„Bullenschubser“? Umschubsen! - Infos zur rechten Skin-Szene und darüber hinaus

14. März 2017 | News Redaktion

Seit rund 8 Jahren bewegt sich die Berliner Oi-Punk Band „Bullenschubser“ auch in der linken Subkultur Berlins. Mal als Bühnenact im Kreuzberger Binuu, oft als gern gesehene Kundschaft im Core-Tex und zum Saufen im „Abgedreht“ in Friedrichshain. Seit ihrer Gründung wird ihnen immer wieder eine Nähe zur sogenannten Grauzone, wie auch zur extrem rechten RAC-Szene (Rock Against Communism) nachgesagt, die allerdings bisher nur schwammig belegt werden konnte. Aufgrund anstehender Konzerte der Band in Berlin und Potsdam möchten wir im Folgenden Informationen zur Band offen legen, damit KonzertveranstalterInnen und Läden den „Bullenschubsern“ auch argumentativ eine Absage erteilen können.

Unterschiedliche Konzepte

„Bullenschubser“ waren in den letzten Jahren immer auf die Sympathie verschiedener linker, subkultureller Clubs angewiesen, denn ihr Ruf eilte ihnen immer voraus. Anders erklärt sich der Auftritt im Kreuzberger Club „BiNuu“ im Oktober 2015 nicht, wo sich „Bullenschubser“ mit den „Thee Flanders“ die Bühne teilen konnten. Gesponsert war die Veranstaltung vom Core Tex, eine Kreuzberger Instanz der Hardcore und Punk-Szene. Dass diese Möglichkeit für die Band eine seltene Chance für eine große Bühne darstellt, lässt die Historie der Auftrittsmöglichkeiten vermuten. Denn wenn selbst die kleinen, oft unbekannten Locations nicht herhalten können, verlässt sich die Band vor allem auf Orte wie das Berliner „Blackland“ - welches bereits durch Auftritte diverser rechter Metalbands bekannt geworden ist – oder weicht auf ein Konzept der extremen Rechten aus: konspirativ organisierte Konzerte, wo die BesucherInnen entweder durch eine Info-Nummer wenige Stunden vor dem Konzert vom Ort des Geschehens erfahren, oder wie im Falle des „Bullenschubser“-Konzerts am 18. März 2017 durch den Kauf eines Tickets.

Ähnlich wurde es mit einer Veranstaltung im Sommer 2016 gehalten. Angekündigt wurden die Bands „Condemned 84“, „Schusterjungs“, „Voice of Hate“, „Anti Clockwise“ und als Haus-und Hof Band der Veranstaltung: „Bullenschubser“. Das Konzert konnte schlussendlich gut besucht und ungestört in Brandenburg über die Bühne gehen. Hinter der Veranstaltung stand eine Konzertgruppe die sich „Oi! The new (old) breed“ nennt und maßgeblich von Tim (Breyer/Müller als Pseudonym bei Facebook) , Bassist bei „Bullenschubser“, und einem „Tom Köhler“ initiiert wurde. Die konspirative Organisation hatte Gründe, betrachtet man das Line-Up des Abends genauer:

Condemned 84

„Condemned 84“ werden innerhalb der rechten Oi!, bzw. der RAC-Szene zum einen als Legende glorifiziert, zum anderen als perfektes Beispiel dafür genannt, wie eine „unpolitische Skinheadband“ sein sollte. Diese „Unpolitik“ besteht dabei aus einem „gesunden“ Antikommunismus sowie Patriotismus und einem Klassenbewusstsein, auf das sich die Szene heute wieder stark bezieht. Hinzu kommt eine Ablehnung politischer Korrektheit, die auch wie der Antikommunismus, der extrem rechten Szene als Anknüpfungspunkt dient. Vergessen, bzw. relativiert wird dabei, dass gerade „Condemned 84“ aus der rechten Skin-Szene der 80er und 90er Jahre stammen. Veröffentlichungen auf den damals wichtigsten Labels für rechten Oi-und Streetrock (Rock-O-Rama-Records und DIM Records), sowie durchgehend positive Bezüge zur organisierten Szene um die „Hammerskins“ wie auch das „Blood & Honour“-Netzwerk, machen die Band zu dem was sie heute ist. Zahlreiche absolvierte Konzerte mit bekannten RechtsRock-Bands wie „Legitime Violence“, „Battle Scarred“, „Pitbullfarm“ und „Porco 69“, die Ausrichtung dieser Konzerte in einschlägigen Läden wie dem „Skinhouse Milano“ und eben im Rahmen von rechten Konzertgruppen wie „Feindkontakt-Produktion“ oder „Noise of Germany“ - hinter dem die niedersächsische „Blood & Honour“- Nachfolgeorganisation „Honour & Pride“ steckt – dürften Beleg genug dafür sein.

