1. Mai Nazifrei 2013 - eine Auswertung der Antifa Friedrichshain
Durchschnittlicher Provinz-Nazi-Aufmarsch wurde mit allen Mitteln durchgesetzt - trotz Antifa-Mobilisierungserfolg.
Gerademal 350 Neonazis hatten es zum Auftakt am S-Bahnhof Schöneweide geschafft. Die GegendemonstrantInnen waren 10 mal soviele. Die kurze Route vom Bahnhof, durch die Brückenstraße über die Spree, mit einem kurzen Schlenker durch Oberschöneweide und zurück zum Bahnhof Schöneweide war offensichtlich ein Kompromiss zwischen NPD und Polizei: Kurz, aber dafür blockadefrei. Auch mit dem neuen Polizeipräsident Klaus Kandt hat sich, trotz der frühen Bekanntgabe der Neonaziroute, nichts an der grundsätzlichen Strategie gegenüber Neonaziaufmärschen geändert: Der Tag war von der Anfahrt bis zum Abbau genau mit den Neonazis abgesprochen. Mit der Lahmlegung des Straßenbahnverkehrs, der S-Bahn und der Spreebrücken, sowie der Bereitstellung von Sonderzügen aus Schönefeld und über Südkreuz, kam man ihnen noch mehr entgegen als sonst..
Die einzigen, die sich an diese Kompromisslösung nicht halten wollten, waren die antifaschistischen Proteste. Vom Ostkreuz und aus Neukölln machten sich tausende organisiert auf den Weg, teilten sich strategisch auf und bewegten sich durch unterschiedliche Straßen auf die Route zu. Die einzige ernstzunehmende Blockade fand an einer Stelle statt, die als Ausweichroute gehandelt wurde, strategisch aber für viele in eine Sackgasse führte. Alles andere scheiterte gnadenlos an hermetischer Abriegelung durch Gitter und der Verteidigung dieser durch massive Polizeipräsenz, exzessivem Einsatz von Pfefferspray, Knüppeln, Hunden und Wasserwerfern. Keine Neuigkeiten sind die Schikanierung von JournalistInnen direkt am Aufmarsch, die polizeiliche Besetzung von Hinterhöfen und brutale Festnahmen wegen Vermummung o.ä. Delinquenz.
Ein Novum war eine kleine Betonskulptur in der Brückenstraße. Vier Aktivisten hatten sich drei Stunden vor dem Aufmarsch in ihr fest gekettet. Pünktlich zum Start waren auch sie mit einer Hebebühne abtransportiert. Bekanntgeworden ist außerdem die halbstündige Störung der Anreise aus Schönefeld durch einen Feuerwehreinsatz zwischen Grünau und Schöneweide. Erfreulich war auch die Beteiligung der AnwohnerInnen, die sich nicht zuletzt aus Frust gegen die polizeilichen Maßnahmen mit den antifaschistischen Protesten solidarisierten.
Wesentliche Dinge ereigneten sich aber im Vorfeld: Einen Tag vorher gab es mit 4.000 Teilnehmenden die wohl größte antifaschistische Demonstration aller Zeiten durch Schöneweide (auch dank der Mobilisierungsstärke einiger Bands, die danach im Kranbahnpark aufspielten). Im Vorfeld wurde regional viel Aufwand betrieben um die AnwohnerInnen zu sensibilisieren (Massenzeitung an alle Haushalte, Nazi-Outings, Antifa-Fahrradtour, Veranstaltungen, Plakat- und Flyeraktionen, Kundgebungen usw.). Die Dauerpräsenz der "Braunen Straße" in den überregionalen Medien seit geraumer Zeit, hatte mit dem 1. Mai einen Höhepunkt erreicht. Noch vor dem 1. Mai wurde dem Buchladen des NPD-Funktionärs Henryk Wurzel gekündigt. Das gleiche Schicksal traf den Club "Dark Side" und die Nazikneipe "Zum Henker". Insofern haben sich die unterschiedlichen Kampagnen und Bündnisse der letzten zwei Jahre in Schöneweide endlich gelohnt.
Fazit: Die Neonazimobilisierung war ein klarer Flop. Es wird für Neonazis und ihre SympathisantInnen also immer unattraktiver die Hürden für ein Schaulaufen in kauf zu nehmen. Je kleiner die Aufmärsche desto dringender scheint die Polizei aber ihre Durchsetzung zu nehmen. Den Gegenprotesten mangelte es sicher nicht an Entschlossenheit. Vielmehr ist die polizeiliche Militarisierung bei solchen Versammlungen perfektioniert worden. Eine Entwicklung, die sicher nicht nur auf der Straße verhandelt werden sollte.
Erstveröffentlichung auf Antifa Friedrichshain am 3. Mai 2013
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