Gedenken an rassistische Morde in Marzahn

13. November 2015 | News Redaktion

Es schien eine Zeit lang, als hätte sich der alltagsrassistische Geist der 1990er Jahre im Berliner Großbezirk Marzahn-Hellersdorf etwas gelegt. Doch die massive rechte Hetze, die sich mit der Eröffnung der Geflüchtetenunterkunft in der Carola-Neher-Straße in Hellersdorf Bahn brach, belehrte viele eines Besseren. Den Bau weiterer Unterkünfte, wie der am Blumberger Damm (2014), sowie die Einrichtung von Notunterkünften im Bezirk (2015) nutzen die örtlichen Nazistrukturen, um die Anwohner*innenschaft erneut gegen Geflüchtete zu mobilisieren. Seitdem ist der Bezirk nicht mehr zur Ruhe gekommen. Wöchentlich kommt es seit Herbst 2014 zu rassistischen Aufmärschen und Kundgebungen, die zu ihren Hochzeiten bis zu 1.000 Teilnehmer*innen zählten.

Der derzeitige gesellschaftliche Rechtsruck nährt das Selbstbewusstsein der Rassist*innen und bestärkt sie in ihrem Tun. Für die Vietnamesen Nguyễn Van Tu und Nguyen Tan Dung, die in den Jahren 1992 und 2008 von Marzahner Rassisten erstochen wurden, bedeutete jenes rechte Selbstbewusstsein den Tod.

Auf Grund der sich zuspitzenden Situation wird die Gedenkdemonstration an Silvio Meier in diesem Jahr durch Marzahn führen. Mit der Demo wollen wir an die Opfer rechter Gewalt erinnern und die Verantwortlichen der rassistischen Hetze vor Ort konfrontieren. Insgesamt 13 Menschen starben in Berlin seit Beginn der 90er Jahre durch rechte Gewalt (1) – wobei von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgegangen werden muss. Nguyen Tan Dung und Nguyễn Van Tu, wie auch Silvio Meier, sind nur drei von ihnen. Um die Morde in Marzahn nicht dem Vergessen zu überlassen, wollen wir sie mit diesem Text wieder ins Gedächtnis rufen.

1992: Der Mord an Nguyễn Van Tu

Der 29-jährige Nguyễn Van Tu ist am 24. April 1992 in Berlin, um einen Freund zu besuchen. Beide hatten sich gegen Abend an einem Einkaufszentrum am Brodowiner Ring verabredet. Als Nguyễn Van Tu am vereinbarten Ort eintrifft, sieht er, wie eine Gruppe deutscher Jugendlicher auf seinen Freund und andere Vietnames*innen, die Textilien und Zigaretten verkaufen, einschlagen und deren Stände zerstören. Nguyễn Van Tu versucht die Angreifer zu stoppen, stellt einen von ihnen zur Rede. Daraufhin sticht ihm der 21-jährige Maurer Mike Lillge mit einem Butterfly-Messer direkt in die Brust. Zum Zeitpunkt des Überfalls um 17:30 Uhr ist der Platz vor dem Einkaufszentrum voll von Menschen, von denen nicht ein einziger eingreift. Trotz einer Notoperation stirbt Nguyễn Van Tu nur wenige Stunden später an den Folgen des Lungenstiches in einem Friedrichshainer Krankenhaus, in das ihn Freund*innen gebracht hatten.

Nguyễn Van Tu war 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen. Er arbeitete bis zu seiner Entlassung im November 1990 in Waltershausen im VEB Gummikombinat Thüringen. Ende des Jahres wollte Nguyễn Van Tu, auf den in Vietnam fünf Geschwister und seine 70-jährigen Eltern warteten, in seine Heimat zurück, um dort zu heiraten. Er starb im Alter von 29 Jahren.

