Strategiediskussion/ -Vorschläge: antifaschistischer Protest in Marzahn/Buch/Köpenick
Dieser Artikel möchte zur Strategiediskussion bezüglich des antifaschistischen/antirassistischen Umgangs mit den rechten Protesten in Marzahn, Buch und Köpenick (, sowie überall) beitragen und Vorschläge für die Erweiterung unseres Handlungs- und Aktionsspielraumes anbieten. Dabei werden Vorschläge aufgegriffen, die bereits in anderen Artikeln über dieses Thema genannt wurden. Insofern soll dieser Text hier auch als Sammlung von Ideen verstanden und beliebig ergänzt werden.
Vorneweg: Wir waren am letzten Montag Teil der Gruppe von Antifas, die im Wanderkessel zum Versammlungsort lief. Eingequetscht zwischen den RoboCops war unser gemeinsamer Handlungspielraum auf das Rufen von Slogans und Parolen beschränkt geblieben und die große Anzahl von Heim-Gegner_innen und Nazis im Vergleich zum antifaschistischen Protest hinterließ bei vielen von uns ein mulmiges Bauchgefühl. Nachdem der Mob abgezogen und wir durch die Cops praktisch nichts machen konnten außer in der Kälte zu warten, sind viele, wie wir auch, recht früh wieder zurückgefahren. Die anschließenden Verfolgungsjagden haben wir nicht miterlebt, freuen uns aber, dass niemand verletzt wurde. Nichtsdestotrotz sehen wir diesen Montag nicht als Niederlage an - auch nicht als "Krise des Antifaschismus" oder als Bestätigung für Berlin als Hochburg des linken aber unpolitischen Party-Lifestyles.
Was uns dieser Montag jedoch gezeigt hat, ist, dass unser derzeitiges Vorgehen gegen Rechte/Nazis/Deutsch-Idioten in den Außenbezirken Berlins (also auch in Buch und in Köpenick) nicht ausreicht. Oder so gesagt: Eine Strategie der ständigen Mobilisierung zu Gegendemos, die im Dunkeln durch unbekannte Gebiete/Kieze führen, kann weder erfolgreich sein noch wird sie der Komplexität des Themas und des Problems gerecht.
Zwei konkrete Punkte:
- Natürlich sind wir der Meinung, dass Geflüchtete nicht in überfüllten Lagern, in menschenunwürdigen Bedingungen oder unter der permanenten Bedrohung durch rechte Angriffe bzw. rassistischer Anfeindungen leben sollten. Aber was ist mit unseren Forderungen und unserem Ziel für die Abschaffung des Lagersystems geworden? Bisher gab's keine hörbare Diskussion über das Problem 'Geflüchtete ja, Lager nein', keine kritische Auseinandersetzung, warum und zu welchem Zwecke wir auf die Straße gehen. Natürlich wollen wir nicht, dass Geflüchete in Lagern wohnen müssen! Aber wie nehmen wir in Zukunft Bezug auf diese Problematik und welche Position beziehen wir als AntiFas/AntirRas dazu?
- Wie bereits der erste Punkt zeigte, dass wir eine genauere Differenzierung zwischen Geflüchtete und Lager brauchen, so sind wir der Meinung, dass auch eine präzisere Unterscheidung zwischen der Angst der Anwohner_innen und der Hassideologie von Rechten und Nazis notwendig ist. Warum? Die Stadt Berlin entscheidet Heime in Form von Containerdörfern in Bezirksteile zu setzen, die bisher nur wenig Berührung mit Geflüchteten und POCs hatten. Wahrscheinlich wurde eine solche Entscheidung gefällt ohne sich mit der dort lebenden Bevölkerung und ihren Vorurteilen auseinanderzusetzen. Rechte Parteien und andere Nazigruppen schürren durch ihre Hetze zusätzlich Ängst und Unwissenheit, bieten aber gleichzeitig auch die einzige Artikulationsmöglichkeit für eben jene Ängste. Die Montagsdemos der Nazis haben daher so einen regen Zulauf von Bürger_innen, weil es für sie nämlich keine andere Möglichkeit gibt sich über das Thema zu äußern (bzw. sie denken solche Demos seien das einzige Ventil).
Die Vorstellung und die Generalisierung, dass alle, die das Heim nicht haben wollen, es als Bedrohung empfinden oder Angst vor dem Fremden haben, Nazis und Rassist_innen sind, schrammt unserer Meinung nach an der Realtität vorbei und bedarf einer besseren Unterscheidung wollen wir einen Keil zwischen Anwohner_innen und Nazis treiben. Eine solche Spaltung sollte ein vorraniges Ziel antifaschistischer/antirassistischer Intervention und Aktion sein, um den Nazis einen Zulaufspunkt zu nehmen. Unser Protest kann das nicht nur mit dem Mittel einer großen und wehrhaften Demo, wie schön das auch ist, leisten. Es treibt eher noch mehr verständnislose Menschen in das rechte Lager und führt zu Anfeindungen. Wie schaffen wir es also in unserer Sprache, in unseren Aktionen und Protesten zwischen diesen beiden Gruppen zu unterscheiden? In praktischer Hinsicht muss auch gefragt werden, welche Möglichkeiten es gibt, um die Anwohner_innen den Unterschied zwischen Angst und Hass begreiflich zu machen?
