Flashmob: "Keine Vermietung an die AfD"
Am heutigen Morgen (19.12.2016) wurde die Geschäftsstelle der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft HoWoGe in der Ferdinand-Schulze-Straße in Berlin-Lichtenberg kurzzeitig von rund 15 Weihnachtsmenschen „besetzt“. Unter dem Motto „Eine Rute für die Ho-Ho-HoWoGe!“ wurde der Pressesprecherin symbolische eine Rute für die Vermietungspraxis im zurückliegenden Jahr übergeben. In einem gleichzeitig verlesenen Brief an die Geschäftsführung (Text s.u.) wurde vor allem die Vermietung von Geschäftsräumen an Rassisten kritisiert. Konkret ging es um die Räume in der Möllendorfstraße 74, welche die HoWoGe an die Firma „Arbeit und Beratung“ des Berliner AfD'lers Andreas Wild vermietet.
Dabei steht eine Vermietung an Wild in direktem Gegensatz zur sonstigen Geschäftspraxis bzw. der Selbstdarstellung der HoWoGe. Das Unternehmen ist Träger des Preises „Soziale Stadt 2016“ und Mitunterzeichner der „Charta der Vielfalt“, in der es sich u.a. der Wahrung und Wertschätzung gesellschaftlicher Vielfalt verpflichtet. Wenn es gleichzeitig Gewerberäume an rassistische Menschenfeinde vermietet, trägt das sicherlich nicht zu diesem Ziel bei. Mit dem vorweihnachtlichen Flash-Mob sollte die HoWoGe an ihre eigenen Grundsätze erinnert und zur Einhaltung aufgefordert werden. Konkret bedeutet das die zeitnahe Auflösung des Mietverhältnisses. Um den Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen wurden gleichzeitig noch Flyer verteilt und der Weihnachtsbaum in der Lobby mit „Spruchkugeln“ umdekoriert.In persönlichen Gesprächen zeigten sich vor allem die anwesenden Mitarbeiter*innen entsetzt, mit wem ihr Arbeitgeber Geld verdient. Auch die Pressesprecher*in versprach, sich der Sache nanzunehmen und mögliche Schritte gegen Wild zu prüfen. Die Aktion soll dabei keineswegs dazu dienen, die Geschäftspraxis und das Image kapitalistischer Unternehmen "von unten" zu korrigieren. Doch zeigt sie Möglichkeiten auf, um die gesellschaftlichen Spielräume für die AfD mit anschlussfähigen Aktionen nachhaltig zu verkleinern. Natürlich bleibt abzuwarten, wie die HoWoGe tatsächlich auf diesen "vorweihnachtlichen" Denkzettel reagieren wird.
Hintergründe zu Andreas Wild
Andreas Wild sitzt momentan für die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus und zählt zu den völkischen Hardlinern der Partei. So organisiert er regelmäßig Fahrten zu den Kundgebungen Björn Höckes in Thüringen oder zu PEGIDA nach Dresden. Am 16.05.2016 trat er in Erfurt sogar mit Siegfried Däbritz, einem der Hauptorganisatoren von PEGIDA, zusammen als Redner auf. Die Rede erregte bundesweite Aufmerksamkeit, da Wild dort die Unterbringung von Geflüchteten in Barackenlagern „auf dem freien Feld“ forderte. Immer wieder provoziert Wild mit rassistischen Aussagen und sprach sich erst vor kurzen vor seinem Parteiverband in Steglitz-Zehlendorf für die öffentliche Verbrennung von Burkas aus. Mit solchen Meinungen ist Wild selbst für die AfD kaum noch tragbar, sodass sich der Berliner Landesverband umgehend von ihm distanzierte. Zusätzlich betreibt er mit seiner Frau die Arbeitsvermittlungsfirma "Arbeit und Beratung" mit einer Hauptgeschäftsstelle in Steglitz-Zehlendorf und einer Filiale in Lichtenberg. Gerade die Lichtenberger Geschäftsstelle wurde seit ihrer Eröffnung mehrfach mit Aktionen thematisiert [1] oder direkt angegriffen [2]. Andreas Wild und jedes andere AfD-Mitglied muss solange gestresst werden, bis sie die Kiez freiwillig verlassen oder durch Geschäftspleiten dazu gezwungen werden. Es darf keine stillschweigende Akzeptanz für die AfD geben.
Bilder von der Aktion: https://twitter.com/kimwinkler1312
[1] Antifaschistische Intervention bei der Eröffnung von "Arbeit und Beratung": https://linksunten.indymedia.org/en/node/177062
[2] Zerstörung der Büroraume: https://linksunten.indymedia.org/en/node/180458
Brief an die HoWoGe
Liebe HoWoGe,
als Nikolaus sehe ich viel und weiß noch viel mehr, damit ich beurteilen kann, wer in diesem Jahr Geschenke bekommt und für wen die Rute angemessener ist. Auch du hast dich 2016 redlich bemüht, im Rahmen deiner Möglichkeiten Gutes zu tun. Doch leider lassen mich Teile deiner Geschäftspraxis an deinen vorgeblichen guten Absichten zweifeln. Auf der einen Seite bemühst du dich im Rahmen einiger Neubauprojekte für sog. „Modulare Flüchtlingsunterkünfte“, dass geflüchtete Menschen in Berlin einen menschenwürdigeren Platz zum Leben bekommen. Mit diesem Engagement machst du dir nicht nur Freunde und musstest bspw. in Hohenschönhausen zahlreiche Anfeindungen aushalten.
