Polizei will Route von Antifa-Demo wegen NPD-Chef ändern
NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke will Antifa-Demo am Freitag durch die Brückenstraße in Schöneweide verhindern +++ Polizeiführung schränkt Versammlungsfreiheit für parteiübergreifenden Prostest gegen Neonazis ein +++ Zahlen der Opferberatungsstellen bestätigen weiterhin Schöneweide als rechten Aktionsschwerpunkt +++ Örtliche Zivilgesellschaft unterstützt Antifa-Demo
Die Berliner Polizei will die Route für die Antifa-Demo am kommenden Freitag durch Schöneweide an einem entscheidenden Punkt einschränken: Per Auflage untersagte sie den Gang durch die Brückenstraße, in der sich sowohl die überregional als Nazitreffpunkt bekannte Kneipe „Zum Henker“ (Brückenstraße 14) als auch der Waffen- und Szeneladen „Hexogen“ (Brückenstraße 9) befinden.
Presse: taz | welt | indymedia | taz-kommentar |
Update: Wie bekannt wurde mobilisiert der Naziladen Hexogen zu einer Rabataktion ab 15 Uhr in die Brückenstraße in Schöneweide. Außerdem möchten ab 19 Uhr Nazis in der Kneipe "Zum Henker" ihr dreijähriges Bestehen feiern. Außerdem soll abends in dem Club DarkSide eine Böse Onkelz Party stattfinden. Mehr Infos findet ihr hier...
Grund dafür ist der vorrauseilende Gehorsam der Berliner Polizei gegenüber den Berliner Landesvorsitzenden und führenden Akteur hinter der Naziseite „NW-Berlin“, Sebastian Schmidtke. Er ist Betreiber des „Hexogen“, gegen den sich unter anderem der Protest richtet. Er drohte im Vorfeld damit, vor das Berliner Verwaltungsgericht zu ziehen, falls die Demonstration an seinem Laden vorbeiführt. Und die Polizei kommt dem Wunsch des Neonazis nach und untersagt den Nazigegnern die Route.
Es ist schon bezeichnend, dass Sebastian Schmidtke als einer der Verantwortlichen hinter der Neonazi-Seite „NW-Berlin“, auf der über hundert Antifaschisten, Politiker und Journalisten geoutet und bedroht werden und als Landesvorsitzender der neonazistischen Berliner NPD in der Öffentlichkeit steht, seine eigenen Persönlichkeitsrechte durch eine Demonstration verletzt sieht. Und noch skandalöser ist es, das er seinen Internetaktivitäten ungestört von der Polizei nachgehen kann, aber antifaschistischen Protest vor seinem Laden durch repressive Maßnahmen der Berliner Polizei untersagt werden. Immerhin musste Schmidtke nicht einmal klagen, er drohte es lediglich an.
Unter der Frage „Lässt sich das Land Berlin von Neonazi erpressen?“ bezeichnet der Sprecher des Treptow-Köpenicker „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ Hans Erxleben den Vorgang als „ein einmaliger politischer Skandal, dass organisierte Neonazis der Polizei diktieren können, in welcher Form Protest geäußert werden darf.“ Weiter sagt er in der Pressemitteilung: „Den Bürgerinnen und Bürgern wird der direkte demokratische Protest gegen Neonazi-Strukturen untersagt. Wir haben in den letzten Jahren schon mehrfach gegen die rechtsextreme Szene in Schöneweide protestiert und die Demonstrationen liefen dabei jedes Mal auch durch die Brückenstraße. Und jetzt droht ein Neonazi verbal dem Land Berlin und setzt sich damit auch noch durch. Wir werden das nicht hinnehmen. Ein friedlicher und bunter Protestzug muss am Freitag durch die Brückenstraße führen und gerade dort ein Zeichen gegen Neonazis setzen.“
Zahlen bestätigen: Schöneweide Neonazi-Hotspot
Unterdessen bestätigen bedrückende Fakten die Notwendigkeit der Demonstration am Freitag: Die Opferberatungsstelle ReachOut und die „Register zur Erfassung von rassistisch, antisemitisch, homophob und rechtsextrem motivierter Vorfälle“ stellten ihre Zahlen für das Jahr 2011 vor und bestätigen die Wahrnehmung lokaler Antifaschist_innen: Schöneweide ist Schwerpunktregion von Neonaziaktivitäten im Bezirk Treptow-Köpenick.
Dazu heißt es im Bericht des Registers Treptow-Köpenick: „Der Wahlkampf zur Abgeordnetenhauswahl und den Bezirksverordnetenversammlungen im Jahr 2011, schlägt sich in den Zahlen des Registers nur wenig nieder, vielmehr ist der Anstieg darauf zurückzufüDhren, dass Niederschöneweide sich als Aktions- und Rückzugsraum für die Berliner Neonaziszene weiter etabliert hat. Das Register verzeichnet einen Anstieg im Gesamtbezirk von 35 Vorfällen im Vergleich zum Jahr 2010.
Allein in Niederschöneweide waren es 30 Vorfälle mehr als im Vorjahr. Unter den 77 Vorfällen aus Niederschöneweide waren 43 Propagandavorfälle, 5 Angriffe und Bedrohungen, 3 Beleidigungen und Pöbeleien, 14 Sachbeschädigungen und 12 Veranstaltungen, darunter auch Infotische der NPD. Besonders hervorzuheben sind 27 Vorfälle, die sich gegen politische Gegner_innen richteten. Durch verschiedene Aktionen, wie Sprühereien, Sachbeschädigungen und Angriffe gegen politische Gegner_innen, macht die rechte Szene deutlich, dass sie die aufkeimende demokratische Gegenwehr, die vor Ort von verschiedenen Initiativen und Gruppen ausgeht, einschüchtern will. T-Shirts mit dem Slogan „Schöneweide unser Kiez“ unterstreichen diese Hegemoniebestrebungen.
Trotz dessen ist der Großteil der Vorfälle in Niederschöneweide nicht strafrechtlich relevant, spiegelt aber deutlich wieder, dass sich die rechtsextreme Szene in Niederschöneweide verfestigt hat. Dies wurde 2011 durch die Eröffnung eines weiteren Geschäfts der rechten Szene in der Brückenstraße, dem „Hexogen“ deutlich. Mit dem „Hexogen“ und der Kneipe „Zum Henker“ befinden sich zwei offen rechtsextreme Geschäfte in unmittelbarer Nähe. Dass weitere Neonazis oder Menschen mit rechtsextremer Vergangenheit in Schöneweide Geschäfte eröffnen oder bereits betreiben, wurde 2011 durch eine Antifarecherchebroschüre aufgedeckt und durch Ermittlungsbehörden inhaltlich bestätigt. Die Anzahl an Vorfällen entspricht also dem Potenzial, das die organisierte rechte Szene dort entwickelt.“
Unterdessen wird zur Antifa-Demo immer breiter mobilisiert. Neben diversen Antifa-Gruppen rufen nunmehr auch das „Bündnis für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick“, der Bezirksbürgermeister Oliver Igel, die Landesverbände von Linkspartei und Grünen zu der Demontration auf. Dem untätigenVermieter der Nazikneipe „Zum Henker“ wurde durch eine Plakataktion noch einmal verdeutlicht, das Antifaschist_innen seine ignorante Untätigkeit nicht akzeptieren.
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