VVN-BdA protestiert gegen geplante Störung des Holocaustgedenktages
Seit mehreren Jahren führt die Stadt Potsdam in der Gedenkstätte Lindenstraße ausgerechnet am Holocaustgedenktag eine Gedenkveranstaltung durch. Mehrfach haben Opferverbände des NS-Regimes gegen diese Instrumentalisierung der Verfolgten des Naziregimes protestiert und darauf hingewiesen, dass in der Lindenstraße ein würdiger Gedenkort fehlt, der von den überlebenden Opfern des NS-Terrors akzeptiert wird.
Die im Gefängnishof stehende Plastik „Das Opfer“ umfasst alle in der Lindenstraße im 20. Jahrhundert Verfolgten. Eine derart pauschale Gleichsetzung wird von den NS-Verfolgten abgelehnt. Für sie erscheint es unzumutbar, sich einen Gedenkort mit den nach 1945 in der Lindenstraße Inhaftierten zu teilen. Nach den Erfahrungen mit anderen Gedenkorten gehen sie davon aus, dass nach Kriegsende in der Lindenstraße vor allem Funktionäre und Unterstützerinnen des Naziregimes eingesperrt wurden.
Inzwischen haben sich diese Befürchtungen erhärtet. Der Potsdamer Ortsgruppe der VVN-BdA liegt eine Liste von Häftlingen vor, die am 14.05.1946 unter Mitwirkung des DRK aus der Lindenstraße in NKWD-Sonderlager transportiert wurden. Die Liste enthält neben den Personaldaten auch Angaben dazu, mit welchen Tatvorwürfen der sowjetische Geheimdienst die Inhaftierung rechtfertigt.
Am 14.01. hat die VVN-BdA die Liste und die Übersetzung eines vereidigten Übersetzers an den Oberbürgermeister und die Gedenkstättenleitung geschickt und darum gebeten, die Gedenkveranstaltung am 27.01. nicht an diesem Ort durchzuführen.
Trotz unserer Bitte um kurzfristige Antwort haben wir bislang keine Antwort erhalten. Auf telefonische Rückfrage teilte uns das OB-Büro mit, dass die Gedenkveranstaltung wie geplant stattfinden soll.
Die VVN-BdA bewertet diese Entscheidung als respektlos und anmaßend. Selbst wenn dem Oberbürgermeister persönlich das Verständnis dafür fehlt, dass NS-Opfer keinen gemeinsamen Gedenkort mit NS-Tätern akzeptieren, sollte er zumindest aus menschlichem Anstand in der Lage sein, der ausdrücklichen Bitte nachzukommen, einen anderen Veranstaltungsort zu wählen.
Eine Gedenkveranstaltung, die auf die Teilnahme von Zeitzeugen verzichtet und lieber Proteste von Opfern des NS-Regimes in Kauf nimmt, als einen anderen Gedenkort zu wählen, trägt nicht zur Entwicklung einer akzeptablen Gedenkkultur in Potsdam bei. Die VVN-BdA bewertet die Veranstaltung in der Lindenstraße als öffentliche Bekundung der Missachtung der Opfer des Naziregimes und als Störung des Gedenkens an diesem Tage. Daher wird die Stadt Potsdam mit unseren Protesten rechnen müssen.
Erstveröffentlichung auf Pressemitteilung der VVN-BdA/Potsdam auf Inforiot am 23. Januar 2014
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