Entschlossener Protest gegen NPD-Aufmarsch in Hohenschönhausen
Am Abend des 29.02.2016 wollte die Berliner NPD einen Aufmarsch durch den Stadtteil Hohenschönhausen im Bezirk Lichtenberg durchführen. Unter dem Motto „Asylflut“ stoppen war er als Teil der gleichnamigen Kampagne geplant, mit der die NPD in den anstehenden Wahlkampf für die Bezirksverordnetenversammlungen und das Berliner Abgeordnetenhaus im September 2016 starten möchte. Doch wie schon beim letzten Mal am 01.02.2016 im Prenzlauer Berg, wurde der Abend zu einem größtenteils peinlichen Desaster für die Nazipartei.
Aufmarsch und Gegenprotest
Insgesamt konnten die rund 100 Neonazis nicht mal die Hälfte ihrer Strecke laufen und wurden mehrere Male durch antifaschistische Interventionen gestört. Bereits die Zahl der Teilnehmenden dürfte die NPD nicht zufrieden gestellt haben. Bei ihnen handelte es sich größtenteils um bekannte Gesichter aus der Berliner und Brandenburger Neonazi-Szene. Menschen aus dem Kiez blieben, entgegen der Schönfärberei in virtuellen Nazi-Kanälen, der Veranstaltung fern und, dass obwohl im Vorfeld massiv in den Plattenbaugebieten Hohenschönhausens für den Aufmarsch geflyert wurde sowie in den vergangenen Wochen und Tagen verstärkt Nazipropaganda in den Straßen auftauchte. Hier zeigt sich, dass rassistische Vorurteile zwar in der Bevölkerung Hohenschönhausens verbreitet sind, wie die Mobilisierungen gegen Unterkünfte für Geflüchtete in der Vergangenheit bewiesen, aber Anwohner*innen dennoch nicht mit der NPD gesehen werden wollen.
Zeitgleich mit dem Beginn der NPD-Veranstaltung um 18:30 auf der Westseite des S-Bahnhofs Wartenberg begann auf der Ostseite die Auftaktkundgebung für eine antifaschistische Demonstration, unter dem Motto “Gemeinsam gegen Rassismus, Refugees welcome!”, durch den Kiez, der sich im Laufe des Abends bis zu 150 Menschen anschließen sollten. Auf diese Weise konnte ein eigenständiges Zeichen für Solidarität im Kiez gesetzt werden. Außerdem verliefen Teile der Demonstration auf der geplanten Nazi-Route, welche so teilweise dicht gemacht werden konnte. Direkt an der NPD-Auftaktkundgebung setzte das Nachbarschaftshaus, wo sich rund 40 Personen zum Protest gegen den Aufmarsch eingefunden hatten, mit einem großen Banner von „Berlin gegen Nazis“ ebenfalls ein deutliches Zeichen gegen Rassismus. Außerdem gab es noch eine Kundgebung der Partei „Die Linke“ mit 30 Teilnehmenden an der Kreuzung Zingster Straße/Ribnitzer Straße, wo die NPD ebenfalls eine Kundgebung angemeldet hatte.
Im Stadtteil gab es somit viele Anlaufpunkte für einen vielfältigen Protest. Ein erstes Zeichen konnte dabei vom ankommenden Vortreffpunkt gesetzt werden, der kurzzeitig den S-Bahnhof Wartenberg blockieren konnte und damit die Anreise der Nazis erschwerte. Allerdings setzte die Berliner Polizei massive Gewalt ein, um die Blockade aufzulösen, wobei mindestens eine Person leicht verletzt wurde. Nach der Auflösung wurden die ehemaligen Blockierenden auf die Kundgebung zur Ostseite des Bahnhofs geschleust und ihnen für den weiteren Verlauf des Abends jeglicher Zugang zur anderen Bahnhofsseite verwehrt. Die Berliner Polizei verfolgte somit das bekannte Konzept der weitläufigen Raumtrennung, um der NPD einen möglichst störungsfreien Versammlungsablauf zu garantieren.
Womit sie allerdings nicht gerechnet haben, waren die 50 Personen, die gegen 18:45 kurz vor Abmarsch der Neonazis, den vorderen Teil der Ribnitzer Straße und damit den Beginn der Aufmarsch-Route mit einer Sitzblockade dichtmachten. So konnten die Nazis nicht mehr wie geplant loslaufen und mussten im Endeffekt über einen schmalen Parkplatz an der Blockade vorbei geführt werden. Ab diesem Punkt lief der Aufmarsch leider etwas störungsfreier, wobei zahlreiche Anwohnende aus ihren Balkonen oder auf der Straße den Nazis die Meinung geigten.
Der Aufmarsch war bereits zu diesem Zeitpunkt ein ziemlicher Flop. Die NPD konnte in einem sehr dicht bewohnten Gebiet kaum Menschen zu ihrer Veranstaltung mobilisieren und der gleichzeitig war der Gegenprotest sowohl zahlenmäßig größer als auch breiter wahrnehmbar. Doch den Todesstoß versetzen sich die Nazis selbst als kurz vor der Falkenberger Chaussee auf einmal ihr Lautsprecherwagen aus dem Motorraum stark zu qualmen begann. Sie versuchten zwar noch, den Fehler zu finden oder den Lauti zu schieben, doch alles erwies sich als sinnlos. Damit endete der NPD-Aufmarsch nach nicht mal der Hälfte der Strecke und unter dem Spott der nun wieder zahlreich anwesenden Antifaschist*innen musste sich der Nazi-Haufen nach Hause trollen.
