Demo: Coronaleugnung und Faschist*innen bekämpfen!
Alles ist wie es war – nur halt krasser
Der Ausbruch der Cornoa-Pandemie hat vieles, was vorher bereits schief lief verschärft und sichtbarer gemacht. Noch deutlicher als zuvor sehen wir die Folgen eines kaputtgesparten Gesundheitssystems, wir sehen Läden im Kiez, die wegen zu hoher Gewerbemieten nach dem Lockdown pleitegehen. Wir sehen, wie Student*innen, die auf ihre Nebenjobs in den Cafés angewiesen sind, aber auch Freiberufler*innen immer noch an den Folgen des Lockdowns zu nagen haben. Wir sehen die miesen Bedingungen, unter denen Arbeitsmigrant*innen in der Landwirtschaft und der Fleischindustrie schuften und sich wegen mangelnder Schutzmaßnahmen reihenweise mit Corona infizieren, nur damit das Schweineschnitzel und der gute Beelitzer Spargel auf deutschen Abendbrottischen landen.
Und noch etwas hat sich verschärft: Die zunehmende Zahl der Menschen, die wissenschaftliche Ergebnisse völlig ablehnen hat rasant zugenommen. Die Behauptung, dass dieser Virus gar nicht tödlich sei bzw. nicht existiere verbreitet sich zunehmend. In Umlauf gebracht werden diese Behauptungen von verschiedenen Medienportalen, die damit nicht nur Falschinformationen verbreiten, sondern auch noch ein gutes Geschäft machen. Desto »kontroverser« die Inhalte zum Thema Corona, desto mehr Aufrufe bekommen ihre Videos und desto mehr klingelt bei ihnen die Kasse. Die Pandemie stellt für diese neurechten Medien einen Türöffner dar, um ihre sonstigen Inhalte an Menschen zu bringen, die u.a. durch Beiträge zur Corona-Thematik auf deren Websites stoßen. Wer weiter auf diesen Seiten sucht, wird nicht selten auf Interviews mit bekannten Faschist*innen und Antisemit*innen stoßen. Das entspannte Plaudern mit Rechten auf dem Interviewsofa soll vor allem eins vermitteln, nämlich dass es völlig in Ordnung sei mit diesen Leuten zu reden. Das Resultat ist eine Normalisierung von Faschos und ihren Inhalten. Für genau diese Leute, die den Unterschied zwischen links und rechts verwischen wollen, die keine klare Grenze zu Rassist*innen ziehen wollen, gibt es einen klaren Begriff: Querfront.
Den Nazis gefällt das
Mit den ersten Ankündigungen der Corona-Schutzmaßnahmen durch die Regierung entwickelte sich in rasanter Geschwindigkeit eine Bewegung, die gegen Abstandsgebote, die Schließung von Läden und Clubs und die Einschränkung des Demonstrationsrechtes protestierte. Den Startschuss für diese bundesweit stattfindenden Demonstrationen setzte die Gruppe »Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand« (KDW), die unter dem Motto »Nicht ohne uns« ab Anfang März zu sogenannten »Hygienedemos« auf dem Rosa-Luxemburg-Platz aufrief. Schon frühzeitig sammelten sich dort AfD-Abgeordnete aus Berlin und Brandenburg, rechte Youtuber*innen und Nazischläger in Thor Steinar-Jacken. Dazwischen alternatives Publikum, meditierende Hippies und Leute mit Donald Trump-Fahnen. Gerade der U.S.-Präsident gilt den rechten Corona-Leugner*innen als besonderes Vorbild, da er die Gefahr des Virus regelmäßig herunterspielt(e) und seine Anhänger ein Ende des Lockdowns fordern. Ihre Forderungen lauten »Bar lives matters«, »Ich brauche einen Haarschnitt« oder »Öffnet die Stripclubs«!
Mit den »Hygienedemos« hatten die Querfront-Medien endlich die Bewegung, auf die sie lange gewartet hatten. Zum einen sind Besucher*innen und Macher*innen der »Hygienedemos« eifrige Konsumierende genau dieser Schwurbelmedien und zum anderen boten diese Aufläufe die Möglichkeit neue Videobeiträge zu produzieren und sich dadurch wiederum als mediales Sprachroher der »Hygienedemos« zu inszenieren. Die Duldung offensichtlicher Faschist*innen durch den KDW und die Signale der Trumpisten waren eine klare Einladung an rechte unterschiedlichster Couleur an diesen Demos teilzunehmen. Die Anzahl bekennender Neonazis auf den Berliner Hygienedemos wuchs soweit an, dass es am 9. Mai schließlich auf dem angrenzenden Alexanderplatz zu rassistischen Übergriffen und zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam.
