AUS TRAUER WIRD WUT
Am Abend des 21. November 1992 war Silvio Meier mit drei FreundInnen auf dem Weg zu einer Party. Auf dem U-Bahnhof Samariterstraße trafen sie auf eine Gruppe junger Neonazis, von denen einige rechte Aufnäher trugen. Die Linken stellten die Rechten zur Rede und nahmen ihnen die Aufnäher ab.
Durch den Streit hatten sie die letzte U-Bahn verpasst und wollten den Bahnhof wieder verlassen. Auf der Mittelebene warteten jedoch die Neonazis und stachen auf Silvio und seine Freunde ein; er starb kurze Zeit später. Noch im Krankenhaus wurden die vier Linken verhört und ihnen vorgeworfen, schuld am Tod ihres eigenen Freundes zu sein. Die Nazis, im Alter zwischen 14 und 19 Jahren, hatten angegeben, mit Silvios eigenem Messer attackiert worden zu sein, obwohl die Linken unbewaffnet waren.
Die Polizei leugnete zudem, dass der Mord einen politischen Hintergrund hätte. Erst durch intensive Öffentlichkeitsarbeit, Demonstrationen und spektakuläre Aktionen (wie das Niederbrennen des Jugend-Clubs, in dem die Nazis verkehrten) wurde die Tat weiter untersucht und die rechte Gesinnung der Täter offensichtlich. Obwohl die Anschuldigungen gegen Silvios Freunde komplett zusammenfiel, hatte der Mord ein jähes gerichtliches Ende. Von den zwölf am Überfall beteiligten Nazis (drei Frauen und neun Männer) wurde nur gegen fünf Nazis ein Prozess eröffnet. Die Anklage lautete auf »schwere Körperverletzung mit Todesfolge«, was eine Tötungsabsicht von Grund auf ausschließt. Silvio wurde mit mehreren Messerstichen in die Brust getötet. Was ist dass, wenn keine Tötungsabsicht? So wurde der Mord auch von Justizwegen her, als »normale« Schlägerei und nicht als politische Tat, mit politisch handelnden Akteuren geahndet. Drei der fünf Nazis wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Wer war Silvio Meier?
Der damals 27-jährige Silvio Meier wohnte in einem besetzen Haus in Friedrichshain. Es war eines der ersten Häuser, die bereits im Dezember 1989 besetzt wurde. Silvio war bereits in der DDR in linken Gruppen, außerhalb des Staats-Rahmen engagiert. Linke Kräfte sammelten sich damals in der »Umweltbibliothek« um die Zionskirche im Prenzlauer Berg. Für Silvio Meier gehörte antifaschistisches Eingreifen zum Alltag. Die frühen 90er Jahren waren vor allem in Ostberlin von Nazi-Angriffen geprägt, so dass die Besetzerszene schnell auch zur Antifa-Szene wurde, die damals noch nicht in der Form existierte wie heute.
Video-Interview mit Silvio Meier aus den frühen 1990er Jahren
Weitere Informationen über Silvio Meier und zur Straßenumbennungskampage