Auf der anderen Seite beherbergst du seit dem 22.April 2016 in der Möllendorfstraße 74 eine Firma, die deinen sonstigen Überzeugungen so gar nicht zu entsprechen scheint - gemeint ist „Arbeit und Beratung. Geführt wird diese Arbeitsvermittlungsfirma von Andreas Roland Wild. Der ist zwar momentan Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die AfD aber bei Weitem kein angenehmer Zeitgenosse. So zählt er bereits innerhalb der Berliner AfD zu den völkischen Hardlinern und hat mit einer innerparteilichen Kampagne Anfang 2016 zum Rechtsruck der Partei in Berlin beigetragen. In Seiner Freizeit fährt Andreas Wild gerne zu seinem Freund Björn Höcke nach Erfurt und spricht auf dessen Kundgebungen. So trat er dort am 18.05.2016 zusammen mit Siegfried Däbritz, einem der Hauptorganisatoren der fremdenfeindlichen PEGIDA-Aufmärsche, auf. Doch Andreas Wild hat nicht nur rassistische Freunde. Auch er selbst scheut nicht vor menschenfeindlichen Aussagen zurück. So forderte er bei einer Rede in Erfurt die Unterbringung von Geflüchteten in Barackenlagern auf dem freien Feld oder unterstützte vor seinem Steglitz-Zehlendorfer Parteiverband die öffentliche Verbrennung von Burkas. Bei so viel Intoleranz und Menschenverachtung kann ich nur den Kopf schütteln.
Und so einen beherbergst du liebe HoWoGe. Einen Menschen, dessen politische Ansichten konträr zu allen deinen öffentlichen Verlautbarungen stehen. Heißt es nicht in der von dir unterzeichneten „Charta der Vielfalt“, dass du „die Vielfalt der Gesellschaft innerhalb und außerhalb der Organisation anerkennen, die darin liegenden Potenziale wertschätzen und für das Unternehmen oder die Institution gewinnbringend einsetzen [willst].“ In dem du Rassisten erlaubst, in deinen Räumen Geschäfte zu machen, trägt du vielleicht etwas zu ihrem und deinem Gewinn, aber sicher nicht zur Anerkennung gesellschaftlicher Vielfalt bei. Für mich sieht es fast so aus, als ob es dir in der Rede vom Potenzial einer vielfältigen Gesellschaft allein um die potentielle Mehrung des Gewinns geht. Sind dann die Bauaufträge für die Unterbringung Geflüchteter auch nur weitere Chancen der Gewinnmaximierung? Sind dir die menschlichen Schicksale deiner zukünftigen Mieter*innen so egal? Vielfalt predigen und Profit meinen - ein solches Verhalten ist für mich vieles, aber ganz sicher nicht „fair und integer“ wie du es von dir selbst im firmeneigenen „Verhaltenskodex“ behauptest. Vom Träger des Preises „Soziale Stadt 2016“ muss ich mehr erwarten.
Und auch wenn du den Bau von Unterkünften für Geflüchtete nur wegen der winkenden Profitmaximierung betreibst, stehen die politischen Absichten von Andreas Wild dem entgegen. Denn soweit ich weiß, liefert die HoWoGe kein „Bauholz, Hämmer, Sägen und Nägel“ und könnte dementsprechend auch nicht am Wild'schen Unterbringunsmodell mitverdienen. Oder spielst du eher mit dem Gedanken, dir für die entstehenden Unterkünfte schlecht bezahlte Mitarbeiter von Andreas Wild vermitteln zu lassen? Eventuell solche wie Hagen Labahn, ein ehemaliges Mitglied der inzwischen verbotenen Berliner Neonazi-Kameradschaft „Frontbann 24“? Der arbeitet nämlich auch für Wild und war bei der Eröffnung des Büros in der Möllendorfstraße anwesend. Ist das deine Vision von einer gewinnbringenden gesellschaftlichen Vielfalt? Auf der einen Seite Geflüchtete in speziell errichtete Wohnkomplexe mit potentiellen Neonazi-Bediensteten einpferchen und auf der anderen Seite weiter mit Rassisten und Menschenfeinden Geschäfts- bzw. Mietbeziehungen pflegen? Auch wenn diese Vorstellung momentan übertrieben erscheint, hab ich Angst, dass sie Realität werden könnte. Deswegen hab ich in diesem Jahr auch keine Geschenke für dich, liebe HoWoGe. Stattdessen gebe ich dir zwei gewinnbringende Hinweise mit auf den Weg.
Wer sich als Unternehmen tatsächlich für eine interkulturelle und vielfältige Gesellschaft einsetzen möchte, sollte das nicht nur in einzelnen prestige- und gewinnträchtigen Geschäftsbereichen machen, sondern als gesamtheitliche Unternehmensstrategie verfolgen.
Die Vermietung an Rassisten trägt in diesem Zusammenhang nicht zur unternehmerischen Glaubwürdigkeit bei.
Abschließend möchten wir dich an deinen besonderen sozialen Auftrag als öffentliche Wohnungsbaugesellschaft erinnern. Denn auch wenn du genau wie alle anderen den Logiken des Marktes unterworfen bist, hast du gewisse Verpflichtungen. Und ganz ehrlich; einen besseren als Wild findest du doch alle mal. Bitte verstehe diesen Brief als Anreiz, dein Verhalten in Zukunft zu ändern.
Mit vorweihnachtlichen Grüßen
dein Nikolaus
Erstveröffentlichung auf Indymedia Linksunten am 19. Dezember 2016
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