Damals wie heute: Antifa heißt Angriff!
25 Jahre ist es her: Am U-Bahnhof Samariterstraße ermordeten Neonazis den Antifaschisten und Hausbesetzer Silvio Meier. Diese Gewalttat reihte sich ein in eine Vielzahl rechter Übergriffe, Anschläge, Pogrome und Morde in den 90ern. Ins Visier der Neonazis und Alltagsrassist_innen gerieten (vermeintliche) Ausländer_innen, wohnungslose Menschen, Linke und alle anderen, die nicht in das menschenfeindliche Weltbild der extremen Rechten passten. Sie ermordeten seit 1990 mindestens 192 Menschen. Es war vor allem die radikale Linke, die dagegen Widerstand leistete. Auf die sogenannte Zivilgesellschaft war schon damals kein Verlass. Stattdessen machte die Antifa-Bewegung gehörig Druck und an vielen Orten konnten die Neonazis zurückgedrängt werden. Auch Silvio Meier gehörte dazu, musste seinen gelebten Antifaschismus jedoch bitter bezahlen. In Gedenken an ihn finden sich seit seinem Tod jährlich tausende Antifaschist_innen zu einer Demo zusammen: Entschlossen und kämpferisch, schwarz gekleidet im Dunkeln und mit Feuerwerk zeigt die Demo, dass dem Faschismus noch etwas entgegengesetzt wird.
Neonazis und „besorgte“ Bürger_innen
Heutzutage scheint dies notwendiger denn je. Die extreme Rechte ist wieder auf dem Vormarsch: Angriffe und Anschläge auf geflüchtete Menschen oder deren Unterkünfte finden in Deutschland fast täglich statt. Dabei sind es nicht nur organisierte Neonazis, die gewalttätig werden, sondern oftmals scheinbar „normale“ oder „besorgte“ Bürger_innen. Dass die Grenzen zwischen diesen „besorgten“ Bürger_innen und überzeugten Neonazis fließend sind, zeigen nicht nur die Gewalt, sondern auch die wöchentlichen Pegida-Demonstrationen in Dresden und anderswo.
Gleichzeitig hat auch die Szene der organisierten Neonazis Zulauf. Mit den Identitären versucht seit ein paar Jahren eine Gruppe von Hipster-Nazis Aufmerksamkeit zu erregen. Dies gelingt ihnen leider, auch wenn die meisten ihrer Aktionen kläglich scheitern. Doch das reicht, um auch in großen Tageszeitungen lange Interviews zu bekommen. Weniger Beachtung findet jedoch die klassische Naziskinszene, doch auch diese ist wieder im Aufwind. In einigen ländlichen Gebieten haben sie immer noch die kulturelle Hegemonie und im Sommer des Jahres 2017 fand im thüringischen Themar das größte deutsche Rechtsrockkonzert seit langem statt.
Es ist nicht so, dass es keine Gegenwehr gäbe. Doch es ist definitiv zu wenig und in Anbetracht dieser Entwicklungen dringend geboten. Dabei können wir nicht auf den Staat und die Zivilgesellschaft vertrauen, sondern müssen die Sache selbst in die Hand nehmen.
Staat und Nazis Hand in Hand
Wenn den Nazis nicht entschlossener Widerstand entgegengesetzt wird, entstehen Gruppen wie der NSU. Dieser „Nationalsozialistische Untergrund“ ist ein Resultat der Morde und Pogrome der frühen 90er-Jahren und ist entstanden im rechten Siegestaumel über die faktische Abschaffung des Asylrechts. Das Ergebnis war eine über Jahre hinweg agierende Gruppe von Terrorist_innen die mindestens 9 rassistisch motivierte Morde, Sprengstoffanschläge und zahlreiche Banküberfälle verübte. Der Staat hat dies erst viel zu spät erkannt – seine sogenannten Sicherheitsbehörden ermittelten vielmehr gegen „Dönermorde“. Hier zeigt sich staatlicher Rassismus, denn das Versagen des Staates im Zusammenhang mit dem NSU hat System: Nicht nur, dass der extrem rechte Charakter der Straftaten nicht erkannt werden wollte, sondern auch, dass der Staat selbst mit dem NSU verbandelt war. Der Verfassungsschutz hatte Kontakt zu den Terrorist_innen, vermutlich hat er sie sogar über V-Leute mit Geld und Waffen versorgt. Genaue Details werden wir aber wohl nie erfahren, da die fleißigen Verfassungsschützer_innen seit Enttarnung des NSU zahlreiche Akten vernichtet haben. Insofern haben auch die Untersuchungsausschüsse und der Prozess gegen Beate Zschäpe und einige wenige Unterstützer_innen nicht viel gebracht. Die entscheidenden Fragen bleiben unbeantwortet: Warum konnte der NSU so lange ungestört agieren? Wie groß war die Terrorgruppe und das Unterstützer_innenumfeld wirklich? Welche Rolle haben der Verfassungsschutz und andere Behörden gespielt? Stattdessen zeigt der Staat, dass er sich nicht ernsthaft mit seiner eigenen Gewalttätigkeit und seinem eigenen Rassismus auseinandersetzen will. Diese Probleme sollen vielmehr an den Rand der Gesellschaft geschoben und staatliche Institutionen entlastet werden. Deshalb bleiben wir dabei: Dieser Staat ist rassistisch und sein Verfassungsschutz ist nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems!
