Schon wieder Wahlkampf in Berlin
2024 wird als Super-Wahljahr bezeichnet. Es stehen Kommunalwahlen in vielen Bundesländern, überall Europawahl und im September Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. Und, kaum zu glauben... auch schon wieder Wahlkampf in Berlin.
Wiederholung der Bundestagswahl in manchen Wahlbezirken
Am 11. Feburar 2024 werden die Wahlen zur Bundestagswahl aus dem Jahr 2021 in rund 20% der Wahlbezirke in Berlin wiederholt (1). Nochmal gewählt wird, weil die Wahlen 2021 so schlecht organisiert und von Pannen geprägt waren, dass sich das in manchen Wahlkreisen auf das Ergebnis ausgewirkt haben könnte - weil Leute nicht stundenlang warten wollten oder ihre Wahlzettel schlicht falsch und damit ihre Stimme unfreiwillig ungültig war.
Auch wenn es sich nicht um ganze Wahlkreise handelt, können die Wiederholungswahlen durchaus "Mandatsrelevanz" haben. Das heißt, sie können sich auf das Wahlergebnis und die Zusammensetzung des Bundestages auswirken. Bisher sah es so aus, dass die SPD bei rund 23,5% lag, die Grünen bei 22,5%, die CDU 2021 bei rund 16%, Die Linke bei 11,5%, die FDP bei 9% und die AfD bei 8,5%. Die Direktmandate teilten sich Die Linke, die Grünen, die SPD und die CDU (2).
Warum sollten die Wahlen uns Antifaschist*innen scheren?
Für die Parteien ist so eine Wahl - gerade im Winter - natürlich Arbeit. Vor allem ist es aber ein Anlass, mit der eigenen Propaganda in die Öffentlichkeit zu treten. Daher sehen wir gerade wieder vermehrt Wahlkampfstände und auch schon wieder Wahlplakate. Schon die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl (die wurde ja vollständig wiederholt, dazu der Beitrag /news/1820-wieder-wahlkampf-in-berlin) hat sich für die CDU und rechten Teile der SPD positiv ausgewirkt. Sie konnten im Vergleich zur eigentlichen Wahl mehr Stimmen holen und eine neue Koalition . Wie das nun bei der örtlich eng begrenzten Wiederholung der Bundestagswahl aussieht, ist offen. Es wird wohl viel darum gehen, ob die Parteien ihre eigenen Leute mobilisiert bekommen.
Ob uns Parteipolitik interessiert oder nicht können Wahlen an Antifaschist*innen nicht spurlos vorbeiziehen. Denn es sind immer auch Hochzeiten der Politisierung und Propaganda. Auch wenn die Wahlkampfbudgets dieses Mal wohl besonders klein ausfallen, bekommt die Parteipolitik besonders viel Raum in der Öffentlichkeit: Den Parteipolitiker*innen wird eine größere Bühne geboten, es gibt Sondererlaubnisse für Parteiwerbung und häufig zugespitzte Diskurse. Wenn die Rechten aufdrehen, müssen wir bereit sein, ihnen entgegenzutreten.
Wer sind die AfD-Kandidat*innen?
Die AfD muss wie alle Parteien mit ihren Kandidat*innen von 2021 antreten. Das ist diesmal besonders peinlich für die AfD, da Birgit Malsack-Winkemann, immerhin eine Richterin, mittlerweile wegen Terrorverdachts im Lichtenberger Frauengefängnis einsitzt (3). Sie soll sich am rechten Terrornetzwerk / "Putschversuch" der sog. Patriotischen Union beteiligt haben. Doch wer ist noch dabei?
Platz 1 - Beatrix von Storch
Bundestagsabgeordnete seit 2017, Mitgründerin der AfD (Wahlalternative 2014), europaweite Netzwerkerin (Zivile Koalition, Allianz für den Rechtsstaat, BürgerKonvent), Anführerin der klerikalen Fraktion, die zwar innerhalb der AfD schon länger an Bedeutung verliert, aber auf der Straße sehr mobilisierungsstark ist (1000-Kreuze-Märsche, Demo für Alle). Storchs heutiges Vermögen kommt stilecht aus der NS-Zeit, sie ist eine Enkelin des Reichsfinanzministers Graf Schwerin von Krosigk, der für die Plünderung jüdischer Vermögen als Kriegsverbrecher verurteilt wurde und danach für den BND arbeitete (damals Organisation Gehlen). Storch hat Personenschutz durch das BKA, seit sie im Bundestagswahlkampf 2017 eine Torte ins Gesicht bekommen hat.
Storchs Wahlkreisbüro befindet sich im Hochparterre des Wohnhauses Zionskirchstraße 3 in Mitte, genau wie das Büro ihres Vereins Zivile Koalition.
Auf Platz 2 ist Gottfried Curio
Kurzzeitig Abgeordneter in Berlin, dann 2017 in den Bundestag gewechselt. Er ist ein Scharfmacher und beim AfD-Fußvolk einer der beliebtesten Redner. Parteimitglied seit 2014, beruflich Forschung und Lehre zu Theoretischer Physik an HU Berlin und LMU München.
