Pankow-Buch: 8. Mai 2019 - Ganztägiges Gedenken an die Befreiung
Am 8. Mai 2019 gedachten über den gesamten Tag rund 100 Menschen am Sowjetischen Ehrenmal in Pankow-Buch dem 74. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Die Kundgebung wird nun schon seit einigen Jahren in dieser Form von DIE LINKE. Pankow, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) Pankow & den North-East Antifascists [NEA] organisiert. Diese Veranstaltung steht für uns seit jeher für eine aktive Gedenkarbeit. Das bedeutet einerseits der Befreiung zu gedenken, diese aber auch in einen aktuellen Kontext einzubetten und auch heute gegen Faschismus und Rassismus in jeder Form einzutreten. Pankow-Buch ist seit Jahren ein Hotspot rechter Aktivitäten. Die NPD Pankow beansprucht den Nord-Berliner Stadtteil als ihre „Home-Zone“ und die AfD fuhr hier während der letzten Bundestagswahl 2017 Ergebnisse zwischen 25% und 30% ein. Das Gedenken findet also genau am richtigen Ort statt.
Buch: Aktionsschwerpunkt für Pankower Neonazis
Pankow-Buch gehört traditionell zu den Schwerpunktgebieten der Pankower Neonazis. Der Pankower NPD-Kreisverband (KV8) war bis ca. 2013 fast vollständig inaktiv, sein vorheriges Aktionsgebiet waren Pankow, Heinersdorf und Niederschönhausen. Mit dem Zuzug von Christian Schmidt nach Pankow-Buch änderte sich dies. Dieser begann, neues „Personal“ für den Kreisverband in den lokalen, unorganisierten jugendlichen Nazi-Cliquen zu rekrutieren. Diese waren zuvor durch vereinzelte Sticker-Aktionen aufgefallen, ihre selbstgemachten Aufkleber hatten dabei zumeist NS-verherrlichenden Charakter. Zu den Erfolgen, die von nun an von Seiten der Nazis erzielt werden konnten, gehörten die rassistischen Proteste gegen die 2014 eröffnete Geflüchtetenunterkunft in der Groscurthstraße. Solche fanden damals in ganz Berlin statt, neben Buch, auch in Hohenschönhausen, Marzahn und Köpenick. Nach antifaschistischen Protesten und Blockaden mussten die Demonstrationen aufgegeben werden. Zeitgleich dazu fiel die Pankower NPD immer wieder durch körperliche Angriffe und Bedrohungen gegenüber Linken, SPD’ler*innen und Menschen auf, die die Nazis als „nicht-deutsch“ kategorisiert hatten. Den Höhepunkt der Angriffe bildete 2016 der Brandanschlag auf die Unterkunft für Geflüchtete. Auch das Bürgerhaus Buch sah sich immer wieder Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt, insbesondere 2015 während einer Veranstaltungsreihe zu Flucht & Migration.
Aktionen außerhalb von Pankow-Buch blieben die Ausnahme und waren eher erfolglos. Ausflüge gab es beispielsweise 2014 nach Weißensee gegen eine dortige Unterkunft für Geflüchtete oder 2016 nach Prenzlauer Berg durch eine Kundgebung mit Pseudo-Kritik an Gentrifizierung. Eine Demo der NPD am 1. Februar 2016 durch Weißensee konnte sogar ganz verhindert werden.
In Buch selbst sind in den letzten zwei Jahren nur noch einzelne Kleinst-Kundgebungen von Seiten der NPD Pankow organisiert wurden, welche nur noch durch ihr eigenes Klientel bespielt wurden. Eine Anknüpfung an ein eher bürgerliches Spektrum ist nach 2014 nicht mehr gelungen. Das Klima in Pankow-Buch ist allerdings weiterhin, insbesondere für nicht-weiße Menschen, bedrohlich.
