Außen wie Innen – Protest gegen NPD in Gropiusstadt

22. Februar 2013 | Nazis auf die Pelle rücken

Mehr als 350 Menschen protestierten am vergangenen Samstag gegen eine rassistische Saalveranstaltung mit Udo Pastörs von c. a. 65 Neonazis aus Berlin und Brandenburg im Neuköllner Gemeinschaftshaus Gropiusstadt. Vor dem Veranstaltungsort wurden die Neonazis lautstark und mit einigen Obstbeilagen von den Teilnehmer_innen einer Gegenkundgebung empfangen, zu der verschiedene antifaschistische und zivilgesellschaftliche Initiativen aufgerufen hatten. Etwa 40 Nazi-Gegner_innen nutzen die Tatsache, dass es sich um eine öffentliche Veranstaltung handeln sollte, um auch im Saal ihren Unmut zu äußern und die Reden kritisch zu begleiten. Die Veranstaltung musste mehrmals unterbrochen werden. Die kritischen Teilnehmer_innen wurden wiederholt von NPD-Ordnern, die bereits zuvor Journalist_innen bedrängt hatten, bedroht, ohne dass die Polizei eingriff.

Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die Berliner NPD für den 16. Februar 2013 eine Veranstaltung im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt plant. Der Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke (http://www.blog.schattenbericht.de/2012/...-schmidtke ) kündigte in der TAZ (http://www.taz.de/Rechte/!109800 ) 60 - 80 Teilnehmer an und nannte als Thema das von Rassist_innen mit Vorliebe konstruierten Phänomen des „Asylmissbrauch“. Als Hauptredner wurde der für seine rassistischen und antisemitischen Ausfälle bekannte Udo Pastörs, stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD und Fraktionsvorsitzender im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, angekündigt. Später wurde die Rednerliste mit dem stellvertretenden Brandenburger Landesvorsitzenden Ronny Zasowk, der bereits bei derblockierten NPD-Demo mit dem gleichen Thema am 24. November 2012 in Rudow gesprochen hatte und Schmidtke selbst komplettiert. Die NPD wollte mit der Veranstaltung an die im letzten Jahr begonnen Kampagne gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Rudow anzuknüpfen, in dessen Rahmen neben der Demonstration im November drei Kleinkundgebungen in der Nähe von Orten von zivilgesellschaftlichen Veranstaltungen gegen Rechts stattgefunden hatten. Antifaschistische Gruppen mobilisierten zu Protesten gegen die NPD und riefen mit eigenen Flyervorlagengemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Bündnissen vor Ort zu einer Gegenkundgebung auf. Gleichzeitig kritisierten sie zum wiederholten Mal die Raumvergabepraxis des Neuköllner Bezirksamtes.

Kurz zuvor wurde bekannt, dass die NPD bereits eine Stunde vor dem eigentlichen Veranstaltungsbeginn um 11 Uhr zusätzlich eine Kundgebung direkt vor dem Gemeinschaftshaus Gropiusstadt angemeldet hatte. Um auch diese zu stören, trafen sich am U-Bahnhof Lipschitzallee bereits ab 10:30 Uhr Gegendemonstrant_innen aus verschiedenen Spektren. Schnell wurde klar, dass die NPD zu keinem Zeitpunkt vorhatte die Kundgebung durchzuführen und das Manöver ausschließlich dazu diente aus Furcht vor den Gegenprotesten diese von der Polizei auf Distanz halten zu lassen. Dieses Vorhaben sollte aber gründlich scheitern.

Die von Hamburger Gittern umstellte Gegenkundgebung füllte sich schnell. Auch eine Gruppe von Aktivist_innen aus dem Refugee-Protestcamp auf dem Kreuzberger Oranienplatz beteiligte sich an den Protesten und machten in einem Redebeitrag auf ihren Kampf gegen Rassismus und für ein menschenwürdiges Leben aufmerksam.

Ein unerwarteter wie unerwünschter Gast war der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, der kurzzeitig am Rande der Gegenkundgebung auftauchte. Zuvor hatte Buschkowsky, Lieblingstabubrecher von Rassist_innen und Sozialchauvinist_innen, eine Teilnahme an den Gegenaktivitäten noch öffentlich abgelehnt. Seine Anwesenheit war jedoch nur von kurzer Dauer, nachdem er mit kritischen Bürger_innen-Fragen konfrontiert wurde, trat er eilig den Rückzug an.

