Eine Einschätzung zur Nazidemo am 26.4. in Kreuzberg
Für den 26.4. ruft die NPD zu einer Demonstration unter dem Motto "Kreuzberg muß befreit werden – sicher, sauber, ordentlich! Weg mit Multikulti - Kriminalität – Verslumung!" auf. Startpunkt soll der Moritzplatz sein, die Route am Oranienplatz (Standort des kürzlich geräumten Refugee-Protest-Camps), dem Görlitzer Park und der von Geflüchteten besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule vorbeiführen. Über das Kottbusser Tor soll es dann zurück zum U-Bahnhof Prinzenstraße gehen.
Eine kurze Einschätzung über die Absichten der Faschos, die Mobilisierung der Linken und der möglichen Reaktion der Bullen am 26.4.
Die Nazis - NPD Berlin, NW Berlin und "Freie Kräfte"
Angemeldet wurde die Demonstration vom Berliner NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke. Diesem werden seit Jahren beste Kontakte zum "Nationalen Widerstand Berlin" (NW Berlin) nachgesagt; manche Menschen gehen sogar davon aus, dass Schmidtke "Führer" des NW Berlin war oder ist. Der NW Berlin ist eine Kameradschaftsstruktur mit lokalen Schwerpunkten in den Bezirken (Nieder-)Schöneweide, Rudow und Lichtenberg. Hauptaktionsfeld des NW Berlin in der Zeit, bevor Schmidtke den NPD-Landesvorsitz übernahm, war die "Anti-Antifa"-Arbeit: auf einer eigenen Internetseite veröffentlichte der NW Berlin Namen und Adressen von linken Läden und Aktivist_innen. Den Veröffentlichungen folgten wiederholt nächtliche Angriffe mit Steinen, Farbe und in mehreren Fällen auch mit Feuer. So wurde im Juni 2011 binnen einer Nacht an fünf linken Wohnprojekten Feuer gelegt, nur mit Glück konnten größere Schäden vermieden werden. Zahlreiche Kader des NW Berlin sind zusammen mit Schmidtke der NPD beigetreten bzw. versuchten über die NPD, Abgeordnetenplätze in Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) zu ergattern: z.B. Julian Beyer, mehrmals vorbestrafter Jungnazi, der erfolglos für die BVV Neukölln kandidierte.
Der NW Berlin pflegt auch gute Kontakte zu "Freien Kräften" und "Autonomen Nationalisten" in der ganzen BRD: beim letzten Versuch Berliner Neonazis, durch Kreuzberg zu laufen, am 14. Mai 2011, waren ANs und Kameradschafts-Nazis aus dem Umfeld des "Freien Netz Süd" angereist; eine Abordnung Berliner Nazis ist wiederum geradezu Stammgast beim "Nationalen Antikriegstag" in Dortmund.
Es ist davon auszugehen, dass die Faschos in jedem Fall durch Kreuzberg werden laufen wollen und sich mit Alternativrouten außerhalb des Bezirks nicht zufrieden geben werden. Dafür spricht zum Einen der Aufruf, der die rassistische Mobilisierung der Berliner NPD explizit mit Orten wie dem Oranienplatz, dem Görlitzer Park und der besetzten Schule verknüpft, zum Anderen die Tradition des NW Berlin, auf maximale Provokation zu setzen - vgl. den "Gas Geben!"-Wahlkampf der Berliner NPD unter Schmidtke bei den Abgeordnetenhauswahlen 2011.
Die Gegenproteste
Ja, es gibt eine Mobilisierung gegen die Nazidemo. Diese verläuft bisher jedoch leider ziemlich schleppend. Immerhin verweisen die meisten einschlägigen Terminseiten mittlerweile auf den angepeilten Start der Gegenproteste und unter http://berlin-nazifrei.tk/26-04/ findet sich eine erste Aktionskarte mit der von den Nazis geplanten Route und Treffpunkten für Gegenaktivitäten. Auf den meisten im Stadtbild zu sehenden Plakaten findet sich der Hinweis auf den 26.4. bisher nur in Verbindung mit der Nazidemo am 1. Mai und der 18-Uhr-Demo am selben Tag.