Alles in allem ein Erfolg
Insgesamt kann der gesamte Abend als Erfolg für die antifaschistische Mobilisierung gesehen werden. In Anbetracht der bisher geringen Antifa-Beteiligung in Hohenschönhausen (meist 30 bis 50 Menschen bei Gegenprotesten) und generell schwächelnder Antifa-Mobilisierungen waren die 300 Antifaschist*innen, die sich an einem verregneten Montag nach Hohenschönhausen begaben ein positives Zeichen. Mit rund 300 Teilnehmer*innen waren ungefähr dreimal soviele Leute auf den unterschiedlichen Gegenveranstaltungen wie auf dem NPD-Aufmarsch. Die Nazis konnten durch mehrere (auch kleinere) Blockaden effektiv gestört werden und aufgrund ihrer versagenden Technik und der antifaschistischen Demonstration auf ihrer Route nicht mal die Hälfte ihrer geplanten Strecke laufen. Dennoch bleiben noch einige weniger erfreuliche Punkte: die Berliner Polizei hat durch massive Gewaltanwendung wieder einmal gezeigt, dass sie bereit ist, den Nazis ihren Weg mit allen Mitteln frei zu boxen. In diesem Zuge wurden vier Menschen kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Insgesamt wirkten die Bullen allerdings relativ planlos, so dass mit mehr Menschen im Kiez der Abbruch der Demo aus eigener Kraft (und nicht dank der schlechten “deutschen Wertarbeit”) möglich gewesen wäre. Deswegen der Appell: Raus aus der Innenstadt und rein in die Randbezirke!
“Zivilgesellschaft”, Anwohnermobilisierung, Antifa-Praxis
Genauso wichtig, wie Antifaschist*innen zur Reise in die Randbezirke aufzurufen, ist mitzudenken, dass dies alles nichts bringt, wenn mensch kein Konzept in der Tasche hat. Hätte es die Antifa-Demo nicht gegeben und hätte diese nicht einen unmittelbaren Zweck erfüllt, hätte mensch den Gegenprotest postwendend in den Polizeikessel gelotst. Es kommt also darauf an, dass sich Bezugsgruppen nicht bloß zu den öffentlichen Anreisetreffpunkten begeben, sondern sich auch anderweitig zusammenschließen, den Berechnungen der Polizei zu entgehen um letzten Endes zu blockieren. Auch wenn der Neu-Hohenschönhausener Kiez, nicht den strategischen Vorteil eines „einfach zu blockierenden“ Altbaukiezes mit engen Straßen bieten mag, so ist die Gegend dennoch nicht so weitläufig wie Marzahn. Für ein Plattenbauviertel sind die Gegebenheiten für Blockaden also weitaus günstiger.
Während es in Pankow bei größeren rechten Aufmärschen die Gegenkundgebungen mit zunehmender Eigendynamik durch Parteien und Vereine gestellt wird, liegt dieser Bereich teils vollkommen brach. Weder die Lichtenberger „Zivilgesellschaft“ interessiert sich für diesen Teil des Großbezirks, noch sind relevante Mobilisierungen bei den lokalen Parteistrukturen zu bemerken. Die Konsequenz aus dieser „Wahrnehmungsstörung“, die Nazis im Großbezirk Lichtenberg lediglich im Weitlingkiez verortet, kann nur der Aufbau tragfähiger antifaschistischer „Zivilgesellschaftsstrukturen“ in Hohenschönhausen sein. Außerdem müssen wir im Viertel direkter an die Leute herantreten, Flyer Verteilen etc. Die Unmutsbekundungen gegenüber der NPD, seitens einiger Anwohner*innen zeigt, dass es Menschen gibt die für unser Anliegen ansprechbar sind.
Alles in allem konnte jedoch nach den Versuchen in Johannisthal und Prenzlauer Berg erneut ein Aufmarsch der „Asylflut stoppen“-Kampagne nicht wie geplant zu Ende geführt werden. Die ganze Kampagne dürfte damit langsam so im Eimer sein- wie der NPD-Lauti.
An dieser Stelle wollen wir allen Danke sagen die am 29. Februar mir uns auf der Straße waren. Lasst uns den Rassist*innen von NPD, AfD, Pro-Ablegern und anderen offensiv entgegengetreten! Der Wahlkampf für das Berliner Abgeordnetenhaus im September 2016 läuft gerade erst an. Nutzen wir unser Möglichkeiten. Denn Ein gut geführter Abwehrkampf kann auch eine Offensive sein.
Nationalismus ist keine Alternative!
Solidarität statt Hetze!
North-East Antifascists [NEA] – März 2015
Fotos: Theo Schneider; Indymedia
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 7. März 2016
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