… Frank Hansel hat mitgeschossen

13. April 2020 | News Redaktion

Dass der Faschismus am 19. Februar in Hanau erneut zur Waffe griff und der Mörder dabei neun Menschen und seine Mutter sowie sich selbst erschoss, empört uns nicht. Denn Empörung wäre nur ein kurz anhaltendes passives Gefühl, welches davon ausgeht, dass der Zustand vor diesem Ereignis in Ordnung gewesen wäre.

Es empört nicht, es macht uns wütend, dass Sedat G., Hamza K., Kalojan W., Faith S., Ferhat Ü., Mercedes K., Gökhan G., Vili Viorel P., Said Nessar H. auf diese Weise von ihrer Familie und ihren Freund*innen fortgerissen wurden. Wir leben in einem Zustand, in dem Rassismus alltäglich ist. In einem System, das feindlich zur puren menschlichen Existenz ist. In dem alle seine Bestandteile Verwertungsdruck, Konkurrenz und Behauptung derart inhaliert haben, dass wir gar nicht darum herum kommen, Hass auf das Bestehende, ihre Vertreter*innen und die Gleichgültigen zu entwickeln. Wir können nicht unseren Frieden damit machen, weder erwarten noch fordern wir etwas von den Herrschenden.

Es ist offensichtlich, dass die deutsche Gesellschaft nach einer weitgehenden Nicht-Reaktion zur Aufdeckung des NSU, pausenlosen Angriffen auf Lager für Asylsuchende und einigen spektakulären Ausrastern sogenannter „Einzeltäter“, auch nicht Willens und emotional bereit ist, auf die Morde von Hanau eine Antwort zu geben. Geschweige denn auf die Situation an den abgeschotteten Außengrenzen Europas. Eingelullt von Pegidamärschen und Coronakrisen, träumt der*die Deutsche von wieder vollen Regalen in Supermärkten und Gedrängel in Biergärten. Wenn es nun jene gibt, die durch Hanau aufgerüttelt wurden, selbst aktiv zu werden, dann ist das gut so, so lange es nicht bei einem kurzen Gefühl der Verantwortungsübernahme bleibt. Als Anarchist*innen werden wir daher immer auch den sozialen Frieden im Visier haben, wenn wir ihre Zufriedenheit mit unseren Feuern auflösen.

Die Bedeutung antifaschistischer Gegengewalt ist unverändert. Keineswegs ist der Zusammenschluss mit den restlichen bürgerlichen Parteien eine Option, wie es manche Linke glauben. Im Gegenteil hat die Entscheidung mancher antifaschistischer Gruppen, sich auf breite bürgerliche Bündnisse einzulassen, um damit vermeintlich mehr Stärke gegen den Faschismus zu entwickeln, stattdessen zu unserer Schwächung beigetragen; das Konfrontationsniveau wurde abgesenkt, um einen Aktionskonsens (besonders bei Demos) mit der „Zivilgesellschaft“ zu erlangen. Dadurch wurden sogar Distanzierungen einiger staatstragender antifaschistischer Gruppen von Brandanschlägen auf Naziautos möglich.

Eine gute Recherche ist unverzichtbare Voraussetzung für zielgerichtete Angriffe auf Nazis wie die AfD. Dabei geht es nicht um Strafe oder Erziehung mittels Gewalt. Was zählt sind materielle Schäden ihrer Struktur und Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit. Wir finden, dass Outings in der Regel erst nach einer direkten Intervention erfolgen sollten. Die Auflösung offener Strukturen wie der AfD durch antifaschistische Interventionen kann Leben retten, weil sie in der deutschen Gesellschaft der Legitimation zum Morden den Boden bereitet, einen strukturellen Rahmen dafür bietet und durch ihre Hetze an (Staats-)Gelder kommt, um damit weitere Hetze zu finanzieren.

Gleichzeitig können sich Antifaschist*innen die Bedingungen nicht aussuchen, unter denen sie ihre Tätigkeiten entwickeln. Die Erfahrungen aus der Weimarer Republik – zögerliche Haltung der KPD und anderer antifaschistischer Kräfte, die durchaus vorhandenen Waffen und Mittel gegen die aufkommende Diktatur einzusetzen – belegen die These, dass Angriffe auf rechte Strukturen nicht an unser persönliches Risiko oder Erfolgsprognosen gekoppelt sein dürfen. Es gibt nicht den einen richtigen Zeitpunkt, Faschismus zu bekämpfen oder sich sonst eher anderen (vermeintlichen) Teilbereichskämpfen zu zu wenden. Auf bessere Zeiten zu warten, wäre ein falsches Signal und sie werden auch nicht kommen. Eher wird sich der (soziale) Krieg in der Phase nach Corona noch verschärfen.

Der AfD-Vorstand und Abgeordnete Frank Hansel wohnt in der Eisenacher Str. 3 in Schöneberg und fuhr einen Jaguar mit dem Kennzeichen B-FH 933. Diesen haben wir am frühen Morgen des 6. April 2020 an der Stelle angezündet, an der Georg v. Rauch 1971 bei einem Feuergefecht mit der Polizei getötet wurde; wir wollten schon lange mit einer Aktion an dieses Ereignis erinnern – danke für deine Luxuslimousine, Hansel du Arsch!

Erstveröffentlichung auf Indymedia am 9. April 2020

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