Nazis im Bundestag und ihre Hetze in den Leitartikeln
Auch eine andere Lüge der sogenannten Sicherheitsbehörden ist inzwischen in aller Deutlichkeit entlarvt: Extrem rechtes Gedankengut ist kein Problem der Ränder der Gesellschaft. Tatsächlich sind autoritäre Politik- und Gesellschaftsvorstellungen wieder en vogue und in allen gesellschaftlichen Milieus vorhanden. Was noch vor ein paar Jahren zu Recht unsagbar war, findet sich inzwischen in den Leitartikeln und Kommentaren der großen Medien und was früher als „Mitte“ galt, scheint heutzutage schon linksextrem zu sein. Da zeigt sich, dass der Sommer der Willkommenskultur nur sehr kurz gewährt hat. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung haben die Gegner_innen einer humanen Asylpolitik gewonnen, wodurch sich der gesellschaftliche Diskurs nach rechts verschoben hat.
Der sichtbare Ausdruck und ein Ergebnis dieser Diskursverschiebung ist der Erfolg der Alternative für Deutschland. Mit dieser Partei sitzt erstmals seit den 50ern wieder eine Partei im Bundestag, deren Mitglieder offen rassistische, antisemitische, geschichtsrevisionistische und neonazistische Positionen vertreten. Ihr Programm ist eine erschreckende Mischung aus Neoliberalismus und völkischem Gedankengut. Dabei ist sie nicht nur Ergebnis der Diskursverschiebung, sondern wirkt auch selbst als Katalysator: Durch Provokationen wird der Sagbarkeitsraum nach rechts erweitert. Die anderen Parteien rennen den Neonazis der AfD nach rechtsaußen hinterher und streiten darüber, wer schneller und härter abschieben kann. Wie in den 90ern legitimieren die Herrschenden damit die Gewalt des rechten Mobs.
Dagegen aktiv werden – selbermachen!
Es ist also schon wieder fast so schlimm wie in den 90ern, als Silvio Meier und viele andere ermordet wurden. Es liegt an uns, dagegen anzukämpfen, denn auf die bürgerlichen Parteien und ihren Staat können wir nicht vertrauen. Wir müssen linke Strukturen aufbauen und verteidigen, gegen staatliche Repression und gegen Gentrifizierung. Denn dort, wo die Linke stark ist, ist die Rechte schwach. Das heißt: Selber machen! Nicht alleine, sondern als Kollektiv: Sich in Gruppen organisieren, Häuser besetzen, soziale Zentren errichten, Faschisten bekämpfen! Antifa ist der Kampf ums Ganze!
Deshalb machen wir auch dieses Jahr zum 25. Mal die Silvio-Meier-Demo. Es wird zwar das letzte Mal sein, dass wir, die radikale linke | berlin, diese Demonstration mitorganisieren – aber hier und jetzt ist es notwendig, eine starke Antifa-Demo zu machen. Kommt deshalb alle zur Silvio-Meier-Demo am 25. November um der Öffentlichkeit, dem Staat und den Nazis deutlich zu machen, dass es immer noch eine starke Linke gibt! Auf die Straße gegen Neonazis, gegen den staatlichen Rassismus und für die solidarische Gesellschaft!
Alerta Antifascista!
Mahnwache: 21. November | 17 Uhr | U-Samariterstr.
Diskussion über linke Gedenkkultur: 23. November | 19 Uhr | Kinzigstr. 9
Demo: 25. November | 17 Uhr | Samariterstr./U-Silvio-Meier-Straße
Partys: Nach der Demo im Sama-Cafe
Erstveröffentlichung auf radikale linke berlin am 30. Dezember 2024
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