Am Sonntagabend nach der Tat demonstrierten rund 300 Antifaschist*innen in Marzahn. Einem weiteren Aufruf von Nguyễn Van Tu’s Freund*innen und der »Vereinigung der Vietnamesen in Berlin« folgten am Donnerstag der Folgewoche 150 Menschen. Für den 3. Mai rief der Verein zu einer weiteren Demo auf, der sich 2000 Menschen anschlossen. Kurz nach der Tat brachten Antifaschist*innen aus dem Bezirk eine Gedenktafel in der Marzahner Promenade an, die an den Mord erinnern sollte. Die Tafel wurde gestohlen und zuvor mehrmals beschädigt.

Als Nguyễn Van Tu’s Mörder vernommen wird, gibt dieser gegenüber den Bullen an, mit der Nazipartei »Deutsche Volksunion« (DVU) zu sympathisieren. Die täten wenigstens etwas gegen Migrant*innen, die »Straftaten« verüben, wie zum Beispiel den Verkauf unversteuerter Zigaretten. Vor Gericht mimte er später den unbedarften Mitläufer. Der Richter schenkte den Unschuldsbekundungen des Mörders Glauben und setzte die von der Staatsanwältin geforderte fünfjährige Haftstrafe auf vier Jahre herunter. Im Urteilsspruch heißt es, die Tat sei zwar »Akt verwerflicher Selbstjustiz«, sei aber »nicht aus Ausländerfeindlichkeit begangen worden«. In einer seltsam anmutenden Denkoperation trennte Ligges Verteidiger die Vorgeschichte, nämlich den Angriff auf die Vietnames*innen, vom Mord ab und kam zu dem Schluss: »Wenn man in diesem Messerstich eine ausländerfeindliche Tat sehen wolle, müsste man sich in den Bereich des Hypnotischen begeben.« Als wäre dies für die im Gerichtssaal anwesenden Freund*innen und Angehörige nicht schon Demütigung genug, unterstellte der Richter Nguyễn Van Tu, habe den Nazischläger »rechtswidrig angegriffen«.(2)

2008: Der Mord an Nguyen Tan Dung

Anfang 2008 ereignete sich in Marzahn ein weiterer Mord an einem Vietnamesen. In der Marchwitzastraße sticht der Rassist Tino W. den vietnamesischen Zigarettenverkäufer Nguyen Tan Dung nieder. In den vorangangenen Monaten lebte Nguyen Tan Dung zusammen mit seiner schwangeren Frau in einem Treptower Wohnheim.

Der zeitweise wohnungslose und drogenabhängige Timo W. hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach rassistisch über »diese Fidschis« (3) geäußert und angekündigt, selbst etwas unternehmen zu wollen. Mit den Worten »Ich werde hier aufräumen, wenn die Bullen das nicht machen«, hatte er seine Vorhaben einem Bekannten bereits vor der Bluttat angekündigt. (4) Am 6. August 2008 wählt der 35-jährige Tino W. den Polizeinotruf und denunziert einen Händler unverzollter Zigaretten, der vor einer Kaufhalle in der Marchwitzastraße steht. Er fügt an, dass er »keine Angst vor dem« habe. Keine fünf Minuten später ruft er erneut dort an: »Regelt ihr das oder muss ich das selbst erledigen?« und bietet an, den Händler fest zu halten. »Na, dann tun Sie das.« (5) hieß es seitens der Polizei. Laut Zeugenaussagen greift Tino W. den 20-jährigen Nguyen Tan Dung körperlich an und versucht, ihn zu berauben. Als doch noch ein Streifenwagen eintrifft, schubst Tino W. sein Opfer in ein Gebüsch und fügt ihm eine 12 cm tiefe Stichwunde in die Brust zu, an der er wenige Stunden später verstirbt. Das Schöffengericht, das die Tötung im Mai 2009 verhandelte, ging in seinem Urteil von einer starken Psychose während der Tatzeit aus, und sprach den Täter wegen Schuldunfähigkeit frei.