Bundesweit schossen sogenannte Corona-Spaziergänge aus dem Boden, die vor allem im ländlichen Raum von der extremen Rechten getragen wurden. Mit dem Ende des Lockdowns haben die Teilnehmer*innenzahlen dieser Aufmärsche zwar stark nachgelassen, aber diese Menschen sind nicht weg, nur weil sie gerade nicht demonstrieren gehen. Wir haben es hier mit einem Milieu zu tun, das sich im Lockdown weiter radikalisiert und Anschluss an die extreme Rechte gefunden hat. Parolen wie »Merkel muss weg« und »Wir sind das Volk« wurden in den Corona-Kontext übertragen und bilden jetzt die Klammer im gemeinsamen Kampf gegen die vermeintliche »Merkel-Diktatur«. Denn spätestens seit Attila Hildmanns Mutation zum Veget-ARIER wissen wir, dass Merkel eine »zionistische Kommunistin « sei, deren Wirken einzig und allein darin besteht zusammen mit der Regierung in Peking Deutschland zu knechten. Hildmann ist ein gutes Beispiel für eine Schnellradikalisierung durch den Boom an Verschwörungsmythen seit Beginn der Corona-Krise. Auf seinen Kundgebungen erzählt er, dass er, wenn er Reichskanzler wäre, die Todesstrafe für Volker Beck verhängen würde. Dass solchen Worten auch Taten folgen zeigen die Attentate von Hanau, Halle und Christchurch. Die Täter waren ebenfalls inspiriert von verschiedenen Verschwörungsmythen, wie zum Beispiel »Qanon«, die sich bei der Bewegung der Corona-Leugner*innen hoher Beliebtheit erfreut.
»Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand«
Als einen »Querschnitt der tollsten Leute aus ganz Berlin« bezeichneten die KDW-Gründer Sodenkamp und Lenz, in einem Video, das von ihnen mobilisierte Volk. Diesem sehr durchwachsenen Spektrum an Gruppen und Personen eine gemeinsame Agenda zu verpassen, hat sich der KDW zur zentralen Aufgabe gemacht. Ihren Schwerpunkt legt die »Kommunikationsstelle« darum auf die Herausgabe ihrer Massenzeitung. Diese erscheint wöchentlich und wird bundesweit verbreitet. Die Auflage der Zeitung steigerte sich im Mai von von 20.000 auf inzwischen — laut Eigenangaben — 500.000 Exemplare. Mittlerweile geben sie keine Auflagenzahlen mehr an. Öffentlich treten für die KDW Anne Höhne (als Pressesprecherin), der Esoteriker Sven Sebastian Horner (u.a. als Demoanmelder) und deren Anwalt Florian Daniel auf. In der Öffentlichkeit wird die »Kommunikationsstelle« vor allem durch Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp repräsentiert. Mit der Grafikerin Batseba N‘diaye hat die KDW ein weiteres Mitglied an Bord, dass zuvor mit Sodenkamp und Lenz im alternativen Kulturbetrieb unterwegs war. Alle drei traten zuletzt am 18. Juli als Redner*innen bei einer Kundgebung von Cornoa-Legner*innen in Lüneburg auf.
Entworfen und erarbeitet wird die Massenzeitung der KDW im Wedding. Hier, in der Plantagenstraße 13, betreibt die »Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand« ihr zentrales Büro. Von der Drei-Raumwohnung im Wedding aus koordiniert die Gruppe ihre gesamte Arbeit. Den Hof des Hauses nutzt die KDW-Gruppe immer wieder als Lagerort für ihre Zeitungen, was trotz Brandgefahr vom Vermieter geduldet wird. Da sie sich gezielt nicht an die Abstandsregeln halten, finden hier regelmäßig Planungstreffen für ihre kommenden Aktionen mit größeren Personengruppen statt oder es werden Pressekonferenzen und Partys veranstaltet. Von vielen anderen der Hausbewohner*innen wird das Verhalten der KDW-Leute als potentielle Gefahrenquelle für eine Coronainfektion gesehen. Aber auch die Nähe zur extremen Rechten stößt in der Nachbarschaft nicht auf viel Sympathie.
