Bärgida und der Gegenprotest
Bärgida hat nun schon sechs Demonstrations(versuche) in Berlin durchgeführt. Bärgida stieß dabei auf engagierten Widerstand. In den letzten Wochen nahm die Zahl der Gegendemonstrant*innen allerdings merklich ab. Es wird auch in den kommenden Wochen wichtig sein, die rassistischen Bärgidademos zu stören und zu behindern. Es darf keine Normalisierung von rassistischen Aufmärschen geben.
Sechs Bärgida-Demos
Ein erster Versuch von „Bergida“ war im Dezember kläglich gescheitert. Deswegen wichen die rassistischen Veranstalter*innen auf den peinlich klingen Namen „Bärgida“ aus.
Beim ersten Aufmarschversuch am 5. Januar wurde auch von den Heimnazis aus den Randbezirken nach Mitte mobilisiert. Es gab keine Nazidemo in Marzahn am gleichen Tag. 5000 stellten sich der Demo entgegen, sie konnte nicht laufen. Die Heimnazis wendeten sich daraufhin von Bärgida ab und setzten weiter auf die rassistischen Demos in den Randbezirken.
Auch in der kommenden Woche waren wieder einige tausend Mensch gegen Bärgida auf der Straße, die Rassist*innen konnten nur eine kurze Route laufen. In den letzten Wochen kamen aber immer weniger Menschen zu den Gegenprotesten. Nach dem dritten Aufmarschversuch wich Bärgida auf eine Route vom Hauptbahnhof zum Kanzler*innenamt aus. Diese Route kann leicht von der Polizei abgeriegelt werden, eine Blockade scheint eher unrealistisch zu sein.
Bei den Teilnehmer*innenzahlen bei Bärgida gibt es ebenfalls eine leichte Abwärtstendenz. Allerdings gibt es keine verlässlichen Zahlen, da die Angaben der Polizei ziemlich willkürlich zu sein scheinen.
Wer ist Bärgida?
Das kann hier nicht ausführlich beantwortet werden. Es ist aber klar, dass die Demoorga nicht von klassischen Nazis geleitet wird. Auf den Demonstrationen sind immer wieder Israelfahnen zu sehen, was bei klassischen Nazis auf Ablehnung stößt. Die Israelfahnen stehen aber nicht für ein Eintreten gegen Antisemitismus, sondern für eine bestimme Strömung der neuen Rechten, welche antimuslimischen Rassismus in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stellt. Das Klientel von Bärgida ist demnach auch der neuen Rechten zuzuordnen. Demoberichte werden immer wieder auf der rassistischen Website Pi-News publiziert, auch die AfD und Pro Deutschland mobilisieren zu den rassistischen Demonstrationsversuchen. Außerdem beteiligen sich rechte Hooligans aus dem Hogesa-Umfeld und Rassist*innen von der Köpenicker Heimmobilisierung an den Bärgida-Demonstrationen. Eine Beteiligung der „Identitären Bewegung“ erscheint ebenfalls wahrscheinlich. Es kann hier durchaus von einer rechten Querfront geredet werden, auch wenn die NPD und die Personen aus dem „Nationalen Widerstand“ in den letzten Wochen nicht mehr bei den „Bärgida“-Demos sind.
Dabei handelt es sich bei den Berliner Demos durchaus um regionale Demonstrationen. Außer in Cottbus gibt es in Brandenburg bisher keinen Pegida-Ableger, es werden sich an den Bärgida-Demos deswegen auch viele Menschen aus Brandenburg oder dem Berliner Umland beteiligen. Außerdem ist in der Pegida-Bewegung auch immer wieder ein „Demotourismus“ feststellbar. Vor allem Menschen aus Sachsen kündigen immer wieder ihr Erscheinen bei „Bärgida“ an. Gleichzeitig sind zu den Hochzeiten von Pegida viele Berliner Rassist*innen nach Dresden gereist.
Berlin hat für viele Menschen eine symbolische Bedeutung. Die Rassist*innen fühlen sich wichtiger, wenn sie vor dem Bundeskanzler*innenamt stehen, als wenn sie sich auf dem Marktplatz von Hoyerswerda versammeln.
Es ist deswegen damit zu rechnen, dass die Teilnehmer*innenzahlen von „Bärgida“ in den nächsten Wochen nicht rasant einbrechen werden. Da die wöchentlichen Demonstrationen einen Strategiewechsel erschweren, ist auch damit zu rechnen, dass die Demos solange stattfinden werden, bis es nicht mehr geht. Unter 50 Personen müssten die Rassist*innen dann allerdings auf den Bürgersteig wechseln.
Die Marzahner Demos zeigen, dass auch Wochen nach dem Höhepunkt der Mobilisierung immer noch Demos stattfinden und der harte Kern der Rassist*innen an ihren identitätsbildenden Montagsdemos festhält. Dieser Entwicklung hat sich der Gegenprotest anzupassen.
