Drohbriefe vom Staatsschutz - neuste Erkenntnisse
In Sachen Drohbriefe gegen unsere Strukturen gibt es einige neue Informationen. Wie der RBB ausführlich berichtet, wurde ein Ex-LKA-Mitarbeiter bereits rechtskräftig unter Geheimhaltung dafür verurteilt. Dies war geschehen, um den Rest des Staatsschutzes vor weiteren Ermittlungen zu schützen. Es ist offensichtlich, dass hier mal wieder die Einzeltäterthese herangezogen wurde um den faschistoiden Charakter der Polizei zu kaschieren. Wir wissen es besser und wir wissen noch mehr.
Hier als Grundlage der rbb-Bericht, der die (F)aktenlage gut darstellt: https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/02/drohbriefe-berlin-polizist-linke-szene-helfer.html
Das Wesentliche zunächst kurz zusammengefasst: Ein Original der Drohbriefe ist in die Hände der Bullen gelangt. Über dieses konnte der Drucker identifiziert werden, mit dem er gedruckt wurde. Es wurde ermittelt, dass dieser bei der Polizei steht. Über den ungefähren Zeitraum und den Umfang des Ausdrucks im Druckerprotokoll konnte ein ehemaliger Staatsschützer, Sebastian K., als Verdächtigter namhaft gemacht werden. Bei einer Hausdurchsuchung bei diesem wurde ein USB-Stick mit diversen Daten gefunden, die auch im Drohbrief verwendet wurden. In seiner Vernehmung gab er an, vollkommen eigenständig gehandelt zu haben. Seine Lebensgefährtin P. arbeitet immer noch beim Staatsschutz, dank der Aussage von Sebastian K. fiel aber kein weiterer Verdacht auf sie. Er selbst hat aber bereits vor einiger Zeit in eine andere Dienststelle gewechselt, weswegen er keinen Zugriff auf alle in den Drohbriefen enthaltenen Daten haben konnte. Im Sommer 2018 wurde die Ermittlungen dennoch abgeschlossen und K. unbürokratisch und unter Geheimhaltung vor der Datenschutzbeauftragten des Landes und eines Klägers aus den Reihen der Betroffenen verurteilt. Wegen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz muss er eine Geldstrafe von 3.500 Euro zahlen und ist nicht vorbestraft. Anfang 2019 schließlich erhielt der Kläger aus der Reihe der Betroffenen eine stark zensierte Akteneinsicht mit den Namen der zwei erwähnten Bullen.
Noch nicht öffentlich ist bis jetzt, dass Sebastian K. im Staatsschutz in der Auswerteeinheit LKA 52 AE arbeitete. Die Lebensgefährtin P. ist dort nach wie vor aktiv. Der RBB schreibt zwar, dass „P. für mindestens zwei der Personen zuständig [sei], die in den Drohbriefen aufgeführt wurden“, beleuchtet diese Tätigkeit aber nicht weiter. Auswerteeinheiten arbeiten an der Verarbeitung gewonnener Informationen und der Erstellung von Einschätzungen und Handlungsanleitungen für die ausführenden Kräfte (1). Diese Einschätzungen sind erfahrungsgemäß und logischerweise reißerisch, da sie als Legitimierung für die weitere polizeiliche Arbeit dienen. Derartige Einschätzungen spielten im vergangenen Jahr eine erhebliche Rolle beim polizeilichen Vorgehen gegen die rebellischen Strukturen um die Rigaer Straße. Das drückte sich einerseits in der Militarisierung der polizeilichen Präsenz in der Straße aus: Ende November fand eine Razzia an mehreren Orten in der Stadt statt, als deren Grund eine körperliche Auseinandersetzung in Kreuzberg genannt wurde. Bei der groß angelegten Razzia drangen auch SEK-Kommandos erstmals mit vorgehaltenen Sturmgewehren in die Rigaer94 ein. Andererseits haben die Einschätzungen aus den Auswerteeinheiten auch strafrechtliche Konsequenzen gehabt: ein Bewohner der Rigaer94 wurde für mehrere Monate in U-Haft gesteckt, weil es polizeiliche Erkenntnisse gäbe, dass er Zeugen bedroht hätte, die in einem weiteren Fall einer körperlichen Auseinandersetzung gegen ihn aussagen sollten. Benutzt wurden außerdem ausführliche rassistische Diffamierungen und die Zuschreibung, er sei der Türsteher der Rigaer94 sowie brutaler Schläger. Er wurde in der ersten Instanz zu anderthalb Jahren Haft verurteilt. Interessant ist, dass dem Urteil tendenziöse Zeugenaussagen aus der Nachbarschaft zu Grunde liegen, die eindeutig erfunden und abgesprochen waren. Genau diese Zeug*innen wurden von P., also der Lebensgefährtin von Sebastian K. „vernommen“. Wie die Rigaer94 bereits auf Twitter mitteilte, ist auch hier der Name der P. bekannt. Die ‘94 schreibt: „Damit dürfte auch geklärt sein, was es mit den in Isa's Akte vermerkten 24 unaufgeklärten Telefonaten und 3 geheimen Treffen zwischen LKA5 und Schnitzmeiers [eines der zwei Zeugenpaare] auf sich hat.“
Wir wissen zusätzlich aus einem Bericht der Jungen Welt vom Wochenende zum Untersuchungsausschuss zum Attentat am Berliner Weihnachtsmarkt, dass dort ein LKA-Ermittler ausgesagt hat, dass die Observation von Anis Amri 2016 abgebrochen wurde, weil das LKA-Dezernat für Linksextremismus „zwei angeblich noch gefährlichere Personen zur Observation benannt“ hatte. Schon vor längerem wurde bekannt, dass diese Kräfteverlagerung im Rahmen der Teilräumung der Rigaer94 stattfand. Da im RBB jetzt auch die Rede von „mindestens zwei Personen“ ist, für die P. zuständig ist, liegt der Schluss nahe, dass hier die Rede von den selben zwei Personen ist. (2) Dies ist aber insofern nebensächlich, als P. sicherlich nicht die Kompetenz hatte, einen Großteil der gesamten verfügbaren Observationskräfte zu verlagern. Aus den Akten zur Räumung der Kadterschmiede 2016 wissen wir bereits jetzt, dass der Einsatz von einer Art Generalstab geplant wurde. (3)
Den meisten Betroffenen des Drohbriefes sind die Informationen bereits seit einiger Zeit bekannt und es war geplant diese zu veröffentlichen. Leider sind uns Diejenigen zuvor gekommen, die durch konstruktive Kritik und vor allem die Einzeltäterthese dabei mithelfen, den Gewaltapparat im demokratischen Sinne zu perfektionieren.