Der KDW kommt dadurch überregional eine wichtige Bedeutung zu, da sie durch die Publikation ihrer Zeitung die verschiedenen Corona-Protestgruppen mit einem eigenen Medium versorgt, dass sie befähigt weiterhin den Virus und die Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen aktiv zu leugnen. Die Zeitung stattet die Querfront aus Eso-Hippies, AfD-lern und Verschwörungsfans mit einer liberalen Agenda aus. Damit hat die Publikation für diese Bewegung auch die Funktion eines Feigenblattes, hinter dem sich auch noch deren rechteste und rückschrittlichste Anhänger*innen verstecken können. Von einer klaren Abgrenzung gegen Rechte ist seitesn der KDW nichts zu merken, zu lesen oder zu sehen. Jede verbale Abregnzung der KDW ist nicht ernst zu nehmen, so lange ihr keine praktische und inhaltliche Konsequenz folgt.
»Der deutsche Bundestag beschließt sein Ermächtigungsgesetz. Wir sollen ein Jahr lang in einer de-facto-Diktatur leben.« verkündetet die KDW zu Beginn ihrer Demos und setzte die Coronamßnahmen dadurch mit dem Beginn der Naziherrschaft gleich. Wer so argumentiert, verharmlost nicht nur den deutschen Faschismus, sondern wäscht auch die braune Weste aller Faschos rein, die an den »Hygienedemos« teilnehmen. Denn wenn die eigentlichen Nazis in der aktuellen Regierung sitzen, dann können die rechten Teilnehmer*innen der »Hygienedemos« schließlich keine Nazis sein. Damit machen Lenz und Co. sich zum Erfüllungsgehilfen einer Strategie der Neuen Rechten, die darauf abzielt selber nicht als Nazi wahrgenommen zu werden und dadurch die eigenen Naziinhalte unkomplizierter verbreiten zu können.
Die Pandemie ist real
Wenn die Corona-Leugner*innen sich hinstellen und behaupten der Virus sei nicht tödlich, dann können sie das nur machen, weil sie privilegiert sind. Denn auch wenn das deutsche Gesundheitssystem viele Mängel aufweist, so ist es dennoch für den Großteil der Bevölkerung zugänglich und flächendeckend ausgebaut. Auch finanziell unerfolgreiche Künstler*innen wie vom KDW würden eine Versorgung erhalten. Mit ihrer Verharmlosung des Virus spucken sie allerdings all jenen ins Gesicht, die von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind, die auf engstem Raum leben müssen und deren Arbeitgeber*innen aus Profitgründen an Schutzmaßnahmen sparen. Die »Corona Rebellen« sind keine Rebellen, sondern nützliche Handlanger des Wirtschaftsstandortes, die zusammen mit der BILD, der AfD und Industrieverbänden für weitere Covid-19-Infektionswellen eintreten. Ihr Wunsch nach »Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität« bedroht nicht sie, sondern die ärmsten Teile der Gesellschaft. Die Massengräber am Rand der brasilianischen Armutsviertel, die hohen Todeszahlen innerhalb der schwarzen und indigenen US-Bevölkerung, die Zustände in Mittel- und Südamerika oder die steigenden Infektionen unter Arbeitsmigrant*innen, Obdachlosen und Knastinsassen zeugen schon jetzt davon. Die Frage ob Corona tödlich ist, ist keine Frage des Glaubens, sondern ob Leute bereit sind da hinzusehen, wo der Virus bereits Menschenleben kostet.
Coronakrise? Wirtschaftskrise!
Während die Demos der »Corona Rebellen« von der Presse in einer Art und Weise hochgeschrieben wurden, von der Linke nur zu träumen wagen, wurden linke Proteste gegen die Folgen der Corona-Krise in der öffentlichen Wahrnehmung kaum beachtet. Dabei wurden hier die eigentlichen Themen behandelt. Diese Proteste finden immer noch statt, organisiert durch Initiativen wie »Hände weg vom Wedding«, #Jetzterstrecht und #nichtaufunseremrücken.
Unsere Forderungen lauten:
– Gesundheitswesens vergesellschaften statt privatisieren!
– Gerechte Löhne und gute Arbeitsbedingungen!
– Keine Entlassung von Kolleg*innen, kein Outsourcing!
– Zwangsräumungen stoppen!
– Stopp aller Wasser-, Gas- und Stromsperren!
– Demonstrations- und Versammlungsfreiheit verteidigen!
