AfD-Stammtisch im BonVerde am S-Bhf Wannsee gestört
Vorherigen Mittwoch protestierten rund 40 Antifaschist*innen gegen einen Stammtisch der AfD in Zehlendorf. Eine Viertelstunde bevor die AfD mit ihrem Stammtisch anfangen wollte, tauchten sie vor dem Restaurant auf und begannen mit einer Kundgebung. Mit Parolen und Transparenten wurde deutlich gemacht, dass sich der Protest gegen die AfD richtete. Gegen die Pöbeleien der AfDler erklang lautstark: "Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!" und "AfD – Rassistenpack! Wir haben Euch zum Kotzen satt!"
Während die meisten AfDler und die wenigen AfDlerinnen auf Abstand zur Kundgebung blieben, tat sich insbesondere Joachim Andreas durch Pöbeleien hervor und suchte auch die körperliche Konfrontation. Auch bei der letzten Blockade des Stammtisches war Andreas an den Auseinandersetzungen beteiligt. Andreas ist einer jener Steglitz-Zehlendorfer AfDler, die die Kontakte zu anderen Spektren der extremen Rechten suchen. So nahm er am 5. Mai an einem Grillfest der Jungen Alternative im Garten der extrem rechten Burschenschaft Gothia Teil. Auf einem Gruppenfoto, dass diese zum Andenken geschossen haben, steht Andreas direkt hinter den beiden Neonazis Oliver Stallmann und Jenny Schreyer. Stallmann und Schreyer sind derzeit in der Identitären Bewegung Harz aktiv und waren zuvor bei der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN). Ebenfalls bei diesem Grillfest anwesend waren Volker Graffstädt und Hans-Joachim Berg. Graffstädt ist stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion in der Steglitz-Zehlendorfer BVV und organisiert mit dem Compact-Autor Peter Feist Seminare. Hans-Joachim Berg war lange Zeit Vorsitzender der Steglitz-Zehlendorfer AfD und wurde über die Landesliste in das Abgeordnetenhaus gewählt.
Zur Überraschung der meisten Antifaschist*innen tauchte Steve Hennig gemeinsam mit Frau und Baby beim Stammtisch auf. Hennig ist seit mindestens 2004 in der neonazistischen Szene Berlins unterwegs. Er galt als "Kopf" der neonazistischen Kammeradschaft "Freie Nationalisten Berlin Mitte" (FN Mitte), die 2010 insbesondere durch gewalttätige Aktionen im Wedding auffiel. Nach antifaschistischen Interventionen gegen Hennig und andere Mitglieder der Gruppe, sowie einer Hausdurchsuchung lösten sie sich noch im selben Jahr auf. Hennig und andere ehemaligen Mitglieder (u.a. Christian Schmidt) suchten daraufhin die Nähe des neonazistischen Netzwerkes NW Berlin. Folgerichtig beteiligte sich Hennig 2011 an einem Aufmarsch-Versuch des NW Berlin am U-Bhf Mehringdamm, bei dem die Neonazis die Polizei überrannte und auf mehrere am Boden sitzende Antifaschist*innen einprügelten. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 beteiligte sich Hennig an Kundgebungen der NPD. 2015 nahm er gemeinsam mit David Gallien, der ihn seit seiner Zeit beim FN Mitte begleitete, an dem Naziaufmarsch "Tag der deutschen Zukunft" in Neuruppin teil. Hennig - dank seiner langen Nazi-"Karriere" mit antifaschistischer Gegenwehr vertraut - blieb im Gegensatz zu vielen anderen AfDlerInnen auf Abstand zu den Antifaschist*innen und fuhr schließlich lieber nach Hause als trotz Gegenprotest an dem Stammtischteilzunehmen.
Weiterhin waren unter anderem Sabine Gollombeck, Lutz Ammer und Wolfgang Blum beim Stammtisch anwesend.
Erschreckend war, wie viele der AfDlerInnen offensichtlich an die Verschwörungstheorien einer staatlich bezahlten Antifa glaubten. Mehrere AfDlerInnen äußerten in völligemErnst die Überzeugung, die Antifaschist*innen würden für die Aktion "Demogeld" vom Staat erhalten. Ebenso waren sie zutiefst davon überzeugt, dass alle Gegendemonstrant*innen keine Arbeit hätten und von Hartz 4 leben würden. Unklar blieb, ob in ihrer Ideenwelt das "Demogeld" vom Hartz 4 abgezogen oder doch eher schwarz auf die Hand gezahlt würde...
span>Als die Polizei nach einer Viertelstunde auftauchte, wurde eine spontane Kundgebung angemeldet. Derweil forderten die AfDler und AfDlerinnen lautstark die Räumung des Gegenprotests. Dieser würde den Zugang zum Restaurant behindern. Dabei spielte sich Gottfried Curio (Vorsitzender der AfD Steglitz-Zehlendorf und Mitglied des Abgeordnetenhaus) zum Verantwortlichen hoch und versuchte der Polizeiführung Anweisungen zu erteilen. Während die Anmelderin mit der Polizei noch über den endgültigen Kundgebungsort diskutierte, wurden immer mehr Bullen in Riot-Uniform bei der Kundgebung zusammengezogen. Als diese schließlich anfingen Stress zu schieben, entschieden sich die meisten Antifaschist*innen, dass alles erreicht wurde, was an diesem Tag erreicht werden konnte und gingen zu den Bahnsteigen. So konnten die AfDlerInnen mit ein wenig Verspätung doch noch einem Vortrag von Daniela Oeynhausen (AfD Birkenwerder) über ihre reaktionären Vorstellungen von Familienpolitik und Bevölkerungsentwicklung lauschen. Leider hielten die Bullen trotz angemeldeter Kundgebung rund ein dutzend (vermeintlicher) Teilnehmer*innen auf dem Bahnsteig fest und erfassten die Personalien für ihre Datenbanken.
Dass solche direkten Aktionen gegen die Veranstaltungen der AfD diese dort treffen, wo es weh tut, zeigt neben der weinerlichen Pressemitteilung der AfD-Fraktion in Steglitz-Zehlendorf nicht zuletzt die Reaktion von Volkert Wögens via Facebook. Wögens ist seit langem aktiver Wahlkämpfer der AfD in Steglitz-Zehlendorf, auch wenn er es selbst noch nicht zu einem Posten geschafft hat. Via Facebook-Kommentar forderte er beim nächsten Mal "sich den Weg frei[zu]prügeln", "sofern man zum Ergebnis kommt, dass man vom Kräfteverhältnis her stärker ist." Alles andere sei "Feigheit vor dem Feind". Selbstverständlich fühlt er sich mit diesen Gewaltfantasien felsenfest auf dem Boden des Gesetzes und meint, sich bei einem solchen Angriff auf eine Kundgebung auf das Notwehrrecht berufen zu können.
Gegen das Restaurant und Hotel BonVerde, besser bekannt als Wannsee-Hof, in dem der AfD-Stammtisch stattfand, hatte es bereits in der Vergangenheit vermehrt Proteste gegeben. Bereits im September 2016 wurde ein Stammtisch dort gestört und das Lokal zuplakatiert. Im März und April diesen Jahres hatten Antifaschist*innen mehrmals vor dem Lokal Flyer verteilt und (potentielle) Gäste über die Vermietung an die AfD informiert. Schließlich kamen Ende April rund 50 Antifaschist*innen zu einer Kundgebung vor dem Lokal zusammen.
Nach der Kundgebung hatte der Pächter des Restaurants erklärt, er habe Björn Höcke, Beatrix von Storch und Alexander Gauland Hausverbot erteilt und würde auch an Andreas Wild nicht vermieten. Daraufhin suchten Antifaschist*innen in den letzten Wochen das Gespräch mit ihm. Insbesondere wurde ihm an mehreren Beispielen aufgezeigt, dass auch andere regelmäßige TeilnehmerInnen des Stammtisches dem ganz rechten Flügel der AfD angehören. So waren zum Beispiel Karsten Vielhaber und Jannik Brämer Ende Februar beim Stammtisch und stellten ihre Nazi-Klamotten vor. Beide sind Aktivisten der Identitären Bewegung (IB) Berlin. Brämer war bis vor kurzen außerdem stellvertrender Vorsitzender der AfD-Jungendorganisation Junge Alternative. Nachdem er bei der versuchten "Blockade" des Justizministerium durch die IB beinahe einen Zivilpolizisten umgefahren hatte und deshalb ein Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung gegen ihn erlassen wurde, musste er zurücktreten. Mittlerweise läuft ein Parteiausschlussverfahren.
Der Pächter hat jedoch alle Gesprächsangebote unbeantwortet gelassen. Wie wir nun durch eine Pressemitteilung der AfD erfahren konnten, beriet er sich stattdessen mit diesen. Am 17. Juni hat Sie auch direkt vor dem BonVerde Propaganda verteilt und auf Facebook nochmal betont, danach gemütlich in dessen Biergarten gesessen zu haben. Dies zeigt in unseren Augen deutlich, dass die Hausverbote - sollten sie im Zweifel denn überhaupt durchgesetzt werden - nur den Protesten den Wind aus den Segeln nehmen sollten. Mit der rechten Hetze, die in seinen Räumlichkeiten verbreitet wird, scheint er keine Probleme zu haben, solange die Kohle stimmt. Gerüchteweise soll die AfD pro Stammtisch mehrere hundert Euro zahlen. Unterstrichen wird dies noch von seinem kumpelhaften Verhältnis, dass er mit einigen AfDlern bei den letzten Stammtischen pflegte. Für uns scheint klar: Von einer weiteren Vermietung an die AfD wird er sich nur durch anhaltenden Druck auf allen Ebenen abhalten lassen. Das Geschäft mit der AfD muss teuer für ihn werden!
Erstveröffentlichung auf Linksunten Indymedia am 25. Juni 2017
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