Es braucht neben diesen inhaltlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen auch neue Handlungsoptionen, die eben jene Probleme reflektieren. Im besten Fall entwickeln sich feste Postitionierungen und Strategien die unsere Agieren erfolgreicher machen. Vor allem eine Vielfalt von verschiedenen Widerstandsformen und Aktionsstrategien eröffnet uns mehr Handlungsspielräume und bietet auch mehr Menschen die Möglichkeit aktiv zu werden. Auch Bündnisse mit den Partei-Bezirksgruppen müssen/sollten - trotz vielleicht inhaltlicher Differenzen - in Erwägung gezogen werden, da sie noch eher Kontakt zu den Anwohner_innen haben und eventuell andere Artikulationsmöglichkeiten als die Nazis bieten (beispielsweise Gesprächsabende).
In jedem Fall begrüßen wir eine rege Teilnahme an den nächsten Gegendemos und hoffen, dass solche Jagdszenen wie letzten Montag nicht nochmal passieren (oder wenn dann umgekehrt verlaufen). Denn egal wie scheinbar 'aussichtlos' es wirkt, es ist wichtig antifaschistischen/antirassistischen Protest in alle Teile Berlins (und Brandenburgs) zu tragen und zu bringen. Nicht zuletzt sind diese Demos nicht nur in Solidarität mit bald wohnenden Geflüchteten, sondern mit allen Nicht-Deutschen, POCs, Refugees, Obdachlosen, AntiFas/AntiFas, Hausprojekten und all den anderen Menschen, die eben dort wohnen und die nicht in das rechte Weltbild passen. Nazi-Schlägern konsequenzlos freien Lauf lassen ist keine Option!
Kein Fußbreit den Faschist_innen!
Refugees are Welcome!
Ein paar gesammelte Ideen und Vorschläge:
Mobilisierung:
- rechtzeitig angekündigte Treffpunkte, eventuell auch mehrere zu verschiedenen Uhrzeiten
- SMS-Ketten-Ankündigungen, auch auf anderen sozialen Netzwerken (nicht alle lesen hier regelmäßig)
- Bezugsgruppensammelzeit bzw. feste Bezugsgruppen bilden
- sollten die Proteste weiter andauern: Poster, Stressi, usw.
Öffentlichkeit:
- Bündnisarbeit mit Einrichtungen, Partei-Gruppen, und anderen Bündnissen > Anwohner_innenabende (natürlich mit Nazi-Verbot)
- Flyer für Anwohner_innen (Bezugnahme auf Geflüchtete, Lagersystem, Nazihetze), während der Demo oder auch für die Briefkästen
- Lauti, Megaphon auf der Demo > Ansprachen, Texte vorlesen
Sicherheit:
- Stadtkarten verteilen
- Abfahrtzeiten und - Wege ausmachen
- Handlungsoptionen auf der Hinfahrt diskutieren
- Ansprachen auf der Demo
(bitte ergänzen!)
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 26. November 2014
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7. Februar 2021
Mehr Ideen:
Mittlerweile zeigt sich, dass Sebastian Schmidtke (NPD Landeschef + BVV Treptow/Köpenick) ein wichtiger Teil dieser Demos ist. Er ist zumindest in Marzahn und Köpenick zu Demos immer anwesend. Er berät in Köpenick die Anmelder*innen (auch direkt bei den Bullen) und wird in Marzahn ähnlich eingebunden sein. Dafür scheint er viel Zeit zu haben.
Auch der 'nationale Lauti' gehört der NPD. Er steht normalerweise im Innenhof der NPD.
Diese organisatorischen Strukturen sollten bedacht werden. Sie sind bekannt und nicht unangreifbar.
Selbstorganisation:
Ich kann nur alle auffordern sich selbst zu organisieren. Druckt euch Karten selbst aus! Veröffentlicht eure Treffpunkte doch einfach selbst! Lest nach, wie es um die Nazi-Gemütslage steht und richtet euch darauf ein!
Klar sind nicht alle in Gruppen organisiert, aber es wird langsam Zeit dafür. Vernetzt euch mit den Leuten, die ihr nun seit Wochen sowieso min. 2 mal die Woche trefft, meldet euch bei den Organisator*innen vor Ort und bietet Hilfe an. Die Randgebiete brauchen eure Hilfe, hier ist Eigeninitiative gefragt, denn nicht ständig können die selben Leute eine super Struktur wie am 22.11. stellen.
Mehr Ergänzungen finden sich beim ursprünglichen Artikel auf Indymedia.
Zur Frage, ob die "BürgerInnen" durch Ängste oder Rassismus motiviert sind und wie damit umgegangen werden sollte, gibt es von der Naturfreunde Jugend Berlin eine gegensätzliche Einschätzung, die ebenfalls lesenswert ist.