Analyse zum bundesweiten Naziaufmarsch am 7.5.
Am 12.3. demonstrierten über 2000 Nazis und Rassist*innen in Berlin bei einer bundesweit mobilisierten Großdemonstration. Nun gibt es eine Folgedemonstration, dabei ist mit einer noch größeren Teilnehmer*innenanzahl zu rechnen. Die rassistische Großdemonstration wurde von einer Einzelperson (Enrico Stubbe) initiiert, aber wird von vielen verschieden rechten Kräften in Deutschland unterstützt und beworben. Es ist die zentrale rechte Veranstaltung in Deutschland in den kommenden Monaten.
Der Text konzentriert sich auf die Analyse des kommenden Naziaufmarschs und versucht einen Überblick über die Akteure und die weitere Entwicklung der rassistischen Großaufmärsche in Berlin zu geben. Gegen die rechte Demo formiert sich bereits breiter Widerstand, es ist mit deutlich größeren linken Protesten zu rechnen als bei der ersten Demonstration im März.
… und plötzlich marschierten 2000 Nazis durch Berlin
Der erste rassistische Großaufmarsch am 12.3. wurde im Vorfeld von Vielen stark unterschätzt. Es wurde zumeist mit einer Teilnehmer*innenanzahl von 300 bis 1000 Menschen gerechnet, nur wenige Strukturen gingen von einer größeren Anzahl aus. Deswegen gab es keine größere Mobilisierung gegen den Aufmarsch und am Ende waren mehr Nazis als linke Gegendemonstrant*innen auf der Straße.
Die erste Demonstration wurde von sehr unterschiedlichen rassistischen Personen beworben, gleichzeitig gab es eine sehr vernehmbare Demobilisierung aus rechten Kreisen. So riefen sowohl Pegida als auch die AfD explizit dazu auf nicht an der Demo teilzunehmen. Ihre Vermutung war, dass die Demo genutzt werden würde um der AfD bei Landtagswahlen am Tag später zu schaden.
Die Demonstration war dann eine Mischung aus einer Nazihooliganansammlung und einem Aufmarsch von bürgerlichen Rassist*innen. Bemerkenswert war, dass die Demonstration sehr schnell deutlich kleiner wurde und am Ende nur noch 100 Menschen den Reden lauschten.
Die Provinz fährt in die Großstadt
Die rechte Mobilisierung befindet sich gerade in einer starken Abwärtstendenz, gleichzeitig zeigen sich extrem rechte Akteure offener und prägen das Demogeschehen stärker.
Zur Berliner Demonstration werden Menschen von diesen verschieden rechten Projekten anreisen, deswegen folgt ein kleiner Überblick über die Situation.
- MeckPomm: Mvgida/“Deutschland wehrt sich“ kann nur noch meist 100 Personen zu ihren Demos mobilisieren, der NPD-Einfluss wird erkennbarer.
- Thüringen: Bei der letzten AfD-Demo kamen nur 1200 Menschen, obwohl Höcke nach den Landtagswahlen stark mobilisiert hatte. Thügida veranstaltet weiterhin eine extrem hohe Anzahl von Demos, es kamen aber nur selten mehr als 100 Personen.
- Brandenburg: In der rechten Hochburg Rathenow kamen zuletzt nur noch 80 Personen zur Demo, auch in Nauen/Oranienburg/Schönwalde/Lübbenau zeigt sich in den letzten Wochen eine starke Abwärtstendenz. In Potsdam ist der Versuch einer rechten Dauerdemonstration weitgehend gescheitert. Die AfD macht weiterhin Demos, aber auch mit wenigen Leuten.
- Sachsen: Pegida mobilisiert weiterhin konstant um die 2500 Menschen. Es steigen die Versuche rechten Kräften das Demogeschehen in Sachsen stärker zu dominieren. In Aue meldete zuletzt offen die NPD die rechte Demo an. Pegida wird als hegemonialer Akteuer stärker herausgefordert und hinterfragt.
Die geringere Demogröße hat verschiedene Ursachen. Zum einen hatte der Wahlerfolg der AfD eine passivierende Wirkung („Demonstrieren bringt doch nichts, ich wähle AfD“). Zum anderem hat die mediale Aufregung und der allgemeine Diskurs über Geflüchtete abgenommen, da durch Grenzschließungen kaum noch Menschen in Deutschland ankommen. Rassist*innen können nun also auch den Eindruck haben, dass sie ihr Ziel erreicht haben.
