Chronologie der Proteste gegen den Nazi-Aufmarsch
Am 1. Mai sind NPD und freie Kameradschaften in Berlin-Schöneweide aufmarschiert. Einige tausend Antifaschist_innen haben versucht, den Aufmarsch zu verhindern, konnten dies jedoch gegen die Polizei nicht durchsetzen. Für eine Auswertung ist es noch zu früh, braucht es noch Diskussionen in unseren Zusammenhängen. Hier jedoch schon mal eine Chronologie der Ereignisse aus unserer Sicht.
Um 8.40 ketten sich vier Menschen in einer Betonpyramide auf der Nazi-Route fest. Sie blockieren diese fast vier Stunden auf Höhe der Brückenstraße 5. Die Bullen schaffen es schließlich, die Pyramide mit den angeketteten Menschen auf einen Lastwagen zu verladen und wegzufahren. Den Leuten geht es gut.
Um 9.30 macht sich die erste Personengruppe vom S-Bhf Neukölln auf den Weg. Die Blockierer_innen verlassen die S-Bahn Baumschulenweg und begeben sich zu Fuß zur Schellerstraße. Kurz nach 10 Uhr errichten sie eine Blockade nördlich der Naziroute auf der Schellerstraße und blockieren so mögliche Alternativrouten.
Kurze Zeit später macht sich auch die Leute vom zweiten Sammelpunkt am S-Bhf Ostkreuz auf den Weg nach Karlshorst. Ohne größere Schwierigkeiten gelangen sie in zwei großen Gruppen vom S-Bhf Karlshorst bis zur kurzen Nazi-Route in Oberschöneweide. Diese ist jedoch durch Hamburger Gitter vollständig abgesperrt. In dem abgesperrten Dreieck befinden sich unzählige Bulleneinheiten mit schwerem Gerät und einigen Räumpanzern. Mehrere Versuche, die Absperrung zu überwinden und auf die Nazi-Route zu gelangen, scheitern am martialischen Polizeiaufgebot. Zu direkten Angriffen auf die Polizei kommt es nur selten. Im Hinterland der Absperrungen bleibt es bis auf einen Angriff auf einen provozierenden Nazi auf einem Balkon ruhig. Eine weitere Blockade (neben der Pyramide) auf der geplanten Nazi-Route kann nicht errichtet werden.
Gleichzeitig sammeln sich am S-Bhf Schöneweide Menschen bei einer angemeldeten Kundgebung mit großer Bühne. Sie blockieren somit auch eine mögliche Alternativroute der Nazis nach Süden. Von dort bewegten sich um 10.30 800 Leute mit einer Demonstration über den Kaisersteg nach Oberschöneweide und unterstützten die Blockadeversuch dort.
Im Großraum Treptow-Köpenick kommt es zu einigen Bränden. Der S-Bahn-Verkehr von Schönefeld nach Schöneweide und vom Südring nach Schöneweide muss ab 10.45 für ca. eine halbe Stunde eingestellt werden.
Bereits am Morgen macht eine kleine Gruppe Nazis eine Kundgebung auf ihrer geplanten Route an der Wilhelminenhofstr. Ecke Edisonstr. Sie scheinen so ihre Route und ihre Locations in der Brückenstraße sichern zu wollen. Anfangs stehen sie nur auf dem Bürgersteig, später auf der Kreuzung. Kurz vor 10 Uhr beginnen sie mit dem Aufbau ihrer Bühne am S-Bhf Schöneweide. In Oberschöneweide - vor allem in der Region um die Griechische Allee - bewegen sich morgens immer wieder kleinere Nazi-Gruppen. Diese gehen nach und nach zu der Kundgebung Wilhelminenhofstr. Ecke Edisonstr. Zu Zusammenstößen mit Antifaschist_innen kommt es unseres Wissens nach nicht.
Ab 11 Uhr sammeln sich die von auswärts anreisenden Nazis am S-Bhf Schönefeld. Die Polizei hat für sie einen Parkplatz und Sammelpunkt vorbereitet. 110 Nazis fahren mit Polizeibegleitung um 12 Uhr aus Schönefeld mit der S-Bahn nach Schöneweide. Zeitgleich erreicht ein Sonderzug voll mit Nazis vom Südring den S-Bhf Schöneweide. Rund 50 Berliner Nazis haben sich derweil am S-Bhf Schöneweide gesammelt. Um 12.30 bewegen sich die Nazis von dort zu ihrer Kundgebung Wilhelminenhofstr. Ecke Edisonstr. Zusammen sind es rund 350-400 Nazis.
Antifaschist_innen in Oberschöneweide versuchen zeitgleich weiterhin, die Bullenabsperrungen an der Nazi-Route zu durchbrechen. Mit Pfefferspray- und Schlagstock-Einsatz sowie dem martialischen Drohen mit auffahrenden Wasserwerfern (mindestens einmal auch eingesetzt) gelingt es der Polizei, ein Durchbrechen seitens der Protestierenden zu verhindern. Die Antifaschist_innen von der Blockade Schellerstraße und der Kundgebung am S-Bhf Schöneweide (beides in Niederschöneweide) versuchen ebenfalls, nach Oberschöneweide zu gelangen und die Blockadeversuche dort zu unterstützen. Die beiden Brücken (Kaisersteg und Karlshorster Straße) sind jedoch durch ein großes Polizeiaufgebot und Hamburger Gitter gesperrt. Ein Durchbruch gelingt nicht. Nur wenige lebensmüde Antifaschist_innen hangeln sich am Kaisersteg außen an der Brücke entlang. Alternative Wege nach Oberschöneweide existieren nicht oder sind viel zu weit weg.
