Gegen das SS-Gedenken in Riga – Kampf den historischen Kontinuitäten
Am 16. März findet erneut das einzig noch öffentlich begangene Gedenken an Soldaten der Waffen-SS in der Europäischen Union statt: In Lettland werden, wie jedes Jahr seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, bis zu 2000 Menschen durch die Hauptstadt Riga marschieren und SS-Männer zu heroischen Freiheitskämpfern verklären.
In den Jahren von 1991 bis 1998 war der sogenannte „Tag der Legionäre“ ein staatlich verordneter Feiertag und bis heute ungebrochen stößt der rechte Aufmarsch in der lettischen Gesellschaft auf breite Zustimmung. Die allgemeine Akzeptanz für das dreckige Spektakel zeigte sich nicht zuletzt 2014, als nur massiver internationaler Druck ein Ende der (offiziellen) Unterstützung des revisionistische Events durch Regierungsmitglieder erwirken konnte.
Wir rufen für den 15. März um 18 Uhr zur Kundgebung vor der lettischen Botschaft in Berlin auf. Zeigen wir uns mit den Menschen solidarisch, welche in Riga am nächsten Tag auf die Straße gehen und sich dem reaktionären Treiben entgegen stellen.
Historische Kontinuitäten
In Lettland, wie in vielen ehemaligen europäischen Ostblockstaaten, ist bereits trauriger Alltag was sich rechte Bewegungen auch in Deutschland wünschen. Begünstigt durch ein Wiedererstarken von Religion und ein nationales Erweckungsgefühl nach dem Ende der sowjetischen Besatzung, wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schnell an alte Traditionen angeknüpft: massiver Antisemitismus, Rassismus und Homophobie sind nur einige Menschenfeindlichkeiten in einer langen Liste. Dem grassierenden Antikommunismus wird durch den Umstand, dass viele sich kommunistisch Schimpfende in Wahrheit lediglich LiebhaberInnen russischer Expansionspolitik sind, nicht unbedingt entgegen gewirkt.
Ein historischer Kristallisationspunkt der genannten Traditionen findet sich bei der Eroberung Lettlands durch die Wehrmacht im 2. WK. Nachdem die Rote Armee 1940 nach Lettland vordrang wurde sie von der lettischen Bevölkerung als imperiale Macht wahrgenommen. Diese Gefühle in der Gesellschaft nutzend gelang es lettischen NationalistInnen und AntisemitInnen in der Öffentlichkeit die Wahrnehmung der vorrückenden Wehrmacht und ihrer SS Verbände als “Befreier” zu etablieren. Mit der folgenden Besetzung durch Nazi-Deutschland kam es dann zur Fusion lettischer und deutscher FaschistInnen. Als schließlich 1943 der Wunsch lettischer FaschistInnen nach einer „Legion gegen den Bolschewismus“ von Hitler bewilligt wurde, kam es zur Eingliederung der freiwilligen Polizei und Schutzmannschaften in die deutsche Waffen-SS. Mit höchster Legitimation wurde nun die ohnehin bereits mörderische Praxis gegen Jüd*innen und Kommunist*innen ausgeweitet: Den antisemitischen Pogromen in Lettland fielen bis zu 60.000 Menschen zum Opfer. Es kam zu Massenerschießungen von Kommunist*innen und beim vorrücken der Wehrmacht wurden auf russischem Gebiet ganze Dörfer “den Flammen übergeben”.
Diese Verbrechen kommen in der offiziellen Geschichtsschreibung Lettlands nicht vor und ein Gedenken an die Opfer ist in Lettland undenkbar. Wie sollte dies auch möglich sein, wenn es gerade die Täter sind, die in jedem Jahr in Riga als Freiheitskämpfer verehrt werden?
United we stand!
Die wenigen Menschen, welche sich der Faschisierungstendenz in Lettland entgegen stellen und jährlich in Riga gegen die Nazi-Folklore demonstrieren, werden nicht nur an diesem Tag von einer antisemitischen, homophoben und antikommunistischen Gesellschaft ausgegrenzt und angegriffen. Sie leben das ganze Jahr in Verhältnissen in denen fortschrittliche Kräfte bis zum drohenden Verschwinden marginalisiert sind. Doch gerade auch wenn es wenige Aufrechte sind: Ihnen (und Ihresgleichen überall auf der Welt) gilt unsere ganze Solidarität! Sie sind jene, mit denen wir Seite an Seite für eine befreite Gesellschaft einstehen wollen! Ihre Feinde sind die unseren!
Egal wo: Wir wenden uns gegen die Geschichtschreibung von rechts und werden den Kommunismus als Idee der Befreiung der Welt von Kapital, Nation und religiöser Verblendung verteidigen.
Beteiligt euch an der Antifa-Kundgebung gegen das SS-Gedenken!
15.03. | 18 Uhr | Botschaft Lettlands | Reinerzstr. 40/41 | S-Hohenzollerndamm
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 8. März 2016
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