Diese Abwärtstendenz kann sich durch Ereignisse sehr schnell wieder umkehren. Sie führt aber zunächst dazu, dass die Suche nach einem gemeinsamen großen Projekt zunimmt. Wenn die eigene wöchentliche Demo in Altenburg langweilig und immer kleiner wird, wird die Idee einer riesigen rechten Demo in Berlin wichtiger.
Berlin hat als Sitz der Regierung und vieler Medien („Lügenpresse“) aber auch eine grundsätzliche Anziehungskraft für die rechte Mobilisierung und eine erfolgreiche Demo in Berlin hat eine große Symbolik. Die bisherige rechte Mobilisierung war in vielen Fällen eine Mobilisierung der Provinz, die Teilnehmer*innenanzahlen in kleinen Orten wie Rathenow, Stollberg oder Chemnitz-Einsiedel waren meist deutlich größer als in Hamburg, Berlin oder Frankfurt. Die Provinz will nun der Großstadt ihren Rassismus präsentieren.
Es gibt nach der Hooligandemonstration in Köln aber auch eine relevante Personenanzahl, die einen rechten Krawall sucht und es der „Antifa“ zeigen will. Auch diese Personen wurden für die Demo in Berlin am 12.3. mobilisiert und werden am 7.5. erneut kommen. Alle Nachfolge-Hooligandemos konnten nicht an Köln anknüpfen und boten nur vereinzelte Krawallmöglichkeiten. Allerdings zeigten die Ereignisse in Connewitz, dass Nazihooligans zur Zeit ein hohes Selbstbewusstsein haben und zu koordinierten Angriffen fähig sind. Es ist also vorstellbar, dass Nazihooligans ein ähnliches Erlebnis in Berlin suchen werden. Da die Berliner Polizei dafür bekannt ist, Nazis weitgehend freie Bahn zu lassen, ist bei einer sehr großen rechten Demo auch nicht auszuschließen, dass es zu einem größeren Gewaltausbruch kommt.
Hundert rassistische Kommentare
Es wurden im letzten Abschnitt verschiedene Bedürfnisse geschildert, die mit den Großdemos in Berlin bedient werden. Nun folgt eine Darstellung der Mobilisierung und Entstehung der Demoreihe.
Die Demoreihe knüpft an eine erste Demonstration im Oktober an, zu der mehrere hundert Menschen nach Berlin anreisten. Sie wurde von einer einzelnen Person namens Enrico Stubbe organisiert. Dieser erstelle daraufhin ein Facebook-Event für eine Demonstration im März und bewarb das Event über viele Monate. Neben dem Facebook-Event postet er auf der zugehörigen Facebook-Seite täglich Dutzende Fotos und Links zu Zeitungen. Erfolgreich war er mit der Erstellung von „innovativen“ Facebook-Umfragen. Unterstützt wird bei der Facebook-Mobi durch den rechten Verschwörungstheoretiker Christoph Kastius. Das Bedürfnis nach einer Großdemo in Berlin führte zu einer Facebook-Teilnehmendenzahl von über 10.000 Menschen. Generell haben rechte Seiten bei Facebook sehr hohe Reichweiten, da dort sehr viel kommentiert wird und dies wird von Facebook besonders "belohnt". Der wütende Kommentarschreiber hat bei Facebook seine perfekte Plattform gefunden. Die Seite ist mittlerweile bedeutsamer als die deutlich größere Pegida-Seite, ihre Interaktionen sind höher.
Eine Einzelperson zusammen mit Facebook konnten also 2000 Leute mobilisieren. Aber die Demo musste noch organisiert werden. Offenbar sind zu einem gewissen Zeitpunkt vor der Demo einige rassistische Akteure eingesprungen und haben Enrico bei der Durchführung unterstützt, da fallen vor allem rassistische Wanderprediger wie Ignaz Baerth und Curd Schumacher auf.
Enrico war selbst Mitglied beim aufgelösten „Bündnis Deutscher Hools“. Seine Nazihoolbekanntschaften von damals bilden große Teile der Orgastruktur und die bundesweiten Kontakte werden zur Mobilisierung beigetragen haben.