Nachdem durchgesickert war, dass es auch für eine kritische Öffentlichkeit die Möglichkeit geben sollte, der NPD-Veranstaltung beizuwohnen, strömten immer mehr Teilnehmer_innen in den Bereich vor den Gittern, direkt vor den Eingang des Gemeinschaftshauses. Nachdem zunächst Menschen tatsächlich eingelassen wurde, wies die Polizei schon bald Menschen ab, denen sie eine „Zugehörigkeit zur linken Szene“ zuschrieb.

Um kurz nach zwölf wurden knapp 30 Nazis inklusive Veranstaltungsmaterial, die zuvor mit einem Kleintransporter und dem Bus vom U-Bahnhof Rudow angekommen waren, hinter dem U-Bahnhof zum Veranstaltungsort geführt. In der Gruppe befanden sich unter anderem die Neuköllner NPDler Sebastian Thom, Jill Glaser und Jan Sturm, die Berliner Landesvorsitzende des „Rings Nationaler Frauen (RNF)“ Maria Fank, Mitglieder der verbotenen Kameradschaft „Frontbann 24“ wie Gordon-Bodo Dreisch, Uwe Dreisch, Gesine Henrich und Dennis Kittler, der „Reichsbürger“ und Holocaust-Leugner Gerd Walther und der Lichtenberger „NW-Berlin“- Aktivist David Gudra. Dort wurden sie mit Sprechchören und einigen fliegenden Clementinen empfangen. Für großes Aufsehen bei den zahlreich anwesenden Journalist_innen und sichtbare Überforderung bei der Polizei sorgte der Auftritt von Aktivistinnen des Berliner Ablegers der umstrittenen Gruppe „Femen“. Diese versuchten mit auf den nackten Oberkörper gemalten Slogans immer wieder die Gitter zu überwinden, was ihnen teilweise auch gelang. Die Neonazis zückten ihre Handys und fanden in der Aktion diegeeignete Projektionsfläche für ihren Sexismus. Aktionen und Ausrichtung von „Femen“ sind Ziel von feministischer Kritik. Für besonderes Aufsehen sorgte ein Auftritt zwei Tage vor dem Jahrestag der Ausschwitz-Befreiung in Hamburg, als sich die Gruppe bei einer Protestaktion gegen Sexarbeit Hakenkreuzsymbolik bediente, Bordelle mit dem Faschismus gleichsetze und die NS-Parole „Arbeit macht Frei“ hinterließ. Infolge von mindestens drei ruppigen Festnahmen u. a. wegen Vermummung kam es immer wieder zu kleineren Rangeleien.

Im Saal sinnierte zunächst Sebastian Schmidtke über die Frage, ob Demonstrationen für „Nationalisten“ überhaupt noch zeitgemäß seien. Ronny Zasowk erging sich in den üblichen neonazistischen Zahlenspielen zur vermeintlichen „Überfremdung“ und bejammerte den angeblichen Untergang der „autochthonen Bevölkerung“. Zuletzt trat der in Begleitung von zwei Bodyguards erschienen Hauptredner aus Mecklenburg-Vorpommern ans Mikrophon. Besonders während der Rede von Zasowk machten sich die etwa 30 kritischen Zuhörer_innen im Saal bemerkbar, sodass dieser seine Rede mehrfach unterbrechen musste. Es kam in der Folge zu tumultartigen Szenen, als die Neonazis allen voran der anwesende „Bundesordnersdienst“ der NPD u. a. der Brandenburger Mike Turau, versuchten die Kritiker_innen gewaltsam aus dem Saal zu drängen und Fotojournalist_innen versuchten an der Arbeit zu hindern. Eine Nazi-Gegnerin wird umgeschubst, die im und vor dem Saal massiv präsente Polizei schaut zu.

Die vielfältigen Proteste haben gezeigt, dass die NPD in Neukölln buchstäblich keinen ungestörten Raum für ihre rassistische Hetze finden wird.

Weitere Bilder gibt es bei flickr [123] und Demotix [12]

Erstveröffentlichung auf Indymedia am 21. Februar 2013

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