200 in Berlin, 20.000 in München, 40.000 in Lepizig
Der Gegenprotest in Berlin war in Relation zu anderen Städten immer deutlich kleiner. Während in vielen deutschen Städten über 10.000 Menschen auf die Straße gingen, war die Mobilisierung in Berlin immer wesentlich kleiner.
Das ist zum einen auf das Fehlen einer handlungsfähigen „Zivilgesellschaft“ in Berlin zurückzuführen. Während in kleineren Städten Parteien, der Bürgermeister oder engagierte Bürger*innen große „Wir sind doch eine bunte Stadt“-Kundgebungen organisierten, gab es keinerlei Ansätze davon in Berlin.
Die Aufrufe zu den Anti-Bärgida-Demos wurden vom „Bündnis gegen Rassismus“ gestartet. Hier kann eine bürgerliche Wohlfühlbewegung weniger gut andocken, weil auf den Demos gesellschaftlicher und staatlicher Rassismus immer wieder offen benannt wurde. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten wurde der Protest in Berlin besonders stark von Betroffenen von Rassismus gestaltet.
Die bürgerlichen Spektren der NoPegida-Bewegung verloren nach dem zweiten Aufmarschversuch ihr Interesse, für sie ist Pegida nun erledigt. Sie entscheiden sich fortan für ein Ignorieren. Auch die Medien berichten in den letzten Wochen deutlich weniger.
Auf der anderen Seite hat die radikale Linke in Berlin ebenfalls kein sonderlich großes Interesse an Bärgida entwickelt.
Zum einen ist die Antifabewegung in Berlin stark mit den rassististischen Mobilisierungen in den Randbezirken beschäftigt. Die geleistete antifaschistische Praxis war extrem wichtig um die rassistische Mobilisierung zu stoppen. Das im Dezember fast jeden Montag hunderte Gegendemonstrant*innen in Marzahn unterwegs waren, ist ein Erfolg. Mit der nachlassenden rassistischen Mobi wurde aber auch die Mobi nach Marzahn deutlich kleiner, nach Buch, Köpenick und Hohenschönhausen konnten nie viele Antifaschist*innen mobilisiert werden.
Zum anderen wurde ebenfalls schnell der Schluss gezogen, dass „Bärgida“ zu vernachlässigen sei, weil es leicht sein würden viele Menschen nach Mitte zu mobilisieren. Die ersten Mobilisierungserfolge gegen Bärgida beruhten vorrangig auf sozialen Netzwerken und einer allgemeinen Erregung. Nach dem diese Dynamik nicht mehr vorhanden ist, ist die Mobilisierung deutlich erschwert.
Perspektiven
Es ist damit zu rechnen, dass Bärgida auch in den nächsten Wochen weitere Aufmarschversuche starten wird. Auch die Randbezirksmobi der Nazis ist noch längst nicht vorbei. Es muss das Ziel sein diese Demoversuche weiter zu begleiten ohne zuviele Ressourcen, Zeit und Energie aufzuwenden. Es ist wichtig auch wieder verstärkt eigene Akzente zu setzen, wie mit der antirassistischen Demo am 28. Februar in Dresden.
Berlin hat in den letzten Monaten soviele rassistische Demos erlebt, wie vielleicht noch nie. Die radikale Linke konnte teilweise gut reagieren und viele Leute mobilisieren. Die Situation mit der nachlassenden rassistischen Mobilisierung ist allerdings unbefriedigend. Denn wir sollten weiter Druck machen und die Straßen erobern. In Berlin gibt es die meisten Angriffe auf Geflüchtete, noch mehr als in Sachsen. Die Situation ist also durchaus ernst.
Gleichzeitig inszeniert sich Berlin als weltoffene und tolerante Stadt. Das ist blanker Hohn, wenn man sich die Senatspolitik anschaut. Die radikale Linke muss erneut in die Offensive gegen den Rassismus in Gesellschaft und Staat kommen. Dabei könnten der Refugeeprotest mit den antifaschistischen Abwehrkämpfen verbunden werden. Wir sollten unsere Idee von Solidarität stärken, unsere solidarischen Ansätze bei der Zusammenarbeit mit Geflüchteten oder Betroffenen von Zwangsräumungen propagieren. Wenn der Staat immer mehr die Kontrolle über seine „Bürger*innen“ verliert, müssen wir nicht den Staat verteidigen, sondern unsere Vorstellungen von Mitmenschlichkeit und Herrschaftskritik.
Solange die rassistischen Demos laufen müssen wir weiter dort sein und eine Normalisierung verhindern. Das macht keinen Spass, ist aber notwendig. Berlin, komm mal klar!
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 15. Februar 2015
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