Letzten Samstag gab es eine Hooligandemonstration in Magdeburg, die als Vordemo zur Berliner Veranstaltunge bezeichnet werden kann. Bei Facebook hatte es dazu 600 Zusagen gegeben und es kamen 650 Nazihooligans. Die Redner Iganz Baerth und Graziani bewarben bei der Veranstaltung intensiv die Berliner Demo.
Enrico Stubbe ist außerdem im Bundesvorstand von „Pro Deutschland“. Die rassistische Kleinstpartei spielt allerdings keine größere Rolle für die Mobilisierung. Es zeigt sich daran allerdings, dass Enrico Stubbe sich sowohl in einem gewalttätigen Nazimilieu und als auch im bürgerlichem extrem rechten Spektrum wohlfühlt.
Die Redner vom 7.5.
Im Gegensatz zum 12.3. sind bisher keine Vertreter*innen von Endgame wie Kathrin Oertel oder Frank Geppert angekündigt. Dies wird aber keine große Auswirkung auf die Mobilisierung haben. Es folgt nun eine Auflistung der Redner*innen vom 7.5 mit ein wenig Informationen zu ihnen:
Curd Schumacher
Curd Schumacher ist vorrangig für seine Facebookvideos "berühmt" geworden und wird auch als „Nazi-Gandalf“ bezeichnet. Hinter dem Pseudoynm steckt sehr wahrscheinlich der Verschwörungsideologe und HartzIV-Aktivist Manfred Meier aus Herne. Curd Schumacher gehört in die Gruppe der rassistischen Wanderprediger, die teilweise für ihre Auftritte bezahlt werden. Früher konnte er bei Pegida auftreten, in der letzten Zeit blieben ihm nur Reden bei den kleinen Demos von Bärgida. Er selbst ist häufig in Berlin und hatte auch schon Ärger von Bewohner*innen der Rigaerstraße bekommen. Curd bewirbt die Demonstration sehr eifrig und ist als einer der Hauptorganisatoren zu sehen.
Graziani
Auch Eric Graziani Grünwald, welcher unter dem Pseudonym „Graziani“ auftritt, ist ein rassistischer Wanderprediger. Zuletzt trat er in Magdeburg auf und hielt eine extrem nationalistische und geschichtsrevisionistische Rede.
Philipp Huemer
Philipp Huemer ist Aktivist der „Identitären Bewegung“ in Österreich. Die Identitäre Bewegung ist eine extreme rechte Organisation, die klassisch faschistische Standpunkte mit schickem Design, Aktionsvideos und gelben Fahnen verbreitet. Da es in Österreich nur eine schwache organisierte Nazi- und Kameradschaftsszene gibt, ist dort die Identitäre Bewegung für die meisten extrem rechten Demos und Aufmärsche verantwortlich.
In Deutschland sind sie deutlich schwächer aufgestellt, aber zeigten sich in den letzten Monaten auf rechten Demos offensiver. Der Berlin/Brandenburger Ableger führt vorrangig Kleinstaktionen unter der Führung von Jannick Brämer durch. Die IB nahm auch mehrmals an Bärgida teil.
Es gibt kaum eine rechte Demonstration in Berlin oder Brandenburg ohne IB-Fahne. Der Träger dieser Fahne ist meist Dietmar Gröper. Dieser scheint Anschluss zu suchen, hat ihn bei der IB gefunden und fährt nun allein mit seiner Fahne durch die Region. Zuletzt war er auch in Magdeburg. Dort schenkte ihm offenbar jemand eine neue Fahne und nun hat er eine „Gemeinsam Stark Deutschland“-Fahne.
Die IB ist in Deutschland sehr eng mit der Jungen Alternative verknüpft. So ist der IB-Chef Brämer auch Schatzmeister der JA und auch der Berliner JA-Vorsitzende Thorsten Weiß ist als rechtsaußen in der Partei bekannt (Freund von Höcke) und vertritt eindeutig IB-Positionen. Über die IB könnte also auch die AfD stärker in 7.5-Demo eingebunden werden.
Ignaz Baerth
Ignaz Baerth ist einer der berühmtesten rassistischen Wanderprediger. Er hatte eine enge Verbindung mit Lutz Bachmann und trat bei vielen Pegida-Veranstaltungen auf. Er ist Vorsitzender einer extrem rechten Kleinstpartei in der Schweiz, aber gerade vor allem in Deutschland als (bezahlter) Redner aktiv. Der Auftritt von Ignaz Baerth am 12.3. führte zum Zerwürfnis mit Pegida in Dresden. Der Streit führte unter anderem dazu, dass Pegida Hannover sich von Pegida in Dresden lossagte. Iganz Baerth hat eine große Facebook-Fanpage und ist stark in die Mobilisierung nach Berlin eingebunden.
