Seit über 20 Jahren gehen Antifaschist*innen Ende November in Friedrichshain auf die Straße, um an die Ermordung von Silvio Meier und all den anderen Opfern rechter Gewalt zu erinnern. Es war schon immer ein Anliegen der Demo aktuelle neonazistische Entwicklungen zu benennen und gegen diese vorzugehen.Ebenfalls spielten tagespolitische Schwerpunkte eine zentrale Rolle, wie die Verteidigung von linken Freiräumen, rassistische Angriffe, die Verschärfung der Asylpolitik sowie Gentrifizierung. Dieses Jahr wollen wir von Friedrichshain nach Kreuzberg gehen, um uns mit einem Teil der aktuellen politischen Kämpfe in Berlin zu solidarisieren -u.a mit den Kämpfen um Wohnraum und jene gegen rassistische Normalzustände.
Seit Jahren betreibt die Europäische Union, mit an vorderster Front die Bundesrepublik Deutschland, eine mörderische Politik der Abschottung und Abschreckung. Die „Festung Europa“ ist jährlich Schuld an dem Tod von tausenden Menschen, die versuchen in der EU ein menschenwürdiges Leben zu finden. Nach offiziellen Angaben wurden 2013 mehr als 10.200 Menschen aus Deutschland abgeschoben, darin sind die Asylsuchenden, welche an deutschen Flughäfen, an Landes- und Seegrenzen zurückgewiesen wurden, nicht einmal mit erfasst. Nur wenige schaffen es überhaupt bis nach Deutschland. Doch die Abschottung Deutschlands nimmt immer weiter zu: Erst am 19. September diesen Jahres wurde nunmehr durch die große Koalition - mit den Stimmen der Grünen - die Regelung der sogenannten „sicheren Drittstaaten“ um Serbien, Mazedonien sowie Bosnien Herzegowina erweitert. Quasi pünktlich zum Jahrestag des Lampedusa Unglücks, als mindestens 366 Flüchtlinge vor der italienischen Küste ertrunken sind, wird in der Bundesrepublik die mörderische Abschottungspolitik weiter zementiert. Da lässt einem der spöttische Besuch des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz und weiteren europäischen Politiker*innen auf Lampedusa, einen kalten Schauer über den Rücken laufen, als sie sich auf ein Boot stellen und ernsthaft meinen den ertrunkenen Opfern zu gedenken. Umso lachhafter, dass sie dabei kein Wort über Fluchtursachen verlieren, denn darüber wird in öffentlichen Debatten kaum aufgeklärt, geschweige denn darüber diskutiert. Wer sich die Ursachen von Flucht genauer anschaut, kommt nicht darum die vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu hinterfragen und gegen diese aktiv zu werden. Fluchtursachen stellen u.a. Kriege, ökonomische Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit dar. Diese sind Bestandteile der voranschreitenden kapitalistischen Entwicklung, welche Menschen zwingt ihre Heimat zu verlassen, in derHoffnung auf ein sicheres und besseres Leben.
Innerhalb der deutschen Grenzen versucht die Politik alles daran zu setzen um den Asylsuchenden ein menschenwürdiges Leben zu verwehren. Dies zeigt sich u.a. an dem Lagersystem, der Residenzpflicht, dem Gutscheinsystem, sowie dem Arbeitsverbot für die Geflüchteten. Setzen sich die Flüchtlinge zur Wehr, geht der deutsche Staat mit aller Macht dagegen vor. Dies hat das Vorgehen der Polizei und Politik rund um die Proteste in der Ohlauer Str, Gürtelstr. und der Cuvrybrache wieder einmal verdeutlicht. Die Polizei besetzte "präventiv" einen ganzen Stadtteil zur „Gefahrenabwehr", wie im Fall der Ohlauer Str.. Damit noch nicht genug übernahm die Polizei in diesem Fall die Stellung eines politischen Akteurs und diktierte der Politik, durch Ultimaten, ihren Aktionswillen auf. So wurden Versammlungs- und Pressefreiheit kurzfristig außer Kraft gesetzt und sie präsentierten einmal mehr ihre Interpretation des Rechts auf körperliche Unversehrtheit. Es grenzt an Zynismus, dass an anderer Stelledie Misshandlungen von Flüchtlingen in den Unterkünften durch private Sicherheitsdienste von genau jenen kritisiert werden, welche bei Protesten den Tod von Flüchtlingen durch Verwehrung von Nahrungsmitteln und Wasser, billigend in Kauf nahmen. Bereits wenige Tage nach dem Bekanntwerden der Misshandlungen von Flüchtlingen und der Kritik der Polizeigewerkschaft, sowie der Politik , zeigt die Polizei wie sie eigentlich dazu steht. Bei der Räumung der DGB-Zentrale kam es durch das Vorgehen der Polizei zu zwei verletzten Flüchtlingen. Der DGB-Vorstand Berlin hat sich durch das Räumungsersuchen nun auch eindeutig positioniert. Der Görli ist auch ein Ort, an dem die hässliche Fratze der deutschen Behörden und Institutionen zur Schau gestellt wird: Alle "nicht deutsch Aussehenden" werden automatisch zu Drogendealern stigmatisiert, wodurch "Racial Profiling" durch massive, dauerhafte Überwachung und Kontrollen von Polizei und Ordnungsamt zur Tagesordnung gehört. Aber nicht nur das Verhalten von Verwaltung, Behörden und Polizei beschämen, auch der Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt in den allermeisten Fällen durch rassistische Vorurteile und Praktiken reglementiert. Ein Blick nach Duisburg zeigt, dass Roma aus Bulgarien und Rumänien auf derStraße landen, weil ihnen keine Wohnungen vermittelt werden undsie ständig rassistischen Pöbeleien, Beleidigungen und Angriffen ausgesetzt sind. All dies erinnert an rassistische Ausschreitungen aus den 1990er Jahren. Medien, Politik, Verwaltung und Rassisten*innen hetzen bis es brennt.
