Auswertung Antifa-Spaziergang in Buch
Der Pankower Ortsteil Buch, der seinen Ruf als rechte Hochburg eigentlich seit längerem verloren hatte, versuchen aktionsorientierte „Autonome Nationalisten“ zur Zeit wieder Fuß zu fassen. Im Verlaufe des letzten Jahres begann eine Welle von Provokationen, die ihren Ausdruck vor allem in massiven Propagandawellen fanden [00]. Die dafür verantwortliche Gruppe firmierte bis vor kurzem unter dem Namen „A.G. Buch“
Provokation mit Ankündigung
Für den 2. März riefen AntifaschistInnen verschiedener Spektren zu einem Stadtteilspaziergang in Buch auf, um über die Lage vor Ort zu informieren. Meist linksalternative Jugendliche und ältere BucherInnen folgten dem Aufruf. Neben AnwohnerInnen, Mitgliedern der Linksjugend ['solid] und der Partei Die.LINKE nahmen auch VertreterInnen verschiedener Antifagruppen, der Ver.di-Jugend und des „Niemand ist vergessen!“-Bündnisses teil. Außerdem beteiligten sich Menschen, die wenige Stunden zuvor bei einem antifaschistischen Stadtteilspaziergang in Wittstock teilgenommen waren [01]. Insgesamt nahmen rund 70 Menschen teil. Neonaziaufkleber, in die Briefkästen geworfene NPD-Mitgliedsanträge und Sprühereien wurden während des Spaziergangs erfolgreich entfernt.
Den Nazis „ihr Revier“ streitig gemacht
Für die Neonaziclique, die seit mittlerweile anderthalb Jahren in Buch ihr Unwesen treibt [02] war der Spaziergang ein willkommener Anlass erneut zu provozieren. Bereits Tage vor der Aktion wurden in Buch inhaltsleere Parolen wie „GNLS“ (Übersetzt: „good night left side“) an Hauswände gesprüht. Gedroht wurde auch mit Losungen wie „Antifa an 2.3. stoppen“ [03] und „Kommt doch an 2.3. nach Buch wir freun uns schon“. Gleich zu Beginn der Aktion provozierte ein junger Mann aus einer Vierergruppe Neonazis heraus mit „Sieg heil!“-Rufen und dem „Deutschen Gruß“.
Eine Woche vor dem Spaziergang posteten Bucher Neonazis auf Youtube folgenden Kommentar: „ihr affen ihr seite so dumm / für eurer spaziergang am 2.3.2013 in berlin buch trazt euch wir warten auf euch / ihr bekommt ein paar in die fresse ihr afffen / und noch was die ag-buch hate sich / aufgelöst am 8.12.2012 / also bis dann ihr affen / wir freu uns auf euch ihr affen / lg anti antifa buch /gnls“ [04]
Nach dem am 10. Januar 2013 vier Mitglieder der Gruppe „A.G. Buch“, nach einem missglückten Spontandemoversuch, durchsucht wurden, erhielt die Beratungsstelle Moskito eine Mitteilung ähnlichen Inhaltes, bezüglich der Auflösung der „A.G. Buch“.
Die Bucher Neonazis stellten mit ihrer Mobilmachung gegen den Stadtteilspaziergang nicht nur ihre Unzulänglichkeiten in Sachen „deutscher Leitkultur“ unter Beweis, sondern auch, dass sie sich als Personenzusammenhang eben nicht aufgelöst haben. Die Aktivitäten sowohl vor -und während der Aktion zeigen, dass sie Buch tatsächlich als ihr Viertel sehen. Dieser Anspruch konnte am 2. März empfindlich gestört werden. „Antifa an 2.3. stoppen“ ging also eindeutig nicht auf. Stattdessen konnten Antifaschist*innen aus Buch und anderen Gegenden ein klares Zeichen gegen rechts setzen und eigene Inhalte vermitteln. Während der Aktion wurde in Redebeiträgen über die rechten Aktivitäten der letzten Monate informiert, „Hot Spots“ neonazistischer Aktionen vor Ort besucht und am ehemaligen Wohnhaus von Dieter Eich über den Mord im Mai 2000 berichtet [05].