Voice of Hate

Anfang der 90er Jahre gegründet und seit dem Konzert in Brandenburg als Band live wieder vereint, umgibt „Voice of Hate“ ein ähnlicher Kult wie „Condemned 84“. Dabei können auch bei der Berliner Band deutliche Verbindungen in die extrem rechte Szene festgestellt werden. So stellte Bassist „Henschel“ seine Sympathien durch ein Shirt der Band „Brutal Combat“ zur Schau. Diese ist nicht der Grauzone zu zurechnen, sondern vielmehr der sich Ende der 80er Jahre radikalisierenden Nazi-Skinszene Frankreichs. CD-Produktionen auf „Rebelles Europeens“ oder „Pit Records“ von „Brutal Combat“ waren dafür ausschlaggebend. Da wundert es auch nicht, dass der „Voice of Hate“ Schlagzeuger „Ron“ (als „Ronaldus Wischnewski“ bei Facebook zu finden) mit einem Shirt der RechtsRock-Band „Kraft durch Froide“ die Bühne in Brandenburg betrat. „Ron“ gehörte nicht der Originalbesetzung von „Voice of Hate“ an, bewegt sich aber seit Jahren in der rechten wie auch „unpolitischen“ Subkultur Berlins. Mit „Kraft durch Froide“ scheint er auch persönlich bekannt zu sein, wie Bilder einer kleinen Kneipenrunde belegen, die ihn zusammen mit KdF-Sänger Andreas Retzlaff zeigen. Auch auf Konzerten der Band KdF im Ausland ist „Ron“ ein gern gesehener Gast, wie am 30. Mai 2015 im schottischen Bathgate. Dort spielten auch die RechtsRock-Bands „Endstufe“ und „IC1“. Ferner war „Ron“ auch Teil der 30 köpfigen Berliner und Brandenburger Reisegruppe, die zusammen mit der Band „Frontalkraft“ im November 2015 zur 20-Jahr-Feier der „Italian Hammerskins“ nach Mailand flog. Ob das auf dem Konzert im Brandenburg angebotene Shirt von „Voice of Hate“ als Homage an „Kraft durch Froide“ gedacht war, soll der Betrachter selbst entscheiden.

Schusterjungs

Die aus Weißenfels/Sachsen-Anhalt stammende Band kann ebenfalls der RAC-Szene zugeordnet werden und weist ferner persönliche Überschneidungen zur harten Neonazi-Szene auf. Dies führt hauptsächlich auf den „Schusterjungs“-Bassisten „Klatscher“ zurück. Dieser steht seit Jahren im besten Kontakt zur bundesweiten RechtsRock/RAC-Szene, vorrangig um die Hamburger Band „Abtrimo“ und deren Supporter „Skinheads Uelzen“, aber auch um Oliver Malina und Ronny Wätzel, Konzertveranstalter im „Honour & Pride“-Netzwerk. „Klatscher“, dessen Oberarm das „Rock Against Communism“-Logo ziert, nahm zudem mit seinen Kameraden der „Skinheads Uelzen“ im November 2014 an einer Kundgebung der „Hooligans gegen Salafisten“ teil und steuerte 2016 eine Gesangseinlage zum Sampler „Back to the Basement“ bei. Neben „Klatscher“ waren vor allem Mitglieder bekannter RechtsRock-Bands wie „Blitzkrieg“, „Exzess“, „Frontalkraft“ und „White Rebel Boys“ vertreten. Dass man sich auch außerhalb der eigenen Szene kennt und toleriert belegt ein Bild, welches „Klatscher“ zusammen mit Benjamin Schneider, Sänger der NS-Black Metal Band „Permafrost“, beim trinken zeigt. Wirft man einen Blick in die Konzert-Historie der „Schusterjungs“ stößt man auf die Nazi-Punkband „Kriegsberichter“ und die rechtslastigen Bands „Rien ne va plus“, „Roials“ oder „The Morons“. Auch ein Konzert mit der RechtsRock-Band „Abtrimo“ im Februar 2016 im Club „Endstation“ in Friedland/Mecklenburg-Vorpommern passt ganz gut in das Bild der Band.