Innerhalb derjenigen Strukturen, die eigentlich durch die Drohbriefe angegriffen werden sollten, ist niemand überrascht von den Erkenntnissen. Der Staatsschutz arbeitet gut und effektiv daran, emanzipatorische, widerständige Milieus zu bearbeiten, was die geschilderten Umstände belegen. Dass er dabei zuweilen parastaatlich erscheint, wie in unserem prominenten Drohbrief-Fall, ist als Ausübung der demokratisch legitimierten Staatsgewalt zu verstehen. Die jüngste Gesetzgebung in Sachen Gefährdern bedeutet nichts anderes, als umfassende geheimdienstliche Befugnisse für den Staatsschutz und impliziert die „robuste“ Bekämpfung fundamentaler Opposition. Natürlich zirkulieren Dateien und Ordner mit unseren teils intimen Daten in den für uns zuständigen Polizeistellen. Wozu sonst, wenn nicht zur Datensammlung, werden wir überwacht? So auch die vielen Erfahrungen mit körperlicher Gewalt durch die staatlichen Schlägertrupps, welche von fast allen Seiten gefördert und gefordert wird. Warum sonst, wenn nicht zur Anwendung, trägt die Polizei Knüppel, Pfefferspray, Taser und Sturmgewehre? Warum sonst gibt es Gesetze, die sogar schon passiven Widerstand als Grund für brutales Vorgehen und Knast festlegen?
Wir lassen uns aber weder von den Drohbriefen, noch von den Leaks unserer Daten auf halleleaks (4), noch von körperlicher Gewalt oder strafrechtlichen Ermittlungen verunsichern. In den letzten Jahren ist insbesondere im Kontext des Kampfes in der Rigaer Straße einiges an Mitteln ausprobiert worden, um uns zum Schweigen zu bringen – erfolglos. Dass das so bleibt, benötigen wir in erster Linie eine Zusammenarbeit von Allen, die wie wir von staatlicher Repression betroffen sind. Verbreitet diese Informationen, werdet aktiv und kämpft gegen diesen Staat und diejenigen, die ihn brauchen!
Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der jungen Frau, die von Peter G. totgefahren wurde! Wir pissen auf dieses Stück Scheiße und seine Polizeifamilie, die ihn deckt und das Opfer verleumdet!
Einige Betroffene
1) Die Auswerteinheit erstellt neben Psychogrammen zu "politischen" Verfahren auch Gefahrenprognosen, auf Grund derer Menschen als Gefährder (link zum gefaehrlich blog) eingestuft werden, als Kontakpersonen zu Gefährdern, oder die auch als Grundlage von DNA Speicherungen in der DAD herhalten müssen, wenn die DNA im eigentlichen Verfahren die Unschuld des Beschuldigten belegt. Hier wurde kürzlich das Vorgehen des LKA 52 von einem Gericht als unzulässig im Kotti Verfahren bezeichnet. Weiter Infos dazu demnächst.
2) Bestätigt wurde die These mittlerweile von Martina Renner, die für die Linkspartei im Bundestag sitzt. Sie schreibt: „Brisant für den Breitscheidplatz-Untersuchungsausschuss: Besagte LKA-Beamtin P. war wohl Sachbearbeiterin der Observationsfälle Links, die ab Juni 2016 wichtiger gewesen sein sollen, als die Überwachung des späteren Attentäters Amri.“ Ihre widerliche Konsequenz und die Herbeiziehung der Einzeltäterthese folgt aus dem Fuß: „Offenbar waren einzelnen Beamt*innen ihr persönlicher Kampf gegen Links wichtiger, als die Arbeit. Fehlentscheidungen im Fall Amri liegen auch hierin begründet. Das gesamte System LKA Berlin gehört auf den Prüfstand.“
3) Anfang März wird es eine Gerichtsverhandlung geben, in der möglicherweise mehr Informationen über den polizeilichen Räumungseinsatz bekannt werden
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 22. Februar 2019
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