[B] Kein Gott – Kein Patriarchat – Kirche St. Elisabeth angegriffen!
In der Nacht vom 08. auf den 09. Januar 2020 haben wir die St. Elisabeth-Kirche, Kolonnenstraße 38 (Schöneberg), der Katholischen Kirchengemeinde Sankt Matthias mit Farbe und Schrift versehen und die Türen des dazugehörigen Gemeindehauses verklebt. An der Fassade ist nun "Pro Choice" zu lesen.
Mit dieser Aktion wollen wir öffentlich wahrnehmbar machen für welche politischen Inhalte die Gemeinde steht. Im vergangenen Jahr fand in den Räumlichkeiten der St. Elisabeth Kirche der "Impact Congress 2019" von Jugend für das Leben und ProLife Europe e.V. statt. Beides Vereine der sogenannten Lebensschutzbewegung. Unter dem Motto "We believe in a Europe liberated from abortion. To do this, we must make a real impact. Come to learn how!" vernetzten sich hier junge Erwachsene "Lebensschützer*innen" [1]. Es trat u.a. die seit Jahren prominent agierende Schweizerin Maria Gunderberg, eine sog. "Gehsteigberaterin"[2] und Hebamme, als Referentin auf. Zeitlich wurde der Kongress so organisiert, dass der sog. "Marsch für das Leben" mit einbezogen werden konnte.
Warum eine denkmalgeschützte Kirche angreifen?
Menschen sollen glauben können, was sie für sich selber für richtig erachten, um sich in diesem System aufrecht halten zu können. Das Problem mit Institutionen wie der katholischen Kirche ist nicht die Erzählung über jemanden, dessen Existenz weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Vielmehr liegt das Problem in der Institutionalisierung eines Glaubens selbst und somit darin, dass je nach Ort, Zeit und Kontext ein entsprechender Wertekanon, Sitten, Traditionen, Regeln und Verbote der Glaubensgemeinschaft auferlegt werden, die durch Faktoren wie politischen Einfluss, Kapital und Machtpositionen, zusammengefasst durch „Herrschaft“ geprägt werden.
Sogenannte „Lebensrechtler*innen“ auf der Plattform des „Marsch für das Leben“ betonen stets ihren Bezug zum christlichen Glauben der sich recht offensichtlich allein durch die Biographien der Redner*innen [3], als fundamentalistisch und damit als trans-feindlich und homophob, holocaust-relativierend und antisemitisch, frauenverachtend, patriarchal und rechts-konservativ heraus stellt. Diese Ideologien sind aber kein Überbleibsel überkommener christlicher Traditionen, sondern erleben ganz im Gegenteil im Windschatten des Rechtsrucks in Europa aber auch den USA oder Brasilien einen gesellschaftsfähigen Auftrieb.
Neben der Propagandaveranstaltung „Marsch für das Leben“ und dessen unverblühmter Anwerbung rechten Klientels, wird in Gestalt von Beratungsstellen, Frauenhäusern, Jugendzentren, Ratgebern bis hin zu Arztpraxen und Therapiezentren Infrastruktur von Fundis aufgebaut, die nicht auf den ersten Blick den Bezug zu christlich-rechten Strukturen zulässt. Die Beratung, Erziehung oder der Schutz von Frauen und Kindern wird hier jedoch missionarisch im Sinne oben genannter Ideologien verfolgt [4]. Vor allem in Bezug auf junge (schwangere) Frauen wird der christlich-fundamentalistische Background durch moderne Layouts und ungezwungene Veranstaltungsformate („Impact Congress“) heraus gelöst aus dem Weihrauch- und Beichtstuhl-Image.
Die Institution Kirche ist für uns unweigerlich mit dem Patriarchat verbunden und damit mit einer menschenverachtenden Ideologie. Sie ist eine Männerdomäne. Die Auslegung der Bibel erlegt Frauen* im Gegensatz zu Männern einen Berg Regeln auf, die ihre Unterwerfung einfordern. Gewalt gegen Frauen*, sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen in kirchlichen Häusern haben, wie es vermehrt ans Licht kommt, ebenso Tradition wie das Verschweigen jener „Normalität“. Wir könnten noch den Bogen schlagen zu den Evangelikalen um Bolsonaro und Trump um ein riesen Feld aufzuzeigen, auf dem sich Rechts-Nationalismus, Kapitalinteressen, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und eigentlich alles Konservative und Menschenfeindliche unter dem Deckmantel christlich-westlicher Werte zu verbinden scheint.
Somit gilt es im Kleinen (Kirchliche Häuser) wie im Großen (die Personen dahinter) die Strukturen hinter der Neuen Rechten anzugreifen. Von Beratungsstellen bis zur AfD, von brasilianischen Vertretungen bis evangelikalen Messen.
Mit dieser Aktion grüßen wir: https://whatthefuck.noblogs.org/, die Ärztin Kristina Hänel und die Feministischen Autonomen Zellen!
PS: Vom 25. April 2020 - 2. Mai 2020 soll eine „Woche für das Leben“ der „Lebensrechtler*innen“ statt finden.
Anmerkungen:
[1]
Programm des Kongresses: https://www.alfa-ev.de/kalender/jugend-fuer-das-leben/,
Undercover Teilnehmerin: https://www.bento.de/politik/radikale-abtreibungsgegner-wie-sie-sich-in-deutschland-etablieren-a-6a33329e-dce4-4e29-95eb-6f2e788fcec7.
[2]
Selbstbezeichnung von Aktivist*innen, welche vor Abtreibungskliniken Frauen* ansprechen und versuchen ihre Entscheidung zu beeinflussen - gegen eine mögliche Abtreibung.
[3]
Auf dem Blog dieser Bewegung: https://www.kath.net/news/69186 findet sich der Bericht über den Marsch für das Leben 2019, mit allen zentralen Redner*innen von Bischöfen bis Gunnar Schupelius.
[4]
- jungle world zu den Beratungsstellen der Fundis: https://jungle.world/artikel/2017/45/fundis-gegen-selbstbestimmung.
- ProLife Europe e.V. organisiert z.B. in Schulen das Format der „LifeTALKS“: Workshops, die ab der 8. Klasse statt finden und innerhalb deren die Positionen des Vereins zu Abtreibung, im Rahmen von "Aufklärungsgesprächen", verbreitet werden.
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 9. Januar 2020
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