Weiteres Konzert im Sommer 2017

Die „OI! The new (old) breed“-Konzertgruppe um „Bullenschubser“-Bassisten Tim soll laut einem Flyer im Sommer 2017 in die zweite Runde gehen. Während „Schusterjungs“ und „Anti Clockwise“ abermals auftreten sollen und die schwedische, rechts-offene Kombo „Agent Bulldog“ als Headliner fungiert, ist vor allem der Auftritt der Allgäuer Band „Prolligans“ beachtenswert.
Immer schon nah am rechten Rand der Szene machte die Band um Sänger Norbert und Pudolf in den letzten Jahre deutliche Schritte in richtig der extrem rechten Szene. Bereits vor Jahren waren einzelne Mitglieder der Band in der Szene umstritten, weil sie Shirts der RAC-Bands „Close Shave“ und „Pitbullfarm“ auf der Bühne trugen, doch im Vergleich zu den jüngsten Ereignissen um die Band, erscheint das Tragen der Shirts lächerlich. So wirkt „Prolligans“ - Gitarrist „Flosch“ nebenbei als Gitarrist bei der RechtsRock-Band „Hard as Nails“. Diese ist wiederum ein Nebenprojekt der „Blood & Honour“-Band „Faustrecht“. Neben „Flosch“ wirkt auch „Prolligans“-Schlagzeuger „Fabse“ in der Band „Hard as Nails“.
Die Wege im Allgäu scheinen eh sehr kurz sein. Anders lässt sich die Beteiligung von „Michi“ als Bassist der „Prolligans“ nicht erklären. Dieser wirkt nämlich hauptsächlich bei den RechtsRockern „Faustrecht“. Kurze Wege gibt es aber nicht nur musikalisch, sondern auch strukturell ins extrem rechte Lager. Bilder zeigen die „Prolligans“-Mitglieder „Pudolf“, „Fabse“ und „Flosch“ in trauter Runde zwischen „Faustrecht“ - Gitarrist „Pep“, (wahlweise) „Faustrecht“-Bassisten „Michi“ und Christian Petrich. Petrich ist vor allem im Ausland das Aushängeschild von „Blood & Honour Deutschland“, welches in 2000 verboten wurde.
Und wer ist eigentlich „Haxe“, der seit der Neubesetzung von „Prolligans“ die zweite Gitarre spielt? Nun, „Haxe“ ist vor allem als Sänger der RechtsRock-Band „Smart Violence“ bekannt und wirkte ebenfalls in der RechtsRock-Band „Angry Bootboys“. Neben „Prolligans“ trat er jüngst auch mit der Band „Drencrom Skins“ in Erscheinung, die letztes Jahr zusammen mit den „Prolligans“ eine CD raus brachten.

