Ein Nachmittag in Marzahn
Marzahn - Am Freitag den 10.07.2015 wurden die Anwohner eingeladen zu einem 'Tag der offenen Tür' in der zukünftigen Asylunterkunft am Landsberger Tor. Das Containerdorf genannte Lager für Flüchtlinge soll in wenigen Wochen eröffnet werden und ca. 400 Menschen beherbergen.
Seit November 2014 marschieren fast wöchentlich Anhänger der Nazigruppe 'Bürgerbewegung Marzahn-Hellersdorf' an der Kreuzung von Landsberger Allee und Blumberger Damm. Ihr Protest richtet sich dabei vor allem gegen Asylsuchende die bald in den Kiez ziehen werden. Niemals hat eine neonazistische oder rassistische Gruppe es in Berlin bisher geschafft, mit so einer beachtlichen Ausdauer über ein halbes Jahr auf der Straße präsent zu sein. Einzig vergleichbar sind die Demos mit denen von PEGIDA in Dresden. Das Berliner Pendant, BÄRGIDA, versucht seit Anfang 2015 auch wöchentlich Demos zu organisieren, wobei auch einige Nazis aus Marzahn-Hellersdorf dabei sind.
Tag der offenen Tür?
Am Freitag kündigten auch die Nazis von Bürgerbewegung Marzahn-Hellersdorf und NPD an zu kommen. Auch die Mächtergern Hooligans von BÄRGIDA, Enrico Schottstädt und seine Truppe vom Bündnis Deutscher Hools (B.D.H.). Dabei wie immer auch Enrico Schepp, ein Nazi aus Marzahn der sich nach Disput mit den Neonazis der Bürgerbewegung Marzahn-Hellersdorf über mehrere Wochen an der Kreuzung Landsberger Allee Blumberger Damm Kundgebungen durchführte.
Alle genannten Nazis kamen auch am Freitag zum Tag der offenen Tür. Während sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Neonazis der Kundgebung der NPD anschlossen versuchten andere in die Unterkunft zu gelangen. Patrick Krüger (stellvertretender Vorsitzender Partei Die Rechte) und Rene Uttke (Anmelder der Montagsdemos), beide Kader der Bürgerbewegung Marzahn-Hellersdorf gelangten kurzzeitig sogar in die Schlange vor der Unterkunft. Die Polizisten schienen es bewusst auf eine Eskalation angelegt zu haben.
Kein Mob – Aber keine Entwarnung
Wenn auch die Zahl der Nazis und rassistischen Anwohner an diesem Tag relativ gering blieb, so ist das kein Grund für Entwarnung. Dem Haufen von ca. 60 Neonazis standen mehr als 100 Antifas gegenüber, während insgesamt weit über 1000 Marzahner die Unterkunft besichtigten. Die Montagsdemos sind geschrumpft, aber der Gegenprotest gegen die Montagsdemos ist verschwunden.
Die Rest der Neonazis tritt nun immer offener mit ihren nationalsozialistischen Symbolen auf, was die Anwohner wohl davon abhält sich ihnen weiter anzuschließen. Aber weitaus wichtiger dafür, dass die meisten Anwohner sich zurück gezogen haben ist das Gefühl der Frustration, das sie die Unterkunft trotz Protest mit über 1000 Teilnehmer nicht verhindern konnten.
Rene Uttke hat höchstwahrscheinlich 6 scharfe Patronen vor das LaLoKa gepackt. Das LaLoKa wurde als antirassistische Begegnungsstätte und kostenloses Internetcafe für Geflüchtete seit bestehen immer wieder bedroht und angegriffen.
Antifa – Was nun?
Die Unterkunft in Marzahn wird in ein paar Wochen eröffnen und die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Angriffen auf die Unterkunft und Bewohner kommen wird ist extrem hoch. Wenn im Bezirk Nazis mit scharfen Patronen politische Gegnern Morddrohungen ausdrücken, dann ist mit allem zu rechnen.
Die Berliner Antifaszene wirkt dagegen ziemlich verschlafen. Am Freitag fanden sich zwar mehr als Einhundert Antifas ein, der Protest war jedoch spontan und blieb beim herum stehen auf der anderen Straßenseite. Die Nazis dagegen bewegten sich frei, kamen immer wieder heran und versuchten Menschen anzugreifen.
Wenn die Unterkunft eröffnet und es zu Angriffen auf das Lager und die Flüchtlinge kommen sollte braucht es mehr, als ein paar Bezugsgruppen die für einen Nachmittag nach Marzahn fahren. Hellersdorf 2013 ist noch nicht lange her, die tagelangen Proteste und Pöbeleien gegen die Flüchtlinge damals wurden lange nicht ernst genommen.
Organisiert euch, bildet Bezugsgruppen. Informiert euch über Eröffnung des Asylbewerberheims, antifaschistische Aktionen im Bezirk und Mobilisierungen von Rassisten und Nazis!
Fotos von den Nazis findet ihr hier:
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 12. Juli 2015
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