Die Nazis laufen zügig ihr kleines Karree in Oberschöneweide und sind bereits um 13.40 wieder auf der Treskowbrücke zurück auf den Weg in die Brückenstraße. Alle Versuche, sie in Oberschöneweide zu blockieren sind endgültig gescheitert. Auch zu direkten Angriffen auf die Nazi-Demo kommt es nicht. Die Gegenproteste sind jedoch an der Nazi-Demo zu hören.
Ein Pferd an der Trabrennbahn Karlshorst scheut und rennt die Treskowallee runter. Die Bullen sind sichtlich überfordert. Das Pferd durchbricht eine Bullenabsperrung und zerstört u.a. zwei Zivikarren, bis es wieder eingefangen werden kann. Es ist bis zur Edisonstraße Ecke Siemenstraße gekommen.
Die Antifaschist_innen in Oberschöneweide versuchen nun nach Niederschöneweide zu gelangen. Die Brücken sind aber weiterhin in beide Richtungen hermetisch abgeriegelt. Die von beiden Seiten bedrängte Polizei am Kaisersteg wird zwar nervös, es kommt jedoch zu keinem Durchbruch. Das Bündnis 1. Mai Nazifrei ruft zu einer spontanen Demonstration zum S-Bhf Schöneweide auf. Rund tausend Leute sammeln sich an der Edisonstr. Ecke Wilhelminenhofstraße auf der ehemaligen Nazi-Route und versuchen, über die Treskowbrücke in die Brückenstraße zu gelangen. Die Demonstration wird jedoch auf der Brücke von der Polizei gestoppt. Zu einem Durchbruch kommt es nicht. Immer mehr Antifaschst_innen strömen aus Oberschöneweide zum S-Bhf Karlshorst ab. Auch in Niederschöneweide gehen die ersten Menschen zurück zum S-Bhf Schöneweide und fahren nach Hause.
In Oberschöneweide dreht die Demonstration um und zieht gemeinsam mit den abströmenden Menschen über die Edisonstr. und Treskowallee zum S-Bhf Karlshorst. Ein Bullenauto, dass durch die Demonstration fährt, wird angegriffen. Kurz vor dem S-Bhf Karlshorst greifen die Bullen die Demo an, nehmen einige Leute fest und umstellen den Lauti. Dieser wird zum Abbau und zum Wegfahren gezwungen. Um 15.30 fahren die letzten Antifaschist_innen aus Oberschöneweide mit der S-Bahn nach Hause. Eine wütende Kleingruppe zerstört am S-Bhf Wuhlheide noch einen Funkwagen der Bullen. Auch in Niederschöneweide sind die meisten Menschen bereits nach Hause gefahren. Die antifaschistische Kundgebung am S-Bhf wird beendet.
Die Nazis sind derweil um 14 Uhr wieder am S-Bhf Schöneweide angekommen und beginnen dort ihre Kundgebung. Ein paar Nazis reden (Holger Apfel, Udo Voigt, Sebastian Schmidtke, Maria Fank u.a.), Braune Klampfe (oder so ähnlich) sorgen fürs nazistische Unterhaltungsprogramm. Die Nazis fahren nach Empfehlung von Schmidtke gemeinsam um 15.45 Richtung Südkreuz und um 16 Uhr Richtung Schönefeld weg. Gegen 16 Uhr ist auch die Nazi-Kundgebung beendet. In der Region um den S-Bhf Schöneweide wird noch eine Nazi-Gruppe von Antifaschist_innen angegriffen.
Zu den Festgenommenen lassen wir den EA Berlin selber sprechen:
Dem EA wurden 21 Personen gemeldet, die am Vormittag des 1. Mai rund um die Aktionen gegen die Nazidemo in Schöneweide in Gewahrsam genommen wurden. Alle sind mittlerweile ohne Haftprüfung wieder raus!
Die meisten der Personen wurden wie am Vortag in die Gefangenensammelstelle (GESA) in die Kruppstraße gebracht und einige zum T-Damm. Vor beiden Gefangenensammelstellen wurde ein Prisioner Support organisiert, der die Entlassenen empfing. Die meisten sind ab 21/22 Uhr wieder entlassen worden. Nur wenige mussten die Nacht im T-Damm verbringen.
Bei der Ankettaktion mit der Pyramide sind alle 4 Personen in Gewahrsam genommen und in den T-Damm gebracht worden. 3 von ihnen sind am selben Abend noch entlassen worden und der vierte am 2. Mai gegen Mittag.
Außerdem ist in Schöneweide leider eine Person bei der Festnahme schwer verletzt worden. Die Person musste wegen einer Rückenverletzung im Krankenhaus behandelt werden.
Die Pressemitteilung vom Bündnis 1. Mai Nazifrei findet ihr hier.
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 2. Mai 2013
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