Die in Zeitungsmeldungen aufgeworfene Fragestellung, ob es sich um einen rassistischen Mord gehandelt habe oder nicht, können wir nur entgegnen: Ja, es war ein rassistischer Mord! Nguyen Tan Dung war gesellschaftlich marginalisiert und gezwungen, seinen Unterhalt durch den Straßenverkauf von Zigaretten zu bestreiten. Objektiv scheint es so, dass ein weißer Passdeutscher einem Migranten meint vorgeben zu können, was dieser zu tun und zu lassen habe. Wenn dieser sich nicht des Deutschen Weltsicht fügt, sieht Letzterer sich im Recht, zustechen zu können. Nicht allein Tino W.’s psychischer Zustand und Sozialneid waren die Triebfedern für den Mord, sondern auch dessen Rassismus. So berichtete er, dass er andere Obdachlose während seiner Zeit in einem Wohnheim vor »ausländischen Jugendlichen« beschützt habe. (6)

Auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke gab die Bundesregierung zu Protokoll: »der rassistische Hintergrund der Tat liegt angesichts der Tatsache, dass sich der Täter schon mehrfach rassistisch über »die Fidschis« geäußert hatte, nahe«. Dies sei unter anderem durch »Aussagen seiner Nachbarschaft« belegt. (7) Bedenkt mensch, dass die Bundesregierung sich sonst für kein noch so dummes Argument zu schade ist, wenn es um die Bagatellisierung rechter Morde geht, kann diese Bewertung fast schon als Ausnahme gezählt werden.

Die Motivation der beiden Mörder unterschied sich in keinster Weise. Der Unterschied im Umgang mit den Taten bestand höchstens darin, dass sich ’92 wenigstens noch 2000 Menschen zusammenfanden, um dem Toten zu gedenken. 2008 war es dem Großteil der unmittelbaren Nachbarschaft und der Berliner Linken hingegen scheißegal, dass ein Migrant ermordet wurde. Gerade 150 Menschen versammelten sich damals zur Gedenkkundgebung.

Allein die Selbstverständlichkeit, mit der sich Tino W. berechtigt sah, deutschem Ordnungsgeist mit Gewalt zur Durchsetzung zu verhelfen, ist identisch mit eben jener Blockwartmentalität, die sich derzeit vielerorts in Deutschland Bahn bricht. Bei dem 35-jährigen Tino W. handelt es sich mehreren Einschätzungen nach »nicht um einen rechten Gesinnungstäter«. (8) Egal ob er sich zu diesem Zeitpunkt in einem psychotischen Zustand befand oder nicht, diese Tat ist das mörderische Ausmaß des deutschen Alltagsrassismus. Er zerstört und fordert Menschenleben!

Feindbild Vietnamese

Nach der Eröffnung der Geflüchtetenunterkunft in Hellersdorf 2013 wurden auch Stimmen laut, die sagten »Wir sind extra nach Marzahn und Hellersdorf gezogen, weil es hier kaum Ausländer gibt«. Das Bild vom reinen, weißen, deutschen Bezirk stimmt allerdings nicht ganz. Viele Menschen aus Russland und Vietnam leben hier schon seit Jahrzehnten, oft in der zweiten oder dritten Generation. In den 80ern kamen viele der Vietnames*innen als Vetragsarbeiter*innen in die DDR, lebten zum Teil in den Alltag integriert, aber auch oft abgeschottet in den Trabantenstädten Ostberlins – Tür an Tür mit der deutschen Bevölkerung. Um so ernüchternder war die offensichtliche Verachtung, die ihnen nach dem Mauerfall entgegenschlug und klar machte, dass sie nicht zum neu vereinigten Volk dazugehören sollten. Mit dem Mauerfall kamen nicht nur die heiß ersehnten Südfrüchte und Pornos, sondern auch die komplette Zerschlagung der Ost-Wirtschaft. Obwohl die DDR-Vertragsarbeiter*innen Jahrzehnte lang Steuern und Rentenabgaben gezahlt hatten, wurden ihnen ihre bisherigen Leistungen nach der Einverleibung der DDR weder nachträglich angerechnet, noch erhielten sie irgend eine Form von Entschädigung.