Der 8. Mai in Pankow-Buch – Zwischen Nazi-Stress und Polizeidummheit
Seitdem wir uns aktiv an der Organisation der Gedenkveranstaltung beteiligen, haben wir mit vielen Widrigkeiten von Seiten der örtlichen Neonazis, aber auch der Behörden zu kämpfen. Für die lokalen Nazis stellen die Gedenkveranstaltungen seit Beginn eine große Provokation dar, was immer wieder zu Störversuchen führte. Schon 2014 versuchten Nazis, die Teilnehmer*innen der Gedenkveranstaltung zu provozieren, indem sie durch die Kundgebung liefen. Im Jahr darauf beschmierten sie das Denkmal mit geschichtsrevisionistischen Inhalten und hielten eine eigene Kundgebung davor ab. Ebenfalls in diesem Jahr hatten wir auch mit polizeilicher Repression zu tun: so wurde eine Person auf dem Rückweg wegen angeblichem Stickerkleben am S-Bahnhof festgenommen. Dabei griff die Polizei mehrere Antifaschist*innen an. Mit einer eigenen Kundgebung vor dem Sowjetischen Mahnmal schaffte es die Pankower NPD 2016, einen Skandal zu produzieren. Die Polizei sprach allen Ernstes den Neonazis das Erstanmelderrecht zu, wodurch das Denkmal den gesamten Tag blockiert war. Selbst Druck von Seiten von Parlamentarier*innen wie Elke Breitenbach und Hakan Taş (DIE LINKE.) konnte die Polizei nicht davon abhalten, ein würdiges Gedenken unsererseits zu verunmöglichen. Erst nach langer Diskussion wurde wenigen Teilnehmer*innen des Gedenkens erlaubt, unter dem hämischen Grinsen der Nazis Blumen vor dem Mahnmal abzulegen. Dabei mussten sich die Antifaschist*innen von den Neonazis abfotografieren lassen. 2017 konnte das Gedenken wieder regulär vor dem Mahnmal stattfinden. Jedoch ließ die Polizei die NPD Pankow nur wenige Meter von uns ebenfalls eine Kundgebung abhalten, welche immer wieder durch laute Geräusche und „Musik“ das Gedenken gezielt störte. Letztes Jahr überließ die Polizei dann schon wieder den Nazis das Denkmal. Eine Wiederholung von 2016 kam für uns nicht in Frage, sodass die antifaschistische Gedenkveranstaltung ins Bürgerhaus Buch verlegt wurde. Da die Nazis nicht wussten, wann und ob wir zum Denkmal kommen, begannen sie ihre Kundgebung auf gut Glück bereits am Mittag. Umringt von Gittern und eine Baustelle standen die Nazis einige Stunden in der Sonne. Gelangweilt von sich selbst gingen sie zum Bucher Bürgerhaus, um dort noch einen Versuch der erfolglosen Provokation zu unternehmen. Zeitgleich wurde jedoch das Ehrenmal durch Antifaschist*innen besetzt und die Teilnehmer*innen der Veranstaltung im Bucher Bürgerhaus kamen ebenfalls herüber. So konnten wir unser Gedenken würdig vor dem Sowjetischen Ehrenmal durchführen und den Nazis, aber auch der Polizei zeigen, dass wir uns nicht vorschreiben lassen, wie wir der Befreiung gedenken. Die NPD Pankow tobte sich im Nachhinein wieder auf Twitter aus. Auch wurden, wie jedes Jahr, nach dem Gedenken die am Ehrenmal niedergelegten Kränze und Blumen gestohlen und in der Umgebung verteilt. Dies wurde jedoch zeitnah von Genoss*innen vor Ort in Ordnung gebracht, welche die Blumen und Kränze wieder vor das Mahnmal legten.
2019 – Ein Tag im Zeichen der Befreiung
Dieses Jahr konnten wir regulär unsere Gedenkveranstaltung vor dem Sowjetischen Ehrenmal planen. Durch die Erfahrungen der Vorjahre entschieden wir uns, vor dem Mahnmal eine ganztätige Kundgebung abzuhalten. Einerseits, um die NPD davon abzuhalten, dort aufzutauchen, aber auch, um den Menschen am gesamten Tag die Möglichkeit zu geben, ein Gedenken durchzuführen. Im laufenden Jahr hatten sich die Pankower Nazis eher ruhig verhalten und ihr Programm scheinbar heruntergefahren. Da die NPD jedoch auch zur Europawahl antritt und das Gedenken den Nazis seit jeher ein Dorn im Auge ist, war mit Aktionen von eben jenen zu rechnen. Direkt zu Beginn des Wahlkampfes wurden in Buch, insbesondere rund um den S-Bahnhof, aber auch vor dem Sowjetischen Ehrenmal, NPD-Plakate aufgehangen. Dazu zeitgleich auch in Karow, was nochmals verdeutlicht, dass die NPD trotz eher schlechter Ausgangslage die beiden Stadtteile weiterhin als ihre Kieze beansprucht. In der Nacht vom 06. auf den 07. Mai wurde dann ein Farbanschlag auf das Ehrenmal verübt, indem es mit schwarzer Farbe übergenossen wurde. Im Auftrag des Bezirksamtes wurde dieses jedoch am Morgen des 8. Mai gereinigt und die Farbe war zu Gedenkveranstaltung nicht mehr zu sehen. Bereits um 10:30 Uhr fand eine erste Kranzniederlegung von verschiedenen Parteien statt. Zudem war eine kleine Ausstellung mit Bildern zur Befreiung aufgestellt, es gab einem Info-Stand und Musikprogramm. Die NPD Pankow hatte im Vorfeld „kreative Aktionen“ angekündigt. Neben