Die „Schutzzonen“-Kampagne der NPD
Seit dem 20. Juni 2018 ist die NPD mit einer Kampagne unter dem Titel „Schafft Schutzzonen“ (kurz SS) im Netz aktiv. Mit Merch wie Basecaps, Warnwesten und jeder Menge Propaganda wird zur Bildung von Teams aufgefordert um Orte zu schaffen „an denen Deutsche Sicherheit finden können“. Betrachtet man sich die professionell aufgezogene Kampagne genauer, erscheint sie als nichts weiteres als ein lauwarmer NPD-Aufguss des Bürgerwehrkonzepts.
Im Rahmen der rassistischen Mobilisierungen ab 2014 gründeten sich in etlichen Städten sog. Bürgerwehren, also Menschen, die das Ankommen der Flüchtlinge als Gefahr für Sicherheit und Eigentum empfanden. Aus dieser grundsätzlich rassistischen Annahme und dem Gefühl, dass die staatlichen Behörden keinen Schutz boten, wurde sich selber organisiert, Patrouillen gelaufen und im Extremfall sich auch bewaffnet. In wiefern Bürgerwehren in konkreten Fällen über einen längeren Zeitraum wirkmächtig wurden, kann hier nicht nachvollzogen werden.
Wie auch sonst bei dieser rassistischen Mobilisierung kann aber festgestellt werden, dass die NPD zu spät die Dynamik erkannte und nur sehr partiell eigene Bürgerwehren mit minderem Erfolg praktizierte. In Berlin machte nur die Pankower NPD in den letzten Jahren unregelmäßige Versuche, im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften mit NPD-Westen als „Kiezstreife“ zu provozieren. Nicht selten wurden sie dabei von der Polizei kontrolliert, so dass die Aktion ihren Sinn verlor. Aus dem Kreis um den Pankower Vorsitzenden Christian Schmidt scheint auch der Impuls zu der aktuellen Kampagne gekommen sein.
Die Kampagne „Schafft Schutzzonen“
Die aktuelle Kampagne „Schafft Schutzzonen“ ist so gesehen ein lauwarmer Aufguss eines lauwarmen Aufgusses. Sie zielt nicht in erster Linie auf eine reale Etablierung dieses Konzepts ab, sondern auf eine Skandal und die damit verbundene Öffentlichkeit. Nur wenige Aktivitäten hat die Berliner NPD seit dem Launch der Kampagne entfaltet. Lediglich einzelne Brandenburger NPD-Verbände sind mit Aktionen gefolgt.
Mit etwa einem Monat Verspätung scheint zumindest die Berliner Lokalpresse auch darauf anzuspringen. Mehrere Zeitungen berichteten inzwischen über die Aktion und befragten Polizei und Bahn zu deren Rechtmäßigkeit.
Der personelle und logistische Aufwand, den die NPD dafür einsetzte hält sich bisher in Grenzen. Dokumentiert sind bisher in Berlin lediglich drei Aktionen:
- Vor dem 22. Juni:
Im Rahmen des Videodrehs für „Deutsche Stimme TV“ zogen sechs Neonazis – Sebastian Schmidtke, Ronny Zasowk, Christian Schmidt, Stefan Seidel, Fabian Knop und ein weiterer Neonazi – durch Berlin-Buch und fuhren mit der S-Bahn bis zum S-Bhf. Gesundbrunnen. Sie simulierten dabei Bürgergespräche und traten in der S-Bahn als Secu-Personal auf. Der Werbeclip ist als Aufforderung an andere Neonazis gedacht, sich dem Aktionskonzept anzuschießen. - Am 6. Juli:
Auf Facebook wurde der Berliner Lautsprecherwagen der NPD mit einer „Schutzzonen“-Beklebung gezeigt und dem Hinweis, dass er jetzt so in Berlin unterwegs wäre. Ob das je passiert ist, ist nicht nachzuprüfen. - Am 13. Juli:
Der Berliner NPD-Vorsitzende Andreas Käfer ließ sich zusammen mit Oliver Niedrich und einem weiteren Neonazi in „Schutzzone“-Westen fotografieren. Am selben Tag posierte Käfer mit der Weste auf einer NPD-Kundgebung in Hohenschönhausen.
Niedrich scheint auch für den Merch verantwortlich zu sein. Er ist auf Fotos der angebotenen Artikel zu sehen.
Aktuell:
Mehr passierte nicht. Da die Berliner NPD sonst jede Aktivität im Internet dokumentiert, ist davon auszugehen, dass im Rahmen der Kampagne bisher lediglich neun Berliner Neonazis im Rahmen von zwei Auftritten teilgenommen haben. Ein machtvoller Auftritt ist auch das nicht.
Es ist nicht davon auszugehen, dass sich hier eine neue rassistische Massenbewegung aus den Reihen der NPD gründet. Vielmehr handelt es sich um einen halbwegs professionell aufgezogenen Versuch, sich als „Recht und Ordnungs“-Partei zu profilieren und ein bisschen Presseöffentlichkeit abzugreifen. In Zeiten der AfD nicht mehr die leichteste Übung.
Für Antifaschist_innen heißt das:
Nicht über das Stöckchen der NPD springen. Natürlich sind Nazis in Uniformen, die sich als Scheriffs aufspielen ein Problem. Aber der Skandal, der gerade heraufbeschworen wird, ist ein von den Nazis gewollter. Solltet ihr – und das ist eher unwahrscheinlich – mal Nazis in SS-Westen treffen zeigt ihnen auf eure ganz eigene Weise, was ihr davon haltet.
Erstveröffentlichung auf Indymedia am 19. Juli 2018
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