Viele Vietnames*innen waren gezwungen, ihren Lebensunterhalt durch Kleingewerbe oder »illegalen« Zigarettenhandel zu bestreiten – Jobs, die Deutsche oftmals nicht bereit waren, zu erledigen. Den Frust über die eigene Arbeitslosigkeit, die 1989 noch unter »Wir sind das Volk!«-Rufen frenetisch herbeigejubelt wurde, agierten die Einheitsdeutschen nun an ihren migrantischen Nachbar*innen aus. »Fidschis klatschen« galt in den 90ern bei vielen Ostjugendlichen als ausgemachter Volkssport. Vietnamesische Zigarettenverkäufer*innen waren ein beliebtes Angriffsziel, da sie meist auf öffentlichen Plätzen allein anzutreffen waren. Auch seitens der Bullen gab es regelmäßig Übergriffe auf Vietnames*innen, willkürliche Kontrollen oder Stürmungen von deren Wohungen und Unterkünften. Allein 55 Fälle von Mißhandlungen und Nötigung brachten Betroffene im Juni 1993 zur Anzeige, von denen die Bullen schon zu Beginn 15 wieder einstellen ließ. (9) Wenn mensch so will, geschahen die Hetzjagden von Bullen und rechten Jugendgangs auf vietnamesische Zigarettenhändler*innen in unausgesprochener Tateinheit.

Keine Einzeltäter, sondern rassistisches Klima!

Die Morde sind keine Zufälle, sondern Folgen eines andauernden rassistischen Klimas im Bezirk. Ein Blick auf die Anzahl der Übergriffe, die sich rund um die Morde ereigneten, zeigt die Alltäglichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Rassist*innen in Marzahn-Hellersdorf auftreten.

Wenige Tage nach dem Mord an Nguyễn Van Tu schlugen Nazi-Skins die schwarze Berlinerin Beate G. (36) zu Boden und sprangen mit Springerstiefeln auf ihren Kopf. In der selben Nacht verletzten drei rechte Skinheads den polnischen Touristen Aroslav M. (24) mit Macheten und Springmessern. Nur ein Jahr zuvor entging ein junger Vietnamese nach einem Überfall nur knapp dem Tod. Dem 42-jährigen Familienvater Bo Van Nho erging es ähnlich. Drei Naziskins verletzten ihn am 14. Oktober 1991 so schwer, dass er dauerhafte körperliche Schäden davon trug. Auch das Wohnheim in der Glückaufstraße (heute Havemannstraße), in dem hauptsächlich vietnamesische Vetragsarbeiter*innen wohnten, wurde immer öfter Ziel von Attacken. Es flogen Brandsätze und Gruppen von bis zu 40 Nazis rotteten sich vor dem Heim zusammen. Eine Naziclique, die ihre Angriffe auf die Unterkunft anfänglich von ihrem Stammimbiss aus vornahm, bekam von der Stadt 1991 einen eigenen Jugendclub spendiert. Dank Staatsknete und »Akzeptierender Jugendarbeit« entwickelte sich das Jugendfreizeitheim »Wurzel« zum regelrechten Nazistreichelzoo. Zum Hitlergeburtstag, vier Tage vor Nguyễn Van Tu’s Ermordung, feierten 200 Kameraden mit Bier und Reichskriegsflagge des Führers Wiegenfest. Jugendliche mit einem Parteiausweis der »Deutschen Alternative« (DA) in der Tasche waren in der Jugendeinrichtung keine Seltenheit. (10)