– Bleiberecht für Geflüchtete!
– Sofortige Evakuierung der Lager an den EU-Außengrenzen!
Zum weiterlesen: www.unverwertbar.org/corona-katalog & www.nichtaufunseremruecken.noblogs.org
Von den Versprechen der Politiker*innen ist für die Risikoberufe nichts übriggeblieben. Die SPD hat in der Hochzeit des Lockdows einen 12 Stunden-Tag eingeführt und Kassierer*innen haben lediglich eine Plexiglasscheibe vor die Nase bekommen, aber keine Subventionen durch die Regierung. Die Corona-Krise wird sich zu einer handfesten Wirtschaftskrise auswachsen. Deswegen ist es umso wichtiger uns schon jetzt als Klasse zusammenzuschließen, damit die Kosten der Krise nicht auf unseren Rücken abgewälzt werden. Um diese Kämpfe erfolgreich führen zu können, ist es wichtig der Spaltung durch Verschwörungsmythen, Nationalismus und Antisemitismus entgegenzutreten.
Die »Kommunikationsstelle« abschalten!
Für den 1. August mobilisieren die Corona-Leugner*innen bundesweit zu einem gemeinsamen Großaufmarsch in Berlin-Mitte. Zu diesem Großevent wird von den Veranstalter*innen aktuell mit einer Anreise von rund 50 Bussen kalkuliert. Auch astreine Faschist*innen wie der »Volkslehrer« oder die Macher*innen des COMPACT-Magazins haben sich bereits angekündigt. Ebenfalls am 31. August organisiert die KDW eine Demonstration vom Reichstag zum Rosa-Luxemburg-Platz. Die Plantagenstraße 13 wird darum an diesem Wochenende erneut zum Treffpunkt dieser Szene werden. Mit ihren Gesinnungskamerad*innen aus Darmstadt und Stuttgart (»Querdenken-711«) sollen hier die letzten Planungen für ihre Demo am Folgetag besprochen werden.Dies verdeutlicht noch einmal mehr die Wichtigkeit des KDW-Büros für die Koordinierung ihrer Protest- und Medienarbeit. Der Verlust ihrer Infrastruktur aber auch die öffentliche Kritik von Anwohner*innen der Nachbarhäuser ist darum von enormer Wichtigkeit. Die KDW trägt die Verantwortung für eine der größeren rechten Straßenmobilisierungen seit dem Beginn der PEGIDA-Bewegung 2014. Behandeln wir sie also dementsprechend. Wer Corona leugnet und Faschist*innen eine Bühne bietet, hat mit unserem Widerstand zu rechnen!
Kommt am 31. Juli zur antifaschistischen Demonstration in den Wedding! Beteiligt euch an den Protesten gegen den Schwurbl-Aufmarsch am 1. August und ihrer Kleinstaktionen am 2. August. Kommt außerdem am Abend des 1. August zur Demo für den Erhalt linke Wohn- und Kulturprojekte in Berlin!
Gegen Faschist_innen Verschwörungsmythen und Corona-Leugnung!
Weg mit dem KDW-Büro in der Plantagenstraße 13!
Wirtschaftskirse – #nichtaufunseremrücken!
Termine:
Fr. 31. Juli 2020:
18.00 Uhr | S-Bhf. Wedding | Demo gegen das KDW-Büro
20:00 Uhr | Rosa-Luxemburg-Platz | Protest gegen die KDW-Demo
infos: antifa-nordost.org
Sa. 01. August 2020:
ab 12.00 uhr | Protest gegen den Aufmarsch der Corona-Leugner_innen in Mitte | Infos: berlingegenrechts.de
20:00 Uhr | Herrfurthplatz | Demo »Abschiebungen – Faschisierung – Raus aus der Defensive« | Infos: friedel54.noblogs.org
So. 02. August 2020:
Kleinere Aktionen der Corona-Leugner*innen im Berliner Stadtgebiet
ab 15 Uhr | Mauerpark | Protest gegen die Kundgebung von KDW und »Querdenken«
Wenn ihr den Aufruf und die Demonsration am 31. Juli unterstützenswert findet, dann mobilisiert zur Demonstration und unterzeichnet den Aufruf. Unterstützungsmails an: nea@riseup.net
North East Antifa (NEA) | www.antifa-nordost.org
(Juli 2020)
Erstveröffentlichung auf North East Antifascists (NEA) Berlin am 24. Juli 2020
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