Dass Rassismus auch Bestandteil von Behörden und Institutionen ist, zeigte sich ebenfalls bei den damaligen Ermittlungen zu den Anschlägen des NSU. Dabei spielten die Fakten weniger eine Rolle, als die rassistischen Annahmen der Polizei. Des Weiteren wollte und will man nichts von einer Mitschuld der staatlichen Behörden an den NSU-Anschlägen wissen. Mit aller Macht wird versucht, ein staatliches Mitwirken an den Taten des NSU zu leugnen und zu vertuschen. So auch beim Prozess gegen den NSU in München. Seitdem müssen wir wieder erleben, wie die Bundesstaatsanwaltschaft sowie das Gericht einen Prozess führen, in dem auf die Verwicklung staatlicher Stellen in die Morde nicht eingegangen wird und "Gedächtnislücken" von Nazi- und Geheimdienstzeugen großzügig akzeptiert werden. Bei Kritik an eben diesen Zuständen, wird die Nebenanklage vom Gericht angeblafft. Dieser Zustand ist für nicht hinnehmbar.
In Deutschland kam es im 1. Halbjahr 2014 bundesweit zu mindestens 47 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, allein davon 23 Brandanschläge. Diese Anschläge resultierenaus rassistischer Mobilisierung, welche insbesondere mit der Krise, geopolitischen Stellungskriegen und den daraus resultierenden steigenden Asylanträgen an Vehemenz zugenommen hat. Organisierte Neonazis und rassistische Normalbürger*innen gehen Seite an Seite auf die Straße, um die Eröffnung von Flüchtlingsunterkünften zu verhindern, wie z.B. Berlin, Leipzig, Duisburg und andere Städte zeigen. Auf Grund dieser Situation organisieren sich Betroffene gegen jede Form des Rassismus und leisten Widerstand von Hamburg über Berlin bis Nürnberg. Anwohner*innen bildeten Willkommensinitiativen, sammelten Gegenstände des täglichen Bedarfs zur Unterstützung der Heimbewohner*innen. Die Aufmärsche der Bürger*innen-Initiativen wurden von hunderten Anwohner*innen und Antifas gemeinsam gestört und eigene Demos und Aktionen organisiert. So konnte der Einfluss der Rechten stückweise zurückgedrängt und in vielen Orten eine Willkommenskultur gestaltet werden. Antifaschistisch sein, bedeutet eben auch sich den aktuellen Kämpfen anzuschließen und Rassismus nicht nur als Kampfbegriff zu begreifen, sondern all seine Facetten im alltäglichen Kampf anzugehen. Denn ein konsequenter Antifaschismus beginnt dort, wo der Nährboden faschistischer Bewegungen oder Gruppierungen entsteht. Allerdings galt es und gilt es sich auch weiterhin mit allen Mitteln Nazis in den Weg zu stellen, ob in Dresden, Magdeburg oder Neuruppin. Sogar am Tag der Silvio-Meier-Demo ist es nötig antifaschistischen Widerstand zu leisten, wenn Nazis wie in den letzten 2 Jahren ihre menschenverachtende Propaganda auf die Straße tragen.
Sich gegen jede Form von rassistischer und neonazistischer Unterdrückung zur Wehr zu setzen und sich mit den Betroffenen zu solidarisieren. Dies ist zentrale Aufgabe einer antifaschistischen Bewegung. Doch ein solcher Antifaschismus muss deshalb immer antikapitalistisch sein und mussAntworten auf die sozialen Fragen in der Gesellschaft entwickeln - ob im Betrieb oder im Stadtteil. Die Mieten steigen rasant, Wohnraum wird für viele unbezahlbar, es droht die Überschuldung oder die Zwangsräumung. Soziale Milieus werden zerstört und linke Freiräume polizeilich beseitigt. Den Kampf um das "Recht auf Stadt" zu führen, bedeutet, die soziale Frage im urbanen Raum zu stellen. Reale Gegenmacht in den Kiezen aufzubauen, ist eine der entscheidenden Aufgaben der radikalen Linken heute. Gehen wir es gemeinsam an!
Antifa heißt Kampf ums Ganze!
Nazis, Staat & Kapital in die Suppe spucken!
In Erinnerung an Silvio Meier & alle Anderen
Samstag | 22. November | 18 Uhr | U-Bhf. Samariter Straße