Berliner Polizei zerstört Wandbild zur Erinnerung an den NSU-Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße

4. Juni 2014 | News Redaktion

Ergänzung: Am Abend des selben Tages verhinderten die Bullen eine Infoveranstaltung zu einer Antifa-Demo in Sachsen-Anhalt in Neukölln.

Seit heute Mittag (3. Juni) hat das frisch aufgehängte Wandbild an der Ecke Manteuffelstraße/Oranienstraße ein Loch und damit eine inhaltliche Lücke – der Satz „NSU: Staat und Nazis Hand in Hand“ wurde von der Berliner Feuerwehr im Auftrag der Berliner Polizei aus dem Bild herausgerissen, ohne richterliche Anordnung.

Das Wandbild erinnert an den Nagelbombenanschlag des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) auf die Kölner Keupstraße vor 10 Jahren. Es thematisiert das Verhalten der Ermittlungsbehörden nach dem Anschlag, die Hinweise auf einen rechtsterroristischen Tathintergrund systematisch ignorierten. Stattdessen ermittelten sie gegen die Anwohner_innen und Gewerbetreibenden der Keupstraße und drangsalierten sie jahrelang mit zweifelhaften Methoden.

Nicht erst seit dem NSU-Untersuchungsausschuss ist bekannt, dass ohne eine Zusammenarbeit der Behörden mit dem NSU dieser nicht über zehn Jahre hinweg Menschen mit Migrationsgeschichte hätte ermorden können.

Schon nach der Demonstration zum zweiten Jahrestag des Bekanntwerdens des NSU am 04.11.2013 versuchte die Berliner Polizei das ähnlich lautende Demo-Motto „NSU-Terror. Nazis und Staat Hand in Hand“ zu kriminalisieren: eine Lautsprecheranlage wurde beschlagnahmt, ein Verfahren nach § 90a (Verunglimpfung des Staates) eingeleitet und mangels Erfüllung eines Straftatbestandes wieder eingestellt. Die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahmung wurde gerichtlich festgestellt.

Heute hat dieselbe Polizeieinheit im Auftrag derselben Abteilung des Landeskriminalamtes – des polizeilichen Staatsschutzes – den Satz „NSU: Staat und Nazis Hand und Hand“ aus dem Wandbild zensiert.

Die Personalien von Anwesenden wurden festgestellt. Zunächst behauptete die Polizei, das Bild sei ohne Erlaubnis der Hauseigentümer_innen angebracht worden. Die herbeigerufene Vertreterin der Wohnungsbaugenossenschaft bestätigte die ausdrückliche Genehmigung.
Erst daraufhin begründete die Polizei ihre Maßnahmen mit dem § 90a (Verunglimpfung des Staates) – wegen diesem werde jetzt ermittelt.

Die Polizei verlangte, die Zensur am Bild selbst vorzunehmen und die strittige Passage zu übermalen. Als keiner der polizeilichen Aufforderung nachkam, konnte auch ein herbeigeeilter Anwalt nicht verhindern, dass die Polizei eine Drehleiter der Berliner Feuerwehr anforderte.

Unter Missfallensäußerungen von Anwohner_innen fuhr ein Feuerwehrmann zum Bild hinauf, mit einem Messer bewaffnet und riss großflächig Teile des Bildes ab.
Ein Presse-Fotograf fotografierte diese Aktion. Daraufhin wurde er von der Polizei umstellt: Er solle seine Bilder zur Kontrolle vorzeigen. Als er sich weigerte, wurden seine Personalien festgestellt.

Wir verstehen die Zensur des Wandbildes als eine weitere Kriminalisierung politischer antirassistischer Arbeit. Die Benennung der Rolle des Staates innerhalb des NSU-Komplexes soll unterbunden werden. Allein dieses Vorgehen der Polizei gegen kritische Stimmen zeigt, dass die zensierte Aussage aktueller und berechtigter ist denn je.
Gerade angesichts der Ungeheuerlichkeiten der Ermittlungsarbeit zum NSU müssen staatliche Strukturen auch Kritik zulassen, ohne diejenigen, die diese Kritik äußern, einzuschüchtern, zu überwachen und zu verfolgen. Mit dieser Kriminalisierung wird versucht, den Standpunkt von Menschen, die Rassismus erfahren, aus dem öffentlichen Raum zu entfernen und unsichtbar zu machen.

Das Bündnis gegen Rassismus und Allmende e.V. werden sich nicht zum Schweigen bringen lassen. Wir kämpfen weiterhin gegen Rassismus und ebenso gegen die Repression gegen uns und unsere politische Arbeit.

Wir fordern die Einstellung der Verfolgung Unschuldiger und ein Ende der Kriminalisierung antirassistischer Arbeit!

Bündnis gegen Rassismus
und Allmende e.V.

Kontakt: bundgrass@yahoo.de
buendnisgegenrassismus.org

Erstveröffentlichung auf Indymedia am 4. Juni 2014