den bereits erwähnten NPD-Plakaten tauchten im Umfeld noch weitere Nazi-Plakate auf, welche sich gegen den 8. Mai als Tag der Befreiung richteten. Zur Kranzniederlegung am Vormittag sang der Bucher Frauenchor, währenddessen störten die beiden Nazis der NPD Pankow Christian Schmidt und Stefan Seidel die Gedenkveranstaltung durch das Rufen von antikommunistischen Parolen und versuchten damit die Teilnehmer*innen des Gedenkens zu provozieren. Die Polizei reagierte nur widerwillig und hielt die Beiden erste nach Aufforderung auf Abstand. Sie gingen dann wieder und kündigten an, um 14:00 Uhr mit „Verstärkung“ wiederzukommen, wurden danach aber nicht mehr in Buch gesehen. Zwischenzeitig erschien Ronny Döbel kurz, nur um ebenfalls wortlos wieder zu verschwinden. Die Veranstaltung den Tag über wurde von Passant*innen genutzt um ins Gespräch zu kommen oder selbst kurz der Befreiung zu gedenken. Gegen 17:00 Uhr begann die große Gedenkveranstaltung. Wie auch in den Jahren zuvor sangen mehrere Chöre. Nach Redebeiträgen von Stefan Liebich & Elke Breitenbach (DIE LINKE.), dem Bucher Kinderarzt Dr. Rosen von IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges), den North-East Antifascists [NEA], dem VVN-BdA Pankow und dem Roten Stern Berlin zu dem von den Nazis als Sinto verfolgten Boxers Johann „Rukeli“ Trollmann, wurden Blumen und Kränze abgelegt und eine Schweigeminute abgehalten. Abschließend sang der Chor der Stillen Straße. Während der Veranstaltung versuchte ein lokaler Neonazi, durchgelassen von der Polizei, sich unter die Kundgebung zu mischen. Dieser gab sich als unbescholtener Bürger, welcher ebenfalls aus dem Umfeld der NPD Pankow kommt (Foto: Störung der Dieter Eich Demo 2012, 2. v.rl) Als Antifaschist*innen ihn dann aus der Kundgebung entfernen wollten, stellte sich die Polizei schützend um ihn und ermöglichte ihm somit eine Zeitlang die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung. Er zog jedoch relativ schnell von alleine wieder ab. Nach Ende der Veranstaltung tauchte noch ein weiterer aggressiver Neonazi auf, welcher von der Polizei jedoch abgedrängt wurde. Die Polizei in Buch blieb sich also ebenfalls treu und zeigte wenig bis gar keine Sensibilität für dieses historische Datum.
Pankow-Buch – Was bleibt?!
Bei einem aktiven und kämpferischen Gedenken können wir uns letztendlich nur auf uns selbst verlassen. Das Gedenken konnte erfolgreich den ganzen Tag durchgeführt werden und die Störungen von Nazis sind, im Verhältnis zu den Vorjahren, kaum der Rede wert. Ein erfolgreiches Gedenken kann auch hier nur durch eine solidarische Zusammenarbeit von verschiedenen lokalen Akteur*innen gelingen. An dieser Stelle sei nochmals allen Beteiligten für die Unterstützung gedankt.
Auch wenn die Aktionen der Nazis rund um den 8. Mai sich auf niedrigem Niveau bewegt haben, darf dies nicht über das rassistische Klima im Alltag hinwegtäuschen. Bei der EU-Wahl 2019 holte die AfD im Osten des Stadtteils zwischen 21 & 23%. Wir müssen weiterhin in Buch und Karow präsent sein und vor allem unsere eigenen Inhalte pushen. Die AfD stellt für die sozial Deklassierten keine Alternative dar. Sie ist und bleibt eine Partei der Bonzen, die – wenn überhaupt – Klassenkampf nur von oben betreibt. In diesem Sinne: Für einen selbstbewussten Antifaschismus und Antikapitalismus – Es gibt keine Alternative zur Revolution.
Erinnern heißt kämpfen!
Siempre Antifascista!
Kein Raum der AfD & NPD
North-East Antifascists [NEA] – Juni 2019
Gedenkveranstaltung in Buch zum Tag der Befreiung
Der 8. Mai steht wie kein anderer Tag für die Befreiung vom Nationalsozialismus und den Kampf gegen Faschismus. Deshalb haben wir auch in diesem Jahr den Tag zum Anlass genommen, aller Opfer und Verfolgten des Faschismus würdig zu gedenken, den Befreier*innen zu danken, aber auch, um zu mahnen und dem erneuten Aufkeimen von rechten und rassistischen Kräften gemeinsam entgegenzutreten.
Auf der Gedenkveranstaltung am Sowjetischen Ehrenmal in Buch sprachen u.a. der Pankower Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich, die Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach und der Pankower Bezirksverordnete Max Schirmer (alle DIE LINKE).
Quelle: www.die-linke-pankow.de/politik/aktionen/gedenkveranstaltung-in-buch-zum-tag-der-befreiung/
Fotos: 08.05.2019 – Gedenken an die Befreiung in Berlin-Buch (Oskar Schwartz)
Ankündigung: 8. Mai 2019 – Gedenken an die Befreiung in Pankow-Buch
Fotos: DIE LINKE. Pankow & Oskar Schwartz
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 13. Juni 2019
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