Auftritt von „X.x.X.“, „Legion of Thor“, „Burn Down“ und „Blitzkrieg“ im Wedding sollen 300 TeilnehmerInnen besucht haben. Da die Polizei am selben Tag eine größere rechtsradikale Musikveranstaltung mit Beteiligung von Berliner Rechtsradikalen in Königs Wusterhausen feststellte, scheint die Ortsangabe „Wedding“ unwahrscheinlich.“ — Chronik der Autonomen Antifa Königs Wusterhausen, 3. November 2007
Erstveröffentlichung auf Recherche&Aktion am 4. Januar 2013
Weitere Artikel zum Thema
-
25. August 2017
-
1. März 2017
-
18. Januar 2015
-
14. Mai 2015
-
4. August 2014