Kontakte zu Neonazis aus dem Barnim Kreis
Am 05.09.2012 wurde ein 19 und 22 jähriges Mitglied der Neonazigruppe beim Parolen schmieren festgenommen. Laut Polizeibericht stammte der 22 Jährige aus dem benachbarten Bernau. Die Vermutung, dass es engere Verbindungen seitens der Bucher Neonazis zur rechten Szene im benachbarten Barnim Kreis gibt, lag damals schon nahe und wurde letzten Endes am 2. März bestätigt.
Zwei Neonazis gaben sich als Antifaschisten aus und versuchten mitzulaufen. Nachdem sie sich einige Minuten im Bereich des Spaziergangs aufhalten konnten, wurden sie von aufmerksamen Antifaschist*innen weggeschickt.
„Die beiden Nazis, die sich untermischen wollten, sind aus dem anliegenden Bernau und gehören der Clique “Barnimer Freundschaft” an, die im Sommer letzten Jahres an mehreren Angriffen auf Jugendliche, den Stand des alternativen Jugendtreff DOSTO [06] während des Bernauer Hussitenfestes sowie das Gebäude des Jugendtreffs und weitere Orte in Bernau [07] beteiligt waren. Sie hinterließen dabei das Kürzel “2bar5″. Im Dezember hatte sie außerdem einen Flyer verteilt, der eine unmittelbare Reaktion auf die Verteilaktion von Antifaschist*innen wenige Wochen zuvor war. […][08]. Die “Barnimer Freundschaft” steht im engen Verhältnis zum NPD Kreisverband Barnim-Uckermark. Im November hatte die Clique gemeinsam mit der Kreisvorsitzenden Aileen Rokohl und ihrem Ehemann Andreas Rokohl eine Bürger_innenversammlung in Wandlitz, bei der es um die Einrichtung einer neuen Asylunterkunft ging, gestört“ [09] schreibt die Antifa Bernau [10]. Für die Webpräsenz eben jenes NPD-Verbandes hatten die anwesenden Neonazis einen Aktionsbericht vom 2. März angefertigt.
Entlang der Route des Spaziergangs wurden Schnipsel mit folgendem Text gefunden: „Du bist kreativ, hast gute Ideen und lernst auch gern neue Leute kennen? Dann setze dich mit uns in Verbindung! Kämpfe mit uns für ein besseres Deutschland”. Die Schnipsel stammten von alten Flyern der NPD-Brandenburg, die sich gegen die Partei DIE.LINKE richten.
Kontakt zum „Nationaler Widerstand Berlin“
Neonazis der Ex-„A.G. Buch“ und ihr soziales Umfelde hatten sich auf zwei Balkonen postiert. Einer der Neonazis, der gegen Ende der Veranstaltung vom Balkon aus TeilnehmerInnen des Spaziergangs fotografierte, konnte von linken FotografInnen identifiziert werden. Hierbei handelte es sich um Christian Sch. [11]. Dieser fiel erstmals 2010 im Zusammenhang mit Aktivitäten der „Freien Nationalisten Berlin-Mitte“ auf [12]. Von 2009 bis 2011 veranstaltete er Sprüh- und Klebetouren in Weißensee, an denen auch Neonazis aus dem Großbezirk Pankow teilnahmen [13]. Auffallend war der selbe dilettantische Stil wie ihn die Bucher Neonazis praktizieren. Nach dem Zerfall der „Freien Nationalisten Berlin-Mitte“ durch Antifa, staatliche Behörden und eigenes Unvermögen, wechselte Schmidt zum Neonazinetzwerk „Nationaler Widerstand Berlin“. Er war auch an einem Angriff auf NeonazigegnerInnen, bei einem rechten Aufmarsch am 14. Mai 2011 in Kreuzberg beteiligt. Seit dem trat er im Wahlkampf des selben Jahres immer wieder bei NPD-Veranstaltungen in Erscheinung. Beim Neonazi-„Gedenkmarsch“ am 12. Januar 2013 in Magdeburg wurde er gesichtet wie er mit Kameraausrüstung den Aufmarsch begleitete. Wie es scheint, versucht sich Christian Schm. jetzt auch in Berlin-Buch als Anti-Antifa-Fotograf.