Curios Wahlkreisbüro befindet sich in einem Bürohaus in der Komturstraße 58-62 in Tempelhof.
Auf Platz 3 ist Götz Frömming
Bundestagsabgeordneter seit 2017, gehört zum Dunstkreis des Flügels, vorher Lehrer am Lessing-Gymnasium in Mitte.
Frömmings Wahlkreisbüro befindet sich in einem Bürohaus in der Kirchstraße in Rosenthal.
Auf Platz 4 ist Georg Pazderski
Bundeswehroffizier a.D., kommt aus der schrumpfenden nationalkonservativen Ecke der AfD, war einige Jahre Landesvorsitzender der Berliner AfD, aber wurde vom Flügelnetzwerk rausgedrängt.
Und auf Platz 5 ist eben Birgit Malsack-Winkemann.
Bundestagsabgeordnete bis 2021, vorher Richterin am Landgericht Berlin, gehört zum Flügelnetzwerk. Festnahme im Dezember 2022, aktuell wohnhaft in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Lichtenberg und als Mitverschwörerin der bewaffneten "Gruppe Reuß" angeklagt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. In den Putschplänen der "Gruppe Reuß" war sie als Justizministerin vorgesehen.
Außerdem tritt die AfD mit verschiedenen Direktkandidat*innen in den einzelnen Wahlkreisen (entspricht ungefähr den Bezirken) an. Hier ist jedoch kaum zu erwarten, dass sie einen neuen Wahlkreis holt. Überhaupt interessant dürfte es nur in Reinickendorf (bisher CDU, dahinter SPD), Charlottenburg-Wilmersdorf (bisher SPD, dahinter CDU) und Pankow (bisher Grüne, dahinter SPD) werden. Weitere Infos zu den Kandiat*innen finden sich hier: https://noafd.info/bundestag/
Was erwartet uns? Und was können wir tun? Aktiv werden!
Die Berliner AfD hat sich nach Jahren des Konflikts und Versagens mittlerweile auf niedrigem Niveau gefangen. Sie schafft es wieder, Parteitage und Treffen durchzuführen. Mittlerweile kann sie auf eine Handvoll an Orten zurückgreifen, die sich nicht damit stören, Rechten eine Infrastruktur zu bieten (https://keinraumderafd.info/). Im Jahr 2023 waren das insbesondere:
- in Hönow das Restaurant Mittelpunkt der Erde
- der Bürgersaal Rathaus Charlottenburg
- in Reinickendorf das Restaurant Maestral
- das Restaurant Grüne Lampe in Charlottenburg
In den genannten Länden finden regelmäßige Stammtische der Bezirksverbände und abwechselnd auch der landesweite Stammtisch (jeden 1. Donnerstag im Monat) statt. Es gibt auch noch andere, wo aber eher sporadisch Veranstaltungen stattfinden (z.B. Standbad Lübars, das ehemalige Wasserwerk am Hohenzollerndamm und das bezirkseigene “Hans-Söhnker-Haus” in Steglitz). Zudem hat die Partei eigene größere Räumlichkeiten in Reinickendorf: Die Bundesgeschäftsstelle ist seit Mitte 2023 in der Wallenroder Straße Ecke Eichhorster Weg in einem Bürogebäude. Dort hat die AfD einen großen Teil der Räume angemietet (4, 5). Die Landesgeschäftsstelle ist weiterhin an einem eigenen Standort in der Kurfürstenstraße 79 in Tiergarten.
Im Jahr 2024 scheint die AfD als extrem rechte, rassistische, antifeministische, queerfeindliche, sozialchauvinistische und antidemokratische Partei immer normaler. Ihre Existenz allein scheint kein Skandal mehr zu sein. Vielleicht lässt sich der Fall Malsack-Winkemann (s.o.) noch skandalisieren - aber darauf können wir uns angesichts bundesweiter Umfrageergebnisse nicht mehr verlassen.
Daher gilt es, sich wieder mehr direkte mit der AfD auseinanderzusetzen und an ihren wunden Punkten zu treffen: Treffpunkte (Immobilien), Propaganda (Plakate, Wahlkampfstände, Veranstaltungen usw.) und Funktionär*innen. Zeigen wir der AfD, dass niemand sie mag. Einige hilfreiche Tipps wurden schon an verschiedenen Stellen aufgeschrieben (6, 7). Meldet Aktivitäten, wie (Schul-)Veranstaltungen, gern unter dem #afdkaputt und schließt euch zusammen!
Wer selbst aktiv werden will, bekommt hier ein paar konkrete Vorschläge.
1) Plakate sabotieren
Rechte Propaganda wollen wir nicht auf der Straße, deshalb geben wir euch Ideen zur Verzierung an die Hand. Packt ein volle Spraydose und ein Fat Cap ein und übermalt oder kommentiert Großplakate. Diese sind oft an großen und dicht befahrenen Straßen zu finden. Absolut wichtig ist daher im Team unterwegs zu sein: denn wer malt, kann nicht auf die Straße schauen.
