Nie Wieder Faschismus! Gegen NS-Verherrlichung und die Instrumentalisierung des »Tages des politischen Gefangenen!«
Für den 8. August mobilisieren Neonazis zu einem sogenannten »Tag der Politischen Gefangenen« nach Hennigsdorf. Die Kundgebung, die vor allem von Freien Kräften aus der Region und der NPD-Jugend Junge Nationaldemokraten (JN) getragen wird, hat in erster Linie NS-Verherrlichung zum Ziel. Hierfür instrumentalisieren sie gezielt den »Tag des politischen Gefangenen«, der von der politischen Linken als Solidaritätstag für linke Gefangene begangen wird. Die gesamte Naziinszenierung soll vor dem zentralen Hennigsdorfer Mahnmal für die Opfer des Faschismus abgehalten werden, um deren Andenken zu entweihen. Wir werden diese Provokation nicht zulassen und rufen darum für den 8. August zum aktiven Gegenprotest auf!
18. März – Tag des politischen Gefangenen
Der 18. März erinnert an den Aufstand der Pariser Kommune vom 18. März bis zum 28. Mai des Jahres 1871, sowie an ihre Zerschlagung und die darauf folgende Repression. Mehr als 30.000 Menschen wurden im Zuge der »blutigen Maiwoche« ermordet und über 40.000 Menschen in französischen Gefängnissen inhaftiert. Der 18. März wird seitdem als Tag der Pariser Kommune bezeichnet. 1923 erklärte ihn die Internationale Rote Hilfe zum »Internationalen Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen«. Die Rote Hilfe ist eine linke, strömungsübergreifende Solidaritätsorganisation, die Menschen finanziell und juristisch unterstützt, die beispielsweise im Zuge von Streiks oder Protesten Repression erfahren. Die Rote Hilfe der 30er Jahre war eine Organisation aus der Arbeiter*innenschaft für die Arbeiter*innenschaft und spielte eine wichtige Rolle im Widerstand gegen die Nazis. Nachdem viele der bekannten SPD und KDP-Mitglieder durch die Gestapo verhaftet wurden, half die Rote Hilfe den Familien der Inhaftierten mit Geld und Lebensmitteln. Es waren gerade die Frauen in der Roten Hilfe, die hier einen wichtigen Teil dieser Arbeit leisteten. Erst lange nach dem Ende des deutschen Faschismus wurde der 18. März in Deutschland im Jahre 1996 als Aktionstag wiederbeleb
Verehrung lupenreiner Nazis
Um die Nähe zum 18. März herzustellen, sollte der von Neonazis organisierte nationale »Tag des politischen Gefangenen« wie in den letzten zwei Jahren im März stattfinden. Dass die rechte Propagandashow nach dem Lockdown nun am 8.8. stattfinden soll, steht dieser Veranstaltung sehr gut zu Gesicht. Der Zahlencode 88 steht unter Neonazis für die Parole »Heil Hitler!« (88 = HH). Und nichts anderes als eine »Heil Hitler!«-Kundgebung ist es,was uns in Hennigsdorf erwartet. Ein Blick auf die Flugblätter mit denen für die Aktion geworben wird, macht deutlich, wohin die Reise inhaltlich an diesem Tag gehen wird. Geworben wird mit den Gesichtern von Ursula Haverbeck, Erich Priebke und Julian Assange.
Die 92-jährige Haverbeck ist ein Urgestein der deutschen Nazibewegung. Sie war Mitglied zahlreicher Naziorganisationen vor und nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Die Liste dieser Organisationen ist mindestens genau so lang wie die Liste der Gerichtsprozesse, in denen sie sich wegen Volksverhetzung verantworten musste. Nicht nur Haverbeck ist eine knallharte Holocaustleugnerin, sie ist auch aktives Mitglied im »Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten« (VRBHV). Mit Größen dieser Szene, wie Ernst Zündel war und ist sie per Du. Seit 2018 sitzt sie in Bielefeld in Haft.
Bei Erich Priebke handelt es sich um einen verurteilten Kriegsverbrecher. Hennigsdorf ist sein Geburtsort, weshalb seiner Person unter Nazis in der Region ein gesteigerter Identifikationswert zukommt. 1998 war Priebke zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden, da er am 4. März 1944 in Rom die Hinrichtung von 335 Menschenmasgeblich geleitet hatte. (1) Er beteuerte immer wieder nichts zu bereuen und gefiel sich in dieser Rolle, was ihm in der extremen Rechten einen hohen Kultstatus verlieh. Passend dazu haben die Neonazis für ihre Kundgebung ein Banner vorbereitet, welches die Losung »Ich bereue nichts« trägt. Hierbei handelt es sich um ein Zitat des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß. Dieser war aktiv an der Judenvernichtung beteiligt und sagte während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse: »Ich bin glücklich zu wissen, daß ich meine Pflicht getan habe […] als Nationalsozialist, als treuer Gefolgsmann meines Führers. Ich bereue nichts.« Warum ausgerechnet auf zwei Nazis Bezug genommen wird, die schon lange nicht mehr im Knast sitzen, ganz einfach weil sie schon seit Jahren tot sind, ist klar. Es geht darum ihnen als Märtyrer zu huldigen und die von ihnen begangenen Taten zu verherrlichen!