Am 19. August 2008, rund zwei Wochen nach dem Mord an Nguyen Tan Dung, wurde vor dem Berliner Landgericht gegen drei Nazis verhandelt, die im Februar 2008 Hetzjagden auf Vietnames*innen veranstaltet hatten.Eine 36-jährige Vietnamesin, die mit ihrem Kinderwagen an einer Haltestelle stand, wurde nur wenig später Ziel eines erneuten Angriffes durch die Nazibande. Als sie die Angreifer bat, wenigstens Mitgefühl für ihr Kind zu zeigen, wurde sie geschubst, geschlagen und auf der Flucht mit Steinen beworfen, die sie am Kopf trafen. Kaum war die Frau aus der Sichtweite, verwüstete die Gruppe den Blumenladen einer 50-jährigen Vietnamesin, schlug auf sie ein und stahl die Tageseinnahmen. Von dem Geld betranken sie sich später und prahlten damit, dass sie »Fidschis boxen« (11) waren. Die Täter waren einschlägig bekannt. Bei der Durchsuchung einer der Täterwohnungen wurden neonazistische Aufkleber und Waffen gefunden. Bereits im Jahr zuvor, am 15. Juli 2007, war einer von ihnen über eine vietnamesische Blumenhändlerin hergefallen. Dass das sogenannte »Fidschis klatschen« keine rechte »Jugendsünde der 90er« war, zeigt der jüngste Angriff auf einen 19-jährigen Vietnamesen am 12. September 2015. Drei Männer beleidigten den Jugendlichen in der Hellersdorfer Straße/ Cecilienstraße rassistisch und stachen ihm ein Messer in den Arm. (12)

An der Ermordung von Nguyen Tan Dung tragen die Bullen aktive Mitschuld. Anstatt Tino W., der sich sogar namentlich am Telefon vorstellte, an seinem Tun zu hindern, bestärkten sie ihn mit den Worten »Na, dann tun Sie das.« darin, Selbstjustiz zu verüben. Vollkommen schamlos, als wäre niemand ermordet worden, feierte die Berliner Polizei zwei Monate später in einer Pressemitteilung die Denunziation dreier illegaler Zigarettenhändler in Marzahn. Zwei wurden anschließend der Ausländerbehörde übergeben.

»Logisch rauche ich für den Terrorismus« oder »Natürlich rauche ich Rattenkot« heißt es auf Plakaten einer aktuellen Werbekampagne des Tabakgiganten Philip Morris. Dass es bei den hohlen Slogans nicht wirklich um Terrorismus oder die Gesundheit von Raucher*innen (!) geht, ist offenischtlich. Es ist der indirekte Aufruf zum Kauf versteuerter Zigaretten und zur Denunziation »illegaler« Zigarettenhändler*innen. Es geht um den Erhalt der Profitspirale, an deren Ende Menschen wie Nguyen Tan Dung stehen – Menschen die keine andere Möglichkeit haben, als sich durch »illegalen« Verkauf über Wasser zu halten.

 

Völlig selbstverständlich nimmt die deutsche Gesellschaft die Dienstleistungen von Migrant*innen in Anspruch: Billige Kippen kaufen, nach der Nazidemo zum Dönerimbiss usw…, um sie nur wenig später rassistisch zu beleidigen oder zu denunzieren. Durch die Aufrechterhaltung dieses Zustandes züchtet sich diese Gesellschaft die Mörder*innen von morgen heran – die nächsten Mike Lillges und Tino W.’s, die sich bemächtigt fühlen, dem Staat unter sie Arme zu greifen und ein Messer zu ziehen.

Marzahn in den Fokus rücken

Schauen wir auf das zurückliegende Jahr, so blicken wir auf einen explosionsartigen Anstieg rassistischer Hetze und Gewalt. Bundesweit gab es nach offiziellen Angaben in der ersten Jahreshälfte 2015 insgesamt 202 Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte, also im Schnitt mehr als einen Angriff täglich. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2012 gab es 24 solcher Taten. Die derzeitige Hetze wird Tote fordern und hat dies in der Vergangenheit bereits schon getan. In Marzahn-Hellersdorf schlägt sich der aktuelle Rechtsruck täglich in Übergriffen und unzähligen rechten Propagandaaktionen nieder. Allein seit Beginn des Jahres zählt das »Berliner Register« (13) acht Angriffe auf Unterkünfte für Geflüchtete und insgesamt 26 Bedrohungen und körperlichen Angriffe. Hierbei sind zahlreiche verbale Drohungen, Hass-Mails oder Angriffe auf Parteibüros nicht einbezogen. Mit dem Gedenken am 18. und der Antifa-Demo am 21. November soll darum nicht nur der Ermordeten gedacht werden. Es geht auch darum, die Täter*innen von heute in ihrem Handeln zu stoppen. Denn der rassistische Terror ist kein ungreifbares Gespenst, sondern hat konkrete Verantwortliche!