Enrico Stubbe
Über Enrico Stubbe wurde in vorhergehenden Abschnitten einiges erläutert.
Markus Johnke
Markus Johnke ist der ehemalige Chef von Legida. Legida-Strukturen haben sich immer für eine rechte Großdemonstration in Berlin eingesetzt und sich u.a. am Sturm auf den Reichstag beteiligt. Die Distanzierung von Lutz Bachmann gegenüber der 12.3-Demo führte zu einem Streit und Markus Johnke legte den Vorsitz von Legida nieder und zog sich aus der Organisation zurück. Markus Johnke wird vor allem versuchen extrem rechte Kräfte aus Sachsen zu mobilisieren. In Sachsen gibt es kaum noch Berührungsängste zwischen den rassistischen Bürgerinitativen und organisierten Nazis. Aus Sachsen ist eine große Mobilisierung zu erwarten, auch wenn Pegida sehr wahrscheinlich nicht nach Berlin mobilisieren wird.
Claudia Gerhardt
Claudia Gerhardt ist die Lebensgefährtin vom Ex-NPD-Mann Andre Hüsgen und ist die Wuppertaler Kreisvorsitzende von Pro NRW. Pro NRW hatte sich zuletzt mit Pro Deutschland zerstritten und befindet sich auch durch den Aufstieg der AfD in einer schweren Krise. Da Enrico Stubbe Funktionär in der extrem rechten Partei ist, ist die Einladung allerdings auch nicht weiter verwunderlich.
Kay Hönicke
Kay Hönicke ist ein weiterer rassistischer Wanderprediger, der bei Pegida auftrat. Er wohnt angeblich in Sonnewalde/Brandenburg. Er hat keine größere Bedeutung für die Mobilisierung.
Wieviele kommen den nun?
Es ist sehr schwierig eine seriöse Einschätzung zur voraussichtlichen Größe des Aufmarschs am 7.5. abzugeben. Die Veranstaltung hat derzeit 1857 Zusagen, was deutlich unter der letzten Demo ist, aber weiterhin ein sehr hoher Wert. Die Zusagen werden kurz vor der Demo im Bereich von 2500-4000 liegen.
Die Demonstration ist für viele rechte Akteure in Deutschland ein zentrales Event und wird von unterschiedlichen Seiten beworben. Die Seite von Enrico Stubbe ist beliebt. Die erste Demo ist eher als Erfolg für die Rassist*innen zu sehen. Gleichzeitig sinkt zur Zeit generell die Mobilisierungsfähigkeit. Zum Aufmarsch könnten demnach zwischen 1000 bis 6000 Personen kommen. Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit, dass die zweite Demo etwas größer wird als die erste Demo. Diese Unsicherheit wird auch kurz vor der Demonstration nicht deutlich kleiner werden.
Es ist eher unwahrscheinlich, dass die AfD offensiv zu einer Unterstützung der Demonstration aufrufen wird, die AfD wird eher eine wohlwollende Distanz einnehmen. Es werden sich wohl viele AfD-Anhänger*innen am Aufmarsch beteiligen, sicherlich wird auch wieder der Nazi-Kumpel und AfD-Funktionär Heribert Eisenhardt dabeisein. Eine große Demonstration wird aber sicherlich die AfD stärken. Die AfD ist der zentrale Akteur in der derzeitigen Phase der rechten Mobilisierung, aber sie scheint in den letzten Wochen etwas zurückhaltend zu sein mit der Organisation von eigenen Demos.
Antifaschistische Kräfte müssen sich also auf eine sehr große Nazidemonstration mit einem gewissen Gewaltpotential einstellen. Es wäre ebenfalls anstrebenswert, dass es eine bundesweite Gegenmobilisierung zu diesem zentralen rassistischen Event geben würde.
Enrico Stubbe hat derweil schon für den 30. Juli die nächste Demo angesetzt. Es ist wichtig, dass antifaschistische Akteure am 7.5. stark auftreten, damit die Etablierung von regelmäßigen Großaufmärschen in Berlin verhindert wird.
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 12. April 2016
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