Bisher ist unklar, welche Strategie zur Verhinderung der Nazidemo gefahren werden soll. Die Interventionistische Linke bereitet sich in gewohnter Manier mit einem breiten Bündnis auf große Sitzblockaden vor. Wir können uns allerdings nicht vorstellen, dass das alles sein soll - auch wenn Kreuzberg immer noch viel vom Glanz vergangener Tage zehrt, dürfte die Provokation einer Nazidemo durch den Bezirk doch für viele aktionsorientierte Antifaschist_innen Grund genug sein, mal wieder die Sturmhaube rauszukramen. Im Idealfall entsteht durch das Zusammenspiel von militanten Aktionen und massenhafter Beteiligung an Sitzblockaden eine Situation wie 2010 oder 2011 in Dresden, die eine Durchführung des Naziaufmarschs unmöglich macht.
Die Bullen
Es ist schwer einzuschätzen, wie die Berliner Polizei mit der Nazidemo und Gegenprotesten umgehen wird. In der Vergangenheit (1. Mai 2010, 14.5.2011) unternahm sie meistens einen Versuch, Sitzblockaden zu räumen, und riet den Nazis dann zur Aufgabe, wenn dies keinen Erfolg hatte. Das ganze wirkte oft eher wie ein Placebo, um hinterher sagen zu können "na versucht haben wir's ja". Allerdings haben seither sowohl der Polizeipräsident als auch der Innensenator gewechselt. Beide Posten sind nun mit Typen besetzt, die in der Vergangenheit aus ihren Law&Order-Phantasien keinen Hehl gemacht haben. Dementsprechend sah auch die Demostrecke der Nazis am 1. Mai letztes Jahr in Schöneweide aus: rundherum mit Gittern abgesperrt, von Wasserwerfern und dauerfilmenden Hundertschaften bewacht, die jeden Durchbruchsversuch mit Knüppel und Pfefferspray unterbanden. Allerdings handelte es sich hier um eine kurze Strecke mit Zugängen ausschließlich über Nebenstraßen; ein ähnliches Vorhaben in Kreuzberg dürfte grandios scheitern, allein schon wegen der Freiflächen am Oranienplatz und Görlitzer Park.
Gleichzeitig haben die Berliner Bullen in den vergangenen Monaten deutlich gemacht, dass sie jeden Protest schon im Ansatz unterbinden können, wenn sie das wollen. Kreuzberg bzw. der ehemalige Postbezirk SO 36 ist mindestens ebenso die Homezone der Bullen wie unsere - hier trainieren sie seit 25 Jahren jedes Jahr am 1. Mai Aufstandsbekämpfung im großen Stil, hier finden jedes Jahr dutzende andere Spontan-, Soli- und sonstige Demos statt, die sie begleiten und gegebenenfalls zerschlagen. Dass die Polizei, anders als bei einer NPD-Anmeldung vor 10 Jahren auf ganz ähnlicher Strecke, überhaupt ernsthaft erwägt, die Nazidemo stattfinden zu lassen, gibt uns zu denken. Dazu kommt: fünf Tage nach dem Naziaufmarsch ist der 1. Mai. Es steht zu erwarten, dass die Bullen den 26.4. als Gelegenheit nutzen, im Vorfeld des 1. Mai möglichst viele Menschen einzuschüchtern bzw. einen Vorwand zu schaffen, diese am 1. Mai mittels Platzverweisen, Unterbindungsgewahrsam und "Gefährderansprachen" aus Kreuzberg fernzuhalten.
Fazit
Es ist davon auszugehen, dass Schmidtke und sein NW-Berlin-Klüngel in der Berliner NPD es wirklich darauf anlegen, am 26.4.durch Kreuzberg 36 zu laufen. Wir müssen auch damit rechnen, dass die Bullen ihr möglichstes tun werden, diese Demonstration stattfinden zu lassen. Informiert eure Freund_innen und Genoss_innen, bildet Bezugsgruppen, überlegt euch Aktionen! Es liegt an uns, diesen Aufmarsch zu verhindern. Mit allen Mitteln.
¡No pasarán!
Infos: http://berlin-nazifrei.tk/ | /
Ermittlungsausschuss: 030-69 22 222
See you on the streets!
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 18. April 2014
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