Dass ausgerechnet Wikileaksgründer Julian Assange in einer Reihe mit diesen knallharten Antisemiten aufgeführt wird, ist ein offensichtlicher und zugleich billiger Propagandatrick. Die Abbildung von Assange soll der Veranstaltung eine gesellschaftliche Anschlussfähigkeit und Legitimität verleihen, die mit alten Naziknochen wie Haverbeck und Priebke nicht zu machen ist. Assange hat Staatsgeheimnisse gelüftet, welche für die politischen Eliten unangenehm waren. Holocaustleugner*innen sollen durch diese Nebeneinanderstellung ebenfalls zu Geheimnisträgern verklärt werden, die uns etwas wichtiges zu sagen hätten und die zu unrecht Sanktionen erfahren. Nazis und und deren Freilassung sollen dadurch legitimiert werden. Ein Brief den 2009 Charlotte Knobloch (damalige Präsidentin des Zentralrats der Juden) von Ursula Haverbeck erhielt, macht deutlich, wiesich die Nazis das mit der Wahrheitsfindung so vorstellen.: »Bereiten Sie sich auf den Tag der Wahrheit vor. Er ist nahe und nicht mehr aufzuhalten« und »Machen Sie so weiter wie bisher, dann könnte sich ein neues Pogrom ereignen, das entsetzlich würde.«
Ein rechtes Vernetzungsevent
Das Spektrum, welches den Nazispuk in Hennigsdorf am 8. August 2020 organisiert, steht ihren Nazivorbildern in nichts nach. So kam es gegen die Freien Kräfte Prignitz Anfang Juli 2020 zu einer Razzia, da diese dabei waren einen Anschlag auf eine Moschee in Wittenberge vorzubereiten (2). Die Gruppe und ihr Dunstkreis unterstützen maßgeblich die Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland bei der Organisation der Veranstaltung. Weitere Akteure sind die NPD Oberhavel, die Erich Priebke im Februar 2013 sogar in seinem verordnetem Hausarrest in Italien besuchte (3) und die JN. Gerade weil die JN darum bemüht ist sich in Berlin und Brandenburg als gemeinsame Struktur aufzustellen, ist die Kundgebung für sie ein wichtiges Gemeinschaftsprojekt. Gerade in Oranienburg, Hennigsdorf, Velten und Umland ist die NPD-Jugendorganisation derzeit besonders umtriebig. Nachdem durch die Corona-Maßnahmen viele neonazistische Aufmärsche und Festivals ausfallen mussten, kommt der Nazikundgebung in Hennigsdorf ein größeres Interesse aus der Berliner und Brandenburger Neonaziszene zu, denen es seit Monaten an einem gemeinsamen, selbstbestärkenden Event fehlt.
Antifaschistisches Gedenken und linke Geschichte verteidigen
Es ist nicht hinnehmbar, dass sich Anhänger des Nationalsozialismus öffentlich auftreten. Es ist nicht hinnehmbar, dass sie mit schwarz-weiß-roten Fahnen vor einem Mahnmal versammeln, welches an die ermordeten Zwangsarbeiter*innen erinnert, die hier in den Außenlagern der KZ‘s Sachsenhausen und Ravensbrück ermordet wurden. Und es ist ebenfalls nicht hinnehmbar, dass die Nazis den »Tag des politischen Gefangenen« für ihre Zwecke missbrauchen. Die Geschichte der Pariser Kommune bleibt durch den »Tag des politischen Gefangenen« am 18. März nicht lediglich als Erinnerung an eine Niederlage im Gedächtnis der globalen Linken haften, sondern belebt die Geschichte eines basisdemokratischen Aufbruchs. Der Aufstand der Pariser Kommune war ein Aufstand der Armen gegen die Besitzenden, ein Aufstand für ein Leben in Würde und Gleichberechtigung. Die Rechten stehen der Idee einer solchen Welt, einer freien Welt diametral entgegen.
Geht darum mit uns am 8. August in Hennigsdorf auf die Straße. Lasst uns lautstark und kreativ sein und dadurch den Nazis ihr selbstbestärkendes Event gehörig vermiesen!
Infos:
Ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus Hennigsdorf hat ab 11.00 Uhr eine Gegenkundgebung angemeldet.
Die Nazis haben sich für 12.30 Uhr angekündigt.
Verweise:
01 | https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013–10/priebke-nationalsozialismus-kriegsverbrechen-italien
02 | https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020–07/freie-kraefte-prignitz-razzia-neonazi-organisation-rechtsextremismus-polizei
03 | httpx://www.facebook.com/npdoberhavel/photos/a.141722216017501/187567298099659
Erstveröffentlichung auf Inforiot am 21. Dezember 2024
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