Nun heißt es: Weiter machen
Die Bucher Neonazis mögen derzeit zwar unfähig sein eigene Inhalte zu transportieren, unterschätzen sollte mensch das Problem jedoch nicht. Rund 17 Neonazis konnten gesichtet werden, die als Gegenprotest zum Spaziergang anwesend waren, es gab Späher am Imbiss am Bahnhof, AntifaschistInnen wurden abfotografiert. Dies mag zwar kein großer Wurf für die Ex-„A.G.-Buch“ sein, stellt aber einen merkbaren Unterschied zur bisherigen Desorganisierung der Bucher Rechten dar. Gerade die Versorgung der lokalen Bucher Neonaziclique(n) mit Propaganda durch Dritte zeigt, dass die Kontakte bestehen. Die direkte Kooperation am Tag selbst wiederum belegt, dass jene Kontakte nicht bloß informeller Natur sind.
Der „Nationale Widerstand Berlin“ hat seit März vergangenen Jahres begonnen die Kontakte zu Neonazis im Berliner Umland zu verstärken [14]. Buch als Grenzbezirk zum Brandenburger Umland passt in dieses Schema.
Der Spaziergang war ein erster wichtiger Schritt kann aber nicht der letzte sein. Für NeonazigegnerInnen gilt es nun weiter zu machen – gerade mit Hinblick auf den kommenden Bundestagswahlkampf, den rechte Parteien und Neonazicliquen auch in Buch nutzen werden um legal Hetze im Straßenbild zu platzieren .
In den kommenden Monaten steht darum die Vernetzung zwischen den Menschen an, die etwas gegen die rechten Umtriebe unternehmen wollen. Der Kiezspaziergang war ein Erfolg. Jetzt geht es darum daran anzuknüpfen.
* Berichte:
http://medienkollektivbb.blogsport.eu/2013/03/03/fruhjahrsputz-in-berlin-und-brandenbur/
http://www.bernau.antifa.cc/blog/?p=1591
* Bilder:
http://www.flickr.com/photos/neysommerfeld/sets/72157632895024235/
http://www.flickr.com/photos/noktalia/sets/72157632905771802/
* Quellen:
00: 10.10.2012, Indymedia, „Naziaktivitäten in Berlin-Buch – eine Einschätzung“
01: 05.03.2013, Ostblog, „Antifaspaziergang in Wittstock(Dosse)“
02: Februar 2013, North East Antifa, „Deutsche Eichen“ müssen weichen!”
03: 01.03.2013, Niemand ist vergessen!, „[B] Pankow-Buch: Nazis provozieren – Rechte Aktivitäten halten an“
04: 05.01.2013, Youtube, „Smash A.G.-Buch”
05: 08.05.2010, North East Antifascists (NEA), „Der Mord an Dieter Eich“
06: 13.06.2012, Antifa Bernau, “Ein Wochenende voller Naziärger beim Bernauer Hussitenfest“
07: 07.17.2012, Dosto, „Dosto erneut von Nazis angegriffen“
08: 27.10.2012, Antifa Bernau, „Nazigewalt in Bernau gestiegen“
09: 16.05.2008, Indymedia, “10 Jahre Deserteurdenkmal Bernau“
10: 02.03.2013, Antifa Bernau, „Nazipropaganda in Berlin-Buch entfernt“
11: 09.06.2010, Indymedia Linksunten, „[Bln] Weißensee: Neonazi geoutet“
12: 16.06.2010, Indymedia Linksunten, „Freie Nationalisten Berlin Mitte“
13: 28.08.2010, Kein Kiez für Nazis, „Berlin-Nordost: Nazisprühereien und Festnahmen vor Antifa-Demo“
14: 20.09.2012, Störungsmelder, NPD-Landeschef droht Demokraten mit “Nürnberg 2.0″
02.09.2012, Antifa Oranienburg, „Ofenstadt Velten wehrt sich gegen Neonazis“
12.10.2012, “Nationaler Widerstand” schon seit März in Brandenburg aktiv
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 23. November 2024
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