Wahlplakate rechter Pateien hängen oft strategisch weit oben, was uns vor Herausforderungen stellt. Hierfür bieten sich Drucksprüher für Pflanzen aus der Gartenabteilung des Baumarktes eures Vertrauens an. Die Düse richtig eingestellt und die Flasche mit einem Farb-Wasser Gemisch befüllt, könnt ihr auch Plakate in weiterer Distanz problemlos unkenntlich machen. Diese Drucksprüher lassen sich gut im Rucksack oder Beutel transportieren, sodass ihr von außen wie Spaziergänger wirkt.
2) Wahlkampfstände
Störaktionen an Wahlkampfständen werden in (6) bereits super beschrieben. Wer sich in die Diskussion begeben will, sollte sich vorher gut überlegen was angesprochen werden soll. Denn die Wahlkämpfer*innen der AfD haben alle Argumentationstrainingsbekommen. Ansonsten gilt "4 mal antifaschistisches B":
- Belagern (schon wenige Menschen können einen Stand gut abschirmen),
- Beschäftigen (jede*r Wahlkämpfer*in braucht Einzelbetreuung)
- Beschlagnahmen (Material einsammeln und in den Müll damit),
- Bewegen (kein Stand steht ewig, auch ihr solltet in Bewegung bleiben).
Auch zu beachten ist, dass die AfD sich teilweise Secruity für ihre Stände einkauft. Bevor ihr ernsthaft Streit anfangt also drauf achten wie das Kräfteverhältnis ist. Gute Anknüpfungspunkte dürfte weiterhin die Karte mit allen Räumen, Plakatstandorten und Ständen aus 2021 bieten: http://noafd.info/
Ausblick auf die Wahlen in Ostdeutschland
Die Wiederholungswahl im Februar ist selbst eher ein kleines Licht. Sie deshalb zu ignorieren, ist aber unklug, da die Rechten sie als Bühne für ihre Propaganda nutzen, ihre Öffentlichkeitsarbeit auch auf der Straße intensivieren dürfen und ihre Wahlkampffähigkeit testen. Auch können Antifaschist*innen die Wahl an Anlass nehmen, sich für den Rest des Jahres warm zu laufen. Denn das wird ein richtiger Brocken.
Schon im Frühjahr finden Kommunalwahlen und die Europawahl statt. Hier hat die AfD die Chance, auf europäischer Ebene den Schulterschluss mit ihren rechten Schwesterparteien aus Italien, Ungarn, Griechenland, Frankreich usw. zu suchen. Auf kommunaler Ebene (z.B. in Brandenburg) können Gemeinderäte und Landräte mit rechten, rassistischen Akteur*innen besetzt und emanzipatorische Politik erstickt werden. Im September dann werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Landesregierung gewählt. Bei den Wahlen werden auch andere rechte Parteien, wie der 3. Weg interessant.
Wir halten nichts davon, nur Schreckensszenarien an die Wand zu malen. Die Rechten mögen derzeit auf einer Welle reiten und im politischen und medialen Diskurs hochgeschrieben werden. Doch tatsächlich sind sie schwächer, als alle denken. Es mangelt ihnen an Kandidat*innen, an Räumen, an Rückgrat und mit ihren Themen repräsentieren sie eigentlich nur einen kleinen der Bevölkerung. Gleichzeitig sind wir stärker, als wir denken. Wenn alle ihren Beitrag leisten und wir uns auf unsere jeweiligen Stärken besinnen, können wir mehr schaffen, als wir denken. Ein rechter Wahl-Durchmarsch ist keine ausgemachte Sache. Es liegt an uns.
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(1) Wo genau steht hier: https://www.rbb24.de/politik/wahl/bundestagswahl-2024/beitrag/wahlwiederholung-berlin-2024-wahlbezirke-wahllokale-karte.html und grafisch hier https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/BU2024/Wahlkreiseinteil/karten/Bundestagswahlkreise_WWTB_2024_ganz_Berlin.pdf
(2) Ergebniss 2021 https://bundeswahlleiterin.de/bundestagswahlen/2021/ergebnisse/bund-99/land-11.html
(3) Wer ist Birgit https://www.t-online.de/region/berlin/id_100093640/birgit-malsack-winkemann-diese-afd-richterin-sollte-justizministerin-werden.html
(4) Bundesgschäftsstelle der AfD: https://keinraumderafd.info/2022/11/20/afd-zieht-nach-wittenau/
(5) Tagesspiegelbericht darüber, dass sie vor einem Jahr schon vor offizieller Eröffnung angegriffen wurde https://kontrapolis.info/9256/
(6) Wahlkampfkit von AgR https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/wp-content/uploads/AgR-Aktionsanleitungen_Web.pdf
(7) Wahlkampf Tipps & Tricks https://verpetzdieafd.noblogs.org/ und https://kontrapolis.info/4676/
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 13. Januar 2024
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