Damals wie heute: Rassismus tötet! - Nichts und niemand ist vergessen!

Ein Text von: North East Antifa (NEA), Antifaschistische Koordination 36 | Unterstützt durch: Antifa Koordination Westberlin (AKW), Anarchosyndikalistische Jugend Berlin (ASJ), Antifaschistische Linke Jugend (ALJ)

Terminhinweise:

  • Gedenken an Nguyễn Van Tu und Nguyen Tan Dung
    18. November 2015 | Treffpunkt: 17.30 Uhr S-Bhf. Marzahn
    (Anreise: 17.00 Uhr, S-Bhf. Ostkreuz, Ausgang Sonntagstrasse)
  • Mahnwache für Silvio Meier
    21. November 2015 | 13.00 Uhr | U-Bhf. Samariter Straße
  • Silvio Meier-Demo: Stoppt die rassistischen Brandstifter!
    21. November 2015 | 15.00 Uhr | S-Bhf. Marzahn

Quellen:

1 | Fight Back – Antifa Recherche Berlin-Brandenburg, 2013, S. 108

2 | »Nicht aus Ausländerfeindlichkeit« getötet, TAZ, 09. Oktober 1992

3 | Drei Nazi-Morde im August, 02. September 2008 (karawane.org)

4 | Selbstjustiz an Zigarettenhändler endet tödlich, Projektwerkstatt Wort und Tat (WUT),
06. August 2008 

5 | Der Zigaretten-Mord von Marzahn, Berliner Kurier, Claudia Keikus & Klaus Oberst, 07. August 2008

6 | Selbstjustiz an Zigarettenhändler endet tödlich, Projektwerkstatt Wort und Tat (WUT), 06. August 2008

7 | Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Ulla Jelpke, Kersten Naumann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 16/11020 – (Drucksache 16/11319, 09. Dezember 2008), Seite 1

8 | Der Blockwart regelt das, Flora Eder, Jungle World Nr. 33, 14. August 2008

9 | Mißhandlungen von VietnamesInnen – Eine Sache von Polizeistrukturen, Antifaschistisches Info Blatt, März/April 1995, S. 22/23

10 | 29-jähriger Vietnamese erstochen, Antifa-Info Nr. 18, Mai/Juni 1992, S. 17

11 | Drei Herrenmenschen im Suff, Neues Deutschland, Peter Kirschey, 20. August 2008, S. 11
Hetzjagdt in Marzahn, K.G., Tagesspiegel, 20. August 2008; Rassistischer Prügelexzeß in Marzahn-Nord, Projektwerkstatt Wort und Tat (WUT), 16. Februar 2008

12 | Polizeimeldung

13 | Berliner Register (Marzahn-Hellersdorf), Stand 02. November 2015

Anmerkung:
Im Zusammenhang mit dem Mord im August 2008 taucht in Presseberichten vor allem der Name »Cha Dong N.« auf. Der Berliner Kurier verweist in seinem Artikel »Der Zigaretten-Mord von Marzahn« (Quelle 5) darauf, dass der Name des Opfers geändert wurde. Im Bericht »Selbstjustiz an Zigarettenhändler endet tödlich«, (Quelle 6) der Hellersdorfer Projektwerkstatt Wort und Tat (W.U.T.) wird der Name Nguyen Tan Dung verwendet. Da der Bericht von Antifaschist*innen geschrieben wurde und Informationen des im Mai 2008 verhandelten Mordprozesses enthält, gehen wir von der Richtigkeit des Namens aus.

Erstveröffentlichung auf Indymedia am 13. November 2015

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