Alles unpolitsich

Die Band „Bullenschubser“ ist nicht nur durch ihre personelle Schnittmenge innerhalb der Organisation von RAC-Konzerten an die rechte Skin-Szene angebunden, sondern pflegt auch persönliche Kontakte in die Szene.
Bilder zeigen Schlagzeuger Erni und Bassist Tim mehrfach Arm in Arm mit dem Bassisten der RechtsRock-Band „Kraft durch Froide“, der sich in sozialen Netzwerken „Horst-Kevin Schubisnski“ nennt. Dieser spielte auch schon bei der rechts-offenen Dresdner Band „Roials“ und scheut sich nicht, seine politische Gesinnung im Netz preiszugeben. Ein Foto zeigt ihn bei einem Auftritt von „Kraft durch Froide“ auf dem „Ritorno a Camelot 2016“, im Hintergund ein Banner des „Blood & Honour“-Netzwerkes.

Auch „Breiti“, mit dem Erni und Tim von „Bullenschubser“ gerne auf Fotos posierten ist innerhalb der rechten Skin-Szene eingebettet. Vor allem der Kreis um die Berliner Nazi-Punkband „Punkfront“ scheint „Breitis“ Heimat zu sein. Mehrfach ist auf Bildern „Schmidtgard“, Bassist von „Punkfront“ zu erkennen, während „Breiti“ wahlweise Shirts der RechtsRock-Bands „Les Vilians“ oder der Bremer „Endstufe“ präsentiert.

Dort könnte sich auch der Kreis schließen, denn „Punkfront“-Musiker sind auf „Bullenschubser“-Konzerten kein Problem. So geschehen auf einem Konzert der Band mit der Grauzonen-Band „Scorbut“ im Februar 2016 im Berliner Club „Blackland“. Wie ein Zusammenschnitt des Abends zeigt, fühlte sich Patrick, Sänger von „Punkfront“, in der ersten Reiche des Publikums pudelwohl. Dieser wird es sich wohl auch nicht nehmen lassen im Sommer 2017 den Auftritt befreundeter Bands wie „Schusterjungs“ zu besuchen, bzw. im Backstage mit den „Prolligans“ zu saufen, schließlich ist deren Gitarrist „Haxe“ ein Bandkollege Patricks. Patrick ist ebenfalls bei „Smart Violence“ aktiv.

Was bleibt, ist vor allem die Frage, warum eine sich vor Jahren noch schwammig in der Grauzone bewegende Szene einen solchen Aufwind erfährt.
Eine Erklärung dafür könnte sein, dass sich immer mehr Anhänger der Skinhead-Szene – egal ob „unpolitisch“ oder extrem rechts – vermehrt auf die Identität der „Working Class“ beziehen. Herkunft, Identität und Abgrenzung zum Rest der Gesellschaft schafft eine Exklusivität, die besonders durch Bands wie „Schusterjungs“, „Bullenschubser“ und „Prolligans“ auf der einen Seite (als Magnet einer vermeintlich unpolitischen Skinhead-Subkultur) und „Abtrimo“, „Faustrecht“ und „Smart Violence“ (als harten Kern der RechtsRock-Szene um „Blood & Honour“ und „Hammerskins“) forcierten.

Man(n) schämt sich nicht für seine patriotischen Gefühle, empfindet es normal eine anti-muslimische, anti-kommunistische Haltung auszudrücken und findet geborgene Kameradschaft innerhalb einer Szene, die wir jahrelang als Grauzone beschrieben. Dabei sind die Ressentiments der „unpolitischen“ Szene schon seit Anbeginn vorhanden, fanden aber nur selten einen direkten Ausdruck. Denn das was als unpolitisch bezeichnet wird ist nichts weiter als eine Resignation, sich mit neonazistischen Strömungen innerhalb der Skin-Szene auseinander zusetzen.

Umso wichtiger erscheint es dem braunen Lager die Möglichkeit zu nehmen Konzerte und Zusammenkommen zu organisieren. Eine „unpolitische“ Skinhead-Subkultur muss sich entscheiden, ob sie weiterhin Neonazis in ihren Reihen dulden wird und somit einen Rahmen zur Rekrutierung schafft, oder ob sie weiterhin auf ihrer „Unpolitik“ beharren will und durch die mitwirkende Ignoranz immer stärker in die rechte Ecke rückt.

Erstveröffentlichung